Aktuell wie nie

Der Physiker Ziffel und der Arbeiter Kalle treffen sich in den späten 30er Jahren mehrmals in einem Bahnhofsrestaurant in Helsinki. Beide sind im Exil und unterhalten sich über politische Ansichten und private Geschichten. Der Text von Bertolt Brecht ist stark autobiografisch geprägt. Brecht floh 1940 vor den Nazis nach Finnland. In der heutigen Zeit, wo viele Menschen auf der Flucht sind, ist dieser Text aktuell wie nie. Zwei erfahrende Schauspieler wollen aus diesem Text etwas Spannendes machen. Jürgen Mikol (von 1974-1982 und 1985 bis 1992 Schauspieler am Theater Dortmund) und Andreas Weißert (von 1975-1980 Leiter des Schauspiels) übernehmen die Rollen und Kalle und Ziffel. Premiere ist am 20. Februar 2015.

Es gibt Texte, der einen weniger ansprechen, andere Texte lassen einem mit sich selbst konfrontieren“, lobt Weißert den Text von Brecht. „Brecht hat die Dinge immer sehr klar benannt.“

Doch neben Brecht werden weitere Texte in die „Flüchtlingsgespräche“ integriert. So beispielsweise von Lily Braun, die, obwohl sie Sozialistin und Frauenrechtlerin war, die Kriegspolitik des Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg vorbehaltlos unterstützte. Ein modernerer Text stammt aus der „Frankfurter Rundschau“, die die marode Bundeswehr auf die Schippe nimmt. Aber immer wieder wird deutlich, wie stark der Text von Brecht immer noch in die Gegenwart wirkt.

Für das Gastspiel am 20. Februar 2015 sind alle Plätze ausverkauft, für den Termin am 08. März gibt es noch Karten.




Geschichten mit Augenzwinkern

Am 25. Februar ist es wieder soweit. In einem leerstehenden Ladenlokal an der Oesterholzstraße 103 lädt der Autor, Regisseur und Schauspieler Rolf Dennemann um 18 Uhr zu seinen „Sprechstunden“ Hier können Bewohner zusammenkommen und erzählen, was es so zu erzählen gibt im Quartier. Die daraus entstehenden Geschichten nennt Dennemann „Borsig-Blinks“. Das Projekt wird organisiert von der Machbarschaft Borsig11 e.V. und der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft.

Im Mai soll dann ein Ergebnis vorliegen. Was daraus werden soll, erzählt uns Dennemann in einem Interview.

Ars tremonia: Was ist „Borsig-Blinks“ eigentlich?

Dennemann: Ich treffe hier Menschen, die mir ihre Geschichten erzählen. Nicht ihre Lebensgeschichten, sondern die aus ihrem Alltag. Das ist nicht einfach, denn viele Leute merken nicht, was sie an kleinen Geschichten so sehen und erleben.

Ich habe hin und wieder etwas über diese Gegend hier geschrieben, kleine kurze Texte, die ich „Blinks“ genannt habe. Es gibt keine direkte Übersetzung dafür. In etwa „Geschichten mit Augenzwinkern“, aus dem Alltäglichen, die dann etwas in Übertreibungen münden.

Wir richten daher „Sprechstunden“ ein. Eine habe ich schon gemacht, ab dem 15.02. gibt es jeden Sonntag um 18 Uhr in dem Ladenlokal in der Oesterholzstraße 103 Sprechstunden mit mir und Gästen.

Ars tremonia: Was sind das für Gäste?

Dennemann: Mit Gästen sind erst mal alle gemeint, die kommen, aber auch jemanden, den wir mitbringen. Prominent oder nicht prominent. Das muss sich herumsprechen. Wir brauchen natürlich die Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein schwieriges Unterfangen in dieser Gegend. Es ist nicht so, dass jeden Sonntag ein Programm stattfindet. Das Programm ist die Sprechstunde. Man kann sich treffen und es wird einem zugehört.

Ars tremonia: Welche Geschichten sollen die Menschen denn erzählen?

Dennemann: Das weiß ich nicht. Das ist ja der Punkt. Manche fangen einfach an. Beim ersten Mal ging es von Hölzken auf Stöcksken. „Da war doch mal einer, der war obdachlos und ganz beliebt.“ Da sagt die nächste: „Ja, da hatte ich noch meinen kleinen Hund“ und dann muss ich schauen, wie ich aus den ganz kleinen Abrissen meine Texte mache, die durch meine Art und Weise überhöht werden, so dass sie nichts mehr damit zu tun haben, was ich gehört habe. Ich kann mir auch vorstellen, einen Sonntag die Leute einfach meckern zu lassen. Darüber hinaus planen wir auch, eine Art Bürgertalkshow zu machen, weil das Format bekannt ist und wir über diese Talkshow mit den Leuten ins Gespräch kommen.

Daneben wird es einen weiteren, kleineren Kreis von Menschen geben, die sich anmelden. Mit denen werde ich mich woanders treffen und können mit den Geschichten tiefer gehen.

Ars tremonia: Was soll aus dem Projekt entstehen?

Dennemann: Das Programm endet im Mai. Es gibt eine Art Ziel, ich will mir nicht ein Resultat setzen und muss dann darauf hinarbeiten. Ich kenne kein Ergebnis und bin gespannt, wie sich das zusammenpuzzelt.

Die Geschichten, die ich sammele, könnten am Ende eine Art Drehbuch ergeben. Das ist das ehrgeizigste Ziel. Das ist nah an den Leuten. So kann ich ihnen vermitteln, wie kommt eine reale Szene in einen Film.

Ars tremonia: Haben Sie keine Angst, dass Nörgler und Besserwisser in die Sprechstunde kommen

Dennemann: Man muss den Leuten immer wieder klarmachen, dass wir das mit einem Augenzwinkern betrachten. Manche Leute muss man auch bremsen.