Ode auf unbesungene Berühmtheiten

Rolf Dennemann hat anscheinend eine spannende Geschichte entdeckt, Annette Kritzler (rechts) ist skeptisch, während Nora Reul erfreuter ist.
Rolf Dennemann hat anscheinend eine spannende Geschichte entdeckt, Annette Kritzler (rechts) ist noch skeptisch, während Nora Reul erfreuter ausschaut.

Am 10. Mai 2015 um 15:30 Uhr geht die erste Führung der „Borsig Vips“ los. Entlang der Oesterholzstraße werden an 18 Stationen Personen und Typen präsentiert, die bisher in den Geschichtsbüchern keine Erwähnung fanden.

Entstanden ist diese Idee während den sonntäglichen Sprechstunden bei den „Borsig-Blinks“ mit Schauspieler, Regisseur und Autor Rolf Dennemann im ehemaligen Ladenlokal in der Oesterholzstraße 103. Hier erzählten die Besucher Geschichten, die Dennemann künstlerisch „hochbearbeitet“ hat. „Wenn aus den Geschichten ein Mythos wird, dann haben wir einen Meilenstein geschafft“, so Dennemann. Denn die Gegend bestehe fast nur aus „Normalbürgern“. Wenn hier Tourismus stattfinde, dann nur wegen Fußball, dem Hoeschmuseum oder um sich Elend anzugucken.

Die „Borsig-Vips“ sollen diesem Umstand abhelfen. Ähnlich wie in Wien oder anderen Städten werden an den Stationen Informationstafeln an den Häuserwänden angebracht. So beginnt die Tour in der Oesterholzstraße beim Imbiss „Kohldampf“ (Nummer 51) und endet an der Hausnummer 103. Die Geschichten der neuen Berühmtheiten „werden nicht humorfrei sein“, erklärte Dennemann. Bei der Tour wird Dr. h.c. Wilfurt Loose ein wenig antropologische Informationen geben. Die Studentin Nora Reul, die durch die „Borsig-Blinks“ hinzugestossen ist, wird assistieren und hat zwei Geschichten zur Tour beigesteuert.

Organisiert wird die Tour von Annette Kritzler, die bekannt ist durch ihre Borsigplatz-VerFührungen. „Für mich ist das eine Herausforderung“, so Kritzler, „die Borsig-Vips sind jenseits der standardisierten Tourismusführungen der Städte“. Das Ziel der Aktion formuliert Dennmann so: „Die Bewohner sollen zu ihrem Wohnort eine andere Identität bekommen.“

Neben dem 10. Mai gibt es weitere Termine: 14.05. (11 Uhr), 15.05. (18 Uhr), 22.05. (18 Uhr), 23.05. (14 Uhr), 24.05. (18 Uhr), 30. Mai (14 Uhr und 18 Uhr).

Die Teilnahme ist kostenlos, nur Anmeldungen werden erbeten an rolf@borsig11.de, denn es können maximal 15 bis 20 Personen pro Tour mit.

Zukunftsängste und Liebessehnsucht

Steffen Happel Désirée von Delft Thorsten Schmidt Götz Vogel von Vogelstein
Steffen Happel
Désirée von Delft
Thorsten Schmidt
Götz Vogel von Vogelstein

Mit der Uraufführung von „Ach je die Welt“ am 08. Mai 2015 um 19 Uhr präsentiert das Kinder- und Jugendtheater eines ihrer Beitrag zum Projekt „Industriegebietskinder“. Beim Stück, das Anne Lepper extra für das KJT geschrieben hat, dreht sich alles um zwei Fragen: Werde ich Arbeit haben? Werde ich geliebt?

Kohle ist weg. Bier ist auch nicht mehr der große Arbeitgeber und beim Stahl sieht es ähnlich aus: Arbeitssuchende können schon lange nicht mehr bei Karl Hoesch Arbeit finden. Was passiert also, wenn man die Schule verlässt? Gibt es überhaupt noch Arbeit? Wie finde ich mich in diesem Meer von Möglichkeiten zurecht?

Anne Leppers Stück dreht sich um die drei Jugendlichen Christopher, Tobias und Marc, die Angst haben, zu versagen. Zudem werden sie von der Gesellschaft geprägt: Was musst du haben, um dabei zu sein? Wie musst du aussehen, um Erfolg zu haben? Diese Konditionierung durch die Medien und das Umfeld haben ihre Spuren hinterlassen. Ebenso geht es Marie-Ann, der einzigen weiblichen Rolle im Stück. Sie sehnt sich nach Liebe und bietet den Jungen, als sie 15 Jahre alt wird, ihren Körper an.

Wo sind die Utopien geblieben, fragt das Stück. Stagnation, Ratlosigkeit allerorten. Symbolisiert wird dies durch den „Chor der Sechstklässler“, die quasi eine Kommentarfunktion innehaben.

Auf der Bühne wird der Bambus sehr präsent sein, als Symbol für den gleichnamigen Ort auf dem Phoenix-West-Gelände, der gleichzeitig auch ein Jugendtreff ist.

