Zeitgenössische Kunst aus Deutschland und der Türkei

"Wahlpflicht" von Özgur Demirci.
„Wahlpflicht“ von Özgur Demirci.

Der Ausstellungstitel „31 Kilo“ ruft zunächst Stirnrunzeln hervor. Was ist damit gemeint? Das Höchstgewicht für das Gepäck beim Flug in die Türkei? Damit liegt man schon fast richtig, denn 31 Kilo ist das Höchstgewicht eines Paketes, dass die Deutsche Post in die Türkei schickt. Acht Künstlerinnen und Künstler aus den beiden Ländern setzen sich im Künstlerhaus Dortmund (Sunderweg 1) mit dem Thema des Raumes und der Reduktion auseinander. Das Künstlerhaus wird auch zu einem Labor, in dem Ideen ausprobiert werden können. Die Ausstellung geht vom 01. November bis zum 21. Dezember 2014.
Wie von den früheren Ausstellungen im Künstlerhaus zu erwarten, werden sehr moderne Arbeiten junger Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Von Video über Fotografie bis hin zu Installationen sind viele Positionen zu vertreten. Von allen ausgestellten Arbeiten vermittelt „Wahlpflicht“ von Özgür Demirci eine politische Dimension. Die Besucher sind aufgefordert, einen Wahlschein in die Wahlurne zu werfen, wobei sie die Frage „Wurden Sie schon einmal zu einer Entscheidung gezwungen“ beantworten sollen.

Ansonsten setzen sich die Werke der acht Künstlerinnen und Künstler mit den,beiden Räumen Istanbul und Dortmund auseinander. So hat David Kroell eine Gipskartonwand von Istanbul nach Dortmund transportiert, wobei die Spuren des Transportes zu sehen sind. Daniel Burkhardt präsentiert Detailaufnahmen des Dortmunder Stadtraumes, die sich mit der Hilfe eines Projektors zu einem großen Bild zusammenfügen. Can Kurucu bringt Istanbul nach Dortmund und zwar mittels der Green-Box-Technik. Die Projektion der Objekte schafft eine Verbindung zwischen zwei Orten. Bei Uygar Demoğlