Der Lochbuddler

Paul Wallfisch (an der Schüppe) half seinem Freund Robert Leaver ein wenig beim graben. (Foto: © Anja Cord)
Paul Wallfisch (an der Schüppe) half seinem Freund Robert Leaver ein wenig beim graben. (Foto: © Anja Cord)

Am Freitag, dem 22. Mai 2015 stand Robert Leaver noch als Musiker auf der Bühne im Rahmen der Musikreihe „small beast“ (wir berichteten), einen Tag später, am Samstag, war er als Performancekünstler in Dortmund unterwegs. Genauer gesagt in der Galerie 143 an der Rheinischen Straße bzw. im Union Gewerbehof.

Nachdem Robert Leaver seine Performance „I crawl home“ beendet hatte, bei dem er auf Händen und Knien durch Manhattan gekrochen ist, hat er ein neues Projekt: Hole Earth. Hier buddelt er ein Loch und legt sich für einige Minuten hinein. So auch am Samstag im Union Gewerbehof.

Die Arbeit war nicht leicht für Leaver, er musste richtig ackern, um in den harten Boden ein Loch zu graben. Bis auf ein paar rote Backsteine wurde nichts von Bedeutung gefunden. Leaver machte seine Arbeit ernsthaft, die Aktion war nicht in irgendeiner Art ironisch gemeint. Für die etwa 20 bis 30 Zuschauer der Performance hatte es etwas Meditatives.

Zufall oder nicht? Als Leaver gegen 17 Uhr in das Loch stieg, läuteten von der benachbarten Kirche die Glocken. Dort lag er dann fünf bis zehn Minuten in einer embryonalen Haltung und kroch danach wieder langsam heraus. Danach wurde das Loch wieder zugeschüttet.

Es hatte etwas von Geburt und Beerdigung. Es gab Kulturen, die ihre Toten in embryonaler Haltung bestatteten. Eine Art Rückkehr in den Mutterleib.

Die Performance hatte etwas von der Kunst des Fluxus, die ihren Höhepunkt in den 60er Jahren hatte.




Muffins und Vogelwerfer

Die Konzertreihe „Small Beast“ hat sich in den Jahren ihres Bestehens zu einer Institution in Dortmund gemausert. Der musikalische Leiter des Schauspielhauses, Paul Wallfisch, hat das Institut oder das Studio des Schauspielhauses zu einem Treffpunkt musikalischer Entdeckungen geformt, die man sonst nur aus Städten wie Hamburg oder Berlin kannte. Ein Hauch von New York wehte durch Dortmund, wenn Wallfisch sein Adressbuch öffnete und seine weitverzweigten Beziehungen spielen ließ. Ab der kommenden Spielzeit verlässt Paul Wallfisch Dortmund und kehrt nach New York zurück. Zwar gibt es noch das zweitägige „Big Beast“ am 25. und 26. Juni, aber ob und wann Wallfisch Dortmund einen Besuch abstattet, steht noch in den Sternen.

Zu dem vorerst letzten regulären Small Beast am 22. Mai 2015 hatte der Gastgeber seinen New Yorker Bekannten Robert Leaver und den schwedischen Musiker und Schauspieler Stephen Rappaport eingeladen.

Leaver war den meisten Zuhörern durch Pauls Erzählungen bekannt, denn Leaver war derjenige, der eine Zeit lang auf Händen und Knien durch Manhattan gekrochen ist. Der Performancekünstler und Musiker war unter dem Künstlernamen „Birdthrower“ unterwegs und sang zur Akustikgitarre lakonisch-witzige Lieder über Nordkorea, Jesus oder seine Liebe zu einer Polizistin. Daneben machte er seinem Bühnennamen alle Ehre und warf ein paar von seinen mitgebrachten kleinen Plastik-Vögel, die er vorher in Whisky getaucht hatte, ins Publikum. Leaver trat einen Tag später erneut in Dortmund in Erscheinung. Diesmal aber als Performancekünstler (hier der Bericht).

Rockig und skurril: So könnte man den Auftritt der Stephen Rappaport Band aus Schweden beschrieben. Rappaport, der ein wenig aussah wie eine Mischung zwischen Nosferatu und Michael Stipe von R.EM., sang und spielte (manchmal mit Akkordeon) seine humorvollen Lieder (eines ging beispielsweise über Muffins) als eine Art schwedischer Tom Waits.




Wiener Klassik bot bekannte Melodien

Die dritte (und letzte) Ausgabe der Reihe Wiener Klassik in dieser Spielzeit am 18.05.2015 lockte wieder eine große Zahl Besucher in das Konzerthaus. Die Dortmunder Philharmoniker spielten die Oevertüre zur Oper „Guillaume Tell“ von Rossini, das Klavierkonzert Nr. 20 von Mozart und Beethovens fünfte Sinfonie. Am Dirigentenpult stand Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Ein Italiener komponiert eine französischsprachige Oper über einen Schweizer Nationalhelden: Willkommen bei „Guillaume Tell“. Rossinis Ouvertüre zu seiner Oper ist in vier Teile aufgespalten, die sich an der Handlung orientieren. Spürt man zu beginn die Stille und Erhabenheit der Bergwelt, endet die Ouvertüre mit dem bekannten „Freiheitsmarsch“ oder besser „Freiheitsgalopp“, denn dieser Abschnitt erklang in Filmen gerne in Reiterszenen.

Danach spielte Pianistin Anny Hwang das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 von Mozart. Für manche wohl Mozarts schönstes Klavierkonzert, im ersten Satz geheimnisvoll und düster, ist der zweite Satz dagegen ein „typischer Mozart“ voller Galanterie. Im dritten Satz kehrt der Komponist wieder zu seiner Tiefgründigkeit zurück. Hwang präsentierte einen anderen Mozart, düsterer, weniger galant, mehr schicksalsbewusst. Zusammen mit den Dortmunder Philharmonikern bot sie virtuos dem Publikum eine andere Seite Mozarts.

Nach der Pause erklang Beethovens Fünfte. Ta-ta-ta-taa. Oder für Musikkenner: Eine große Terz von G nach Es. Dieser Beginn der „Schicksalssinfonie“ ist weltberühmt und auch Menschen, die nichts mit Klassik zu tun haben, kennen ihn. Gabriel Feltz und seine Dortmunder Philharmoniker präsentieren an diesem Abend die Sinfonie in seiner ganzen Kraft und Wucht.