„Ach je die Welt“ wird viele Bezüge zur Popkultur und Filmgeschichte aufweisen wie beispielsweise „Vertigo“ oder „Metropolis“. Die Musik von Oliver Kostecka unterstützt die Szenerie.

Das Projekt „Industriegebietskinder“ ist ein gemeinsamen Projekt des KJT Dortmund, des Thalia Theaters Halle und des Theaters Strahl in Berlin. Dortmund wird neben „Ach je die Welt“ noch das Stück „Asche unter meinen Docs“, das mit Jugendlichen der Marie-Reinders-Realschule entstanden ist, präsentieren. Am 30. Mai werden in Halle an der Saale alle Stücke präsentiert.

Während die Premiere am 08. Mai bereits ausverkauft ist, gibt es noch Termine am: So, 10. Mai 2015, Mo, 11. Mai 2015, Mi, 13. Mai 2015, So, 17. Mai 2015, Di, 19. Mai 2015, Do, 18. Juni 2015, Fr, 19. Juni 2015, Sa, 20. Juni 2015, So, 21. Juni 2015, Do, 25. Juni 2015 und Fr, 26. Juni 2015.

Weitere Informationen unter http://www.theaterdo.de oder 0231 5027222.

Elbe, Flut und Jugendwerkhof

Das Tanztheater „Ossimisten Wessimisten“, das am 02. und 03. Mai im Theater im Depot zu Gast war, erzählte die Geschichte von Torgau. Im ersten Teil stand die Flut im Mittelpunkt, der zweite Teil spülte einen dunklen Punkt in der Stadtgeschichte nach oben: Der geschlossene Jugendwerkhof, in dem im Laufe der Jahre über 4.000 Jugendliche viele Misshandlungen über sich ergehen lassen mussten.

Das Stück „Ossimisten Wessimisten“ ist eine Koproduktion der Kölner Tanzgruppe bodytalk mit den Landesbühnen Sachen. Die Choreografie stammt von Yoshiko Waki, Autor Rolf Baumgart sowie Sänger und Liedermacher Stephan Krawczyk waren für Texte und Lieder zuständig.

Elbe und Hochwasser? Klar, das zwei Dinge auf der Bühne nicht fehlen durften: Wasser und Sandsäcke. Durch den übermäßigen Gebrauch von Mineralwasser erzeugten die Tänzerinnen und Tänzer einen glitschigen Film, auf dem sie ausgelassen herumtobten. Später wurden auch einige Zuschauer überredet, um als Helfer Sandsäcke hin und her zu bewegen. Sehr positiv: In „Ossimisten Wessimisten“ ging es nicht um den Gegensatz zwischen „Wessis“ und „Ossis“, im ersten Teil wurde die verbindende Kraft des gemeinsamen Helfens deutlich vor Augen geführt.

Im Prinzip war das Stück eine Art gesungene und getanzte Stadtgeschichte. Im ersten Teil feucht und fröhlich, nach der Pause ernst und bedrückend. Denn dann wurde die Geschichte des geschlossenen Jugendwerkhofes erzählt. Die dargestellten Szenen von Demütigungen, sexuellen Übergriffen und Gewalt waren sehr klar und machten deutlich, welche Qualen die echten Opfer zu durchleiden hatten. Krawczyk bat mit Melanie Eggert eine Zeitzeugin auf die Bühne, die von ihren eigenen Erfahrungen im Jugendwerkhof berichtete. Eggerts Bericht war sehr emotional, wirkte aber ein wenig wie ein Fremdkörper, denn er hatte den Nachteil, dass der Fluss des Stückes unterbrochen wurde. Kurz danach ging es weiter und das Thema Jugendwerkhof verschwand wieder wie ein kurzer Regenschauer an einem Sommertag.

Insgesamt bot der Abend mit „Ossimisten Wessimisten“ hohe tänzerische Qualität, ein kleines Privatkonzert von Krawczyk in der Pause, rockige Musik, die live gespielt wurde, und einen Einblick in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.

Erfolgsballett wieder in Dortmund

Farbenfrohe Choreografien gab es zu bewundern.(Foto: ©Bettina Stöß / Stage Picture)
Farbenfrohe Choreografien gab es zu bewundern.(Foto: ©Bettina Stöß / Stage Picture)

Noch farbiger – noch bildgewaltiger: Die Wiederaufnahme von Xin Peng Wangs Ballett „Der Traum der roten Kammer“ in der Hongkong-Fassung sorgt erneut für einen vollen Opernsaal. Die Version, die in Hongkong für einen politischen Skandal gesorgt hat, wird am 01. Mai 2015 vom Publikum gefeiert.

Die getanzte Geschichte hatte sich nicht viel verändert: Aus dem riesigen Roman „Der Traum der roten Kammer“ von Hóng Lóu Mèng nahm Ballettdirektor Xin Peng Wang einen kleinen Teil heraus: Er konzentrierte sich auf die Geschichte um Pao Yü, der seine verarmte Cousine Lin Dai Yü liebt, aber die reiche Cousine Pao Tschai heiraten muss. Pao Yü verzweifelt so sehr, dass er als stummer Begleiter die Geschichte Chinas bis zu Jetztzeit miterlebt.

Die eigentliche Premiere fand am 11. November 2012 statt. In der ersten Wiederaufnahme gab es ein paar personelle Veränderung. Zwar wurde Pao Yü an diesem Abend erneut von Mark Radjapov getanzt, aber seine Geliebte Lin Dai Yü nicht mehr von Monica Fotescu Uta, sondern von Barbara Melo Freire. Auch der Stein hatte einen anderen Tänzer. Francesco Nigro ersetzte Sergio Carecci.

Es gab einige kleine Änderungen. Bei der Premiere 2012 wurden Pao Yü beide Cousinen verschleiert präsentiert, er wählt aber die falsche. 2015 wurde Lin Dai Yü schon vorher von der Familie „aussortiert“.

Beim Marsch durch die chinesische Gesichtete wurde in der Hongkonger Fassung stärker auf die Kulturrevolution eingegangen. Bilder wurden zerstört, Buddhastatuen mit dem Vorschlaghammer zertrümmert (ein Bild, das einen sofort an die IS denken lässt) und Bücher gingen in Flammen auf. Das gefiel den kommunistischen Funktionären in Hongkong gar nicht und sie verlangten die Absetzung des Stückes. Doch der mediale Druck sorgte dafür, dass ab der dritten Vorstellung wieder die originalfassung gespielt werden konnte.

Wer den „Traum der roten Kammer“ noch nicht gesehen haben sollte, der sollte es jetzt nachholen. Erstklassige Tänzer, beeindruckende Choreografien, opulentes Bühnenbild und großartige Musik von Michael Nyman, live gespielt von den Dortmunder Philharmonikern.

Weitere Termine: Sa, 09. Mai 2015, Sa, 23. Mai 2015, Sa, 30. Mai 2015, So, 07. Juni 2015 und Sa, 27. Juni 2015.

Comics über den Wilden Westen

Morris, The Lucky Band, 1977
Morris, The Lucky Band, 1977

Erneut zeigt das Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) mit „Going West!“ eine Comicausstellung. Vom 03. Mai bis zum 19. Juli 2015 können die Besucher 165 Comicseiten an der Wand und etwa 200 Comics in einer Vitrine besichtigen. Darunter eine Seite mit dem allerersten „Lucky Luke“. Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema, wie hat der Comic in Europa und in den USA den Westen und damit den Western entdeckt.

„Der Comic war das erste Bildmassenmedium noch vor dem Film“, erklärte Kurator Alexander Braun. Die Zeitungen in den USA konkurrierten untereinander um die besten Zeichner, und die Geschichten erschienen im Vierfarbdruck, in Zeiten als die Fotos in Zeitungen in der Regel noch Schwarz-Weiß waren.

Schon früh beschäftigen sich die Medien mit dem (Wilden) Westen. Beispielsweise ist der erste kleine Spielfilm von 1903 ein Western, in dem ein Eisenbahnüberfall gezeigt wird. Der Westen wurde nicht ohne Hintergedanken propagiert. Braun: „Während im Osten die Städte aus allen Nähten platzten, waren die Gebiete im Westen fast menschenleer. Daher hat man den Westen attraktiver erscheinen lassen, um ein bisschen PR zu betreiben.“ Der Film von 1903 ist auch im MKK zu sehen.

Natürlich war der Westen nicht ganz menschenleer, es lebten dort auch noch die Ureinwohner. Die Mythenbildung um die Landnahme im Westen verlief blutiger als man es sich selber eingestehen wollte. Schimmert in den frühen amerikanischen Comics noch die Überlegenheit der weißen Kultur gegenüber der indianischen Kultur spürbar, ist der Blick der europäischen Zeichner ein ganz anderer. Hier steht der idealisierte Blick der Indianer als „edle Wilde“ im Mittelpunkt.

Der in Deutschland wohl berühmteste Westernheld im Comic ist „Lucky Luke“ vom belgischen Zeichner Morris (Maurice de Bevere). Im MKK sind vier Originalzeichnungen von ihm zu sehen. Daneben treffen die Besucher auf „Tim in Amerika“ von Hergé oder „Leutnant Blueberry“ von Jean Giraud.

Natürlich sind auch amerikanische Zeichner vertreten wie George Herriman, James Swinnerton oder Frank King, die bereits in den 1920er Jahren den Westen auf recht abenteuerliche Weise bereisten.

Die Reise in den Westen reicht von den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bis in unserer heutige Zeit mit ihren Graphic-Novels.

Neben den öffentlichen Führungen gibt es noch einen kostenlosen Workshop für Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 Jahren. Dort soll ein 8-seitiger Comic entwickelt werden, der sich mit dem Wilden Westen beschäftigt. Die Termine für den Workshop sind der 13. Juni 2015 und der 01. Juli 2015 jeweils von 10:30 Uhr bis 13:30 Uhr. Anmeldungen an info.mkk@stadtdo.de

Zu der Ausstellung ist ein 432-setiges Begleitbuch mit über 700 Farbabbildungen erschienen. Es ist an der Museumskasse für 49 € erhältlich.