Eine Form der Flüchtigkeit

Mit „Drei Streifen: Tanz“ präsentiert das Ballett Dortmund diesmal drei Handschriften von verschiedenen Talentschmieden. Benjamin Millepied steht für die neoklassische Tradition eines George Balanchine. Demis Volpi kommt aus der Stuttgarter Talentschmiede und Jiří und Otto Bubeníček sind geprägt von John Neumeier. Die Premiere ist am 14. Februar 2015 um 19:30 Uhr.

Eröffnet wird das Programm von der Kreation „Closer“ von Benjamin Millepied. Erzählt wird die Liebesgeschichte eines Paares, dass sich trifft, wieder entzweit, aber immer wieder begegnet. Dazu erklingt die Musik von Phillip Glass („Mad Rush“).

Ähnlich poetisch sind die drei Duette von Demis Volpis. Auch hier wird die Geschichte von leidenschaft und Trennung erzählt. Bemerkenswert ist, dass beim ersten Duett „Little Monsters“ Musik von Elvis Presley erklingt. Die dritte Choreografie „Ebiony Corner“ wurde extra für diesen Abend geschaffen und ist somit eine Uraufführung.

Nach dem poetischen Tanz, wird es mehr prosaisch. Denn die beiden Zwillinge Jiří und Otto Bubeníček haben sich für diesen Abend etwas ganz besonderes ausgedacht. In der Uraufführung von „The piano“ haben sie eine tänzerische Fassung des gleichnamigen Films von Jane Campion.

Der Film erzählt die Geschichte der Schottin Ada McGrath , die im 19. Jahrhundert mit ihrer Tochter nach Neuseeland zwangsverheiratet wird. Ada ist stumm und nur mit dem Klavier kann sie ihre Gefühle ausdrücken. Ihr Mann Ailster ist für solche Art von Kultur völlig unempfänglich, im Gegensatz zum Nachbarn George.

Während Millepied und Volpis bei ihren Choreografien den Fokus auf die Körper der Tänzer legen, haben die beiden Bubeníčeks eine andere Herangehensweise gewählt. Eine Musikcollage aus unterschiedlichen Quellen von Nyman über Schostakowitsch bis hin zu Gesängen der Maori wird die Umsetzung unterstützen. Dazu gibt es eine Videoproduktion, die die gewaltige Natur Neuseelands zeigen wird. Die Pariser Bühnenbildnerin Elsa Pavanel hat passende Kostüme entworfen, die das Publikum ins 19. Jahrhundert entführen.

Für die Premiere gibt es noch Restkarten. Weitere Termine sind: SO, 01. MÄRZ 2015, SA, 07. MÄRZ 2015, DO, 19. MÄRZ 2015, FR, 24. APRIL 2015, DO, 07. MAI 2015, SA, 16. MAI 2015 und FR, 05. JUNI 2015.




Getanzte Reminiszenz am Oskar Schlemmer

Das Theater der Klänge präsentierte am 07. und 08. Februar 2015 im Theater im Depot eine Neuinterpretation des „triadischen Balletts“ von Oskar Schlemmer unter dem Titel „Trias“. Angelehnt an die 20er Jahre und der Bauhaus-Schule gelangen den Künstlern eine ästhetische Rückkehr in die Zeit der Weimarer Republik, wobei sie das Ballett leicht modernisierten, aber ohne die Wurzeln zu zerstören.

Die Zahl Drei spielt eine große Rolle im Ballett von Oskar Schlemmer (1888-1943). Für den Maler, Bildhauer und Bühnenbilder symbolisierte die „Drei“ die Überwindung der egoistischen „Eins“ und der dualistischen „Zwei“ zur kollektiven „Drei“. Daher gibt es drei Farben (Rot, Gelb, Blau) drei Formen (Kegel, Zylinder, Kugel) oder auch die Einheit von Tanz, Musik und Kostüm. Darüber hinaus hat das triadische Ballett drei Akte (Gelb, Rosa und Schwarz).

Die Kostüme, die Caterina Di Fiore für Trias entworfen hat, sind den Originalkostümen sehr ähnlich. Beeindruckend waren vor allem die Scheibentänzer, die wie Wachsoldaten bei einem Wachwechsel agierten. Der Flair der 20er Jahre war bei den Kostümen deutlich zu spüren.

Neu war auch die Musik. Entwickelt hat sie Thomas Wansing. Auch hier tauchten Elemente der 20er Jahre auf, die an Swing und andere Jazzmusik aus dieser Zeit erinnerten, aber es gab auch moderne Klänge zu hören. Wansing spielte seine Musik live am Klavier begleitet von Beate Wolff am Cello und Oliver Eltinger am Schlagzeug.

Kai Bettermann war nicht nur Tänzer, sondern er gab auch den launigen Conferencier zu Beginn, der das Publikum mit ein paar Anekdoten aus der Geschichte des Balletts unterhielt. Daneben war er auch eine Art „Pausen-Clown“, der zwischen den Akten auftrat.

Die Haupttänzer waren Phaedra Pisimisi, Darwin Diaz und Elisa Marschall. Sie tanzten nach der Choreografie von Jacqueline Fischer, die sich Schlemmers Erbe mit behutsamer Hand genähert hat.

Kein Wunder, dass beide Abende schnell ausverkauft haben. Zu Recht: Die Zuschauer waren restlos begeistert von der Vorführung. Es ist ein Unglück, dass dieser Weg der klassischen Moderne im Ballett wie so vieles künstlerisch Aufregendes 1933 zwangsweise beendet wurde.




Am Ende lauert der Faschismus

Caroline Hanke als desillusionierte Elektra im ländlichen Exil. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Caroline Hanke als desillusionierte Elektra im ländlichen Exil. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Elektra gegen Klytaimnestra. Revolte gegen Ordnung. Alexander Kerlin schuf aus dem Familiendrama „Elektra“ von Euripides ein wortgewaltiges Gesellschaftsdrama. Was passiert, wenn sich der ewige Kampf zwischen Revolution und unbedingten Machterhalt abnutzt? Dann entsteht aus dem Chaos etwas viel schlimmeres: Der absolute Vernichtungswillen. Etwas, das skrupellos genug ist, ohne mit der Wimper zu zucken, 100 Millionen Menschen umzubringen. Ein Premierenbericht vom 07. Februar 2015.

Die Geschichte bleibt im wesentlichen die alte: Elektra, zwangsweise mit einem Bauern verheiratet, sinnt auf Rache an ihrer Mutter Klytaimnestra. Diese hat ihren Mann und Elektras Vater Agamemnon umgebracht und ihren Liebhaber Aighist zum König ernennen lassen. Die Hoffnung auf Rache wächst, als Elektras totgeglaubter Bruder Orest auftaucht, im Schlepptau seinen Freund Pylades. Endlich kann es zum Showdown kommen, doch am Ende spielt Pylades seinen letzten Trumpf aus.

Im ersten Teil von Kerlins Neubearbeitung treffen zwei Systeme aufeinander. Das Prinzip „Machterhalt“ mit dem Motto „In unserem erfolgreichen Staat, der gut ist und ohne Alternative“ gegen die Revolte. „Ich lehne deinen Staat ab, Seine Freiheit ist die größte Heuchelei“ schreit Elektra ihrer Mutter vor ihrer geplanten Hinrichtung zu. „Lieber das Nichts als dieses Leben“.

Doch in der großen „Beschimpfungsszene“ wird deutlich, wie sich Mutter und Tochter doch ähneln. „Unsere Mittel gleichen sich und wer am Ende Recht hat weiß der Geier“, so Klytaimnestra zu Elektra.

Orest klingt am Anfang ebenfalls revolutionär, dabei ein wenig naiv. Er will „mit seinem letzten blutigen Schlag den Kreislauf des Tötens durchbrechen“. Für ein goldene Zeitalter, das gerechtere Menschen und eine bessere Ordnung der Dinge schafft. Auf zum letzten Gefecht. Doch sein Ziel Aighist zu töten, schafft er nicht, denn „Aighist ist überall. Er ist nirgendwo. Überall und nirgendwo“, verzweifelt Orest, der statt des Kopfes des Königs einen Schweinskopf mitgebracht hat.

Nachdem Elektra Klytaimnestra ermordet hat, scheint die Revolution doch geglückt, oder? Es ist Pylades, der Freund von Orest, der das Ruder an sich reißt. Aus dem schweigsamen Pylades wird der totalitäre Pylades. Nachdem er einen Ledermantel anzieht, der gewisse Ähnlichkeit mit einem Gestapo-Mantel hat, beginnt er seinen Monolog. Der erinnert in Teilen an rechte Ökos, die „um die Erde zu retten“, auch einen Großteil der Menschen vernichten würde. So redet auch Pylades. „14 Milliarden Füße. Der Erdball schreit um Hilfe.“ dagegen hilft nur „Erstmal bringen wir testweise 100 Millionen Menschen um. Und das einzige, was uns dann noch hilft, ist noch mal 100 Millionen umzubringen. Und so weiter.“

Alexander Kerlin präsentiert uns einen Kampf der Systeme, der nach dem Motto endet „wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte“. Ruhig und gelassen wartet Pylades auf seine Chance, die kommen wird, wenn sich beide Systeme erschöpft haben. Eine ähnliche Situation wie in den 30er Jahren in Deutschland.

Sehr stark in dem Stück waren die beiden Frauenrollen der Elektra und der Klytaimnestra. Caroline Hanke war nach ihrer Zeit im Mutterschutz wieder voll aktiv, wie man sofort zu beginn sah, als sie sich mit gymnastischen Übungen auf eine Art von Einsatz vorzubereiten schien. Friederike Tiefenbacher spielte eine Klytaimnestra als „Diva der herrschenden Klasse“. Elegant, aber auch festkrallend an der Macht war sie eine ebenbürtige Gegnerin von Elektra.

Peer Oscar Musinowski zeigte einen Orest, der an seiner Aufgabe Aighist zu töten scheitert. „Die Tragödie ist aus“, verzweifelt er. „Da ist kein Feind mehr, der eure Freiheit unterdrückt“. Musinowski bringt diesen Zwiespalt zwischen den energischen Orest zu Beginn und dem desillusionierten Orest gegen Ende des Stückes gut auf die Bühne.

Carlos Lobo hat eine sehr spannende Rolle, denn er spielt den Pylades. Der sagt erst einmal gar nichts und steht wie ein Unbeteiligter im Hintergrund. Erst am Ende, als sich die Kräfte der Revolte und des Beharrens erschöpft haben, kommt er zu seinem großen Auftritt.

Der Bauer/Henker wurde von Frank Genser dargestellt. Der Henker, der eigentlich Elektra töten sollte, bekommt sie zur Frau und wird Bauer. Aus einem Werkzeug der Mächtigen entwickelt der Charakter eine Art „Stockholm-Syndrom“ und stellt sich auf die Seite Elektras. Doch sein Henkerhandwerk scheint noch nicht vergessen, er dient sich Pylades an. „Wo echte Not herrscht, wird mein Handwerk noch geschätzt.“

Mit viel Humor spielten auch die Chormitglieder Bettina Lieder und Merle Wasmuth ihre Rollen. Der Chor, der das Volk symbolisiert stellte sich je nach Situation immer auf die Seite derjenigen, die gerade obenauf war.

Regisseur Paolo Magelli stellte in „Elektra“ die Schauspieler in den Mittelpunkt seiner Inszenierung. Das Bühnenbild war reduziert. Das Feld des Bauern wurde mit Schottersteinen dargestellt, um die Kargheit des Bodens zu symbolisieren. Einfache Tische und Stühle.

Daneben gab es Videoeinblendungen mit Klytaimnestra und Elektra und Orest als Kindern. In dieser Art Rückblende versucht die Mutter ihren Kindern die „wahre“ Geschichte von Helena, Paris und Agamemnon zu erzählen. Ihre Kinder schreien aber „Du lügst, du lügst!“

Die Musik kam von einer Liveband mit dem musikalischen Leiter des Schauspiels Paul Wallfisch sowie Geoffrey Burton und Larry Mullins. Ihre Musik war avantgardistisch, manchmal laut, aber nicht schrill und passte sich dem Geschehen auf der Bühne an.

Elektra wurde entscheidend gegen den Strich gebürstet und mit vielen Anspielungen aus der Jetztzeit versehen. Das ist ein Verdienst der Textbearbeitung von Alexander Kerlin. Ein sehenswertes Stück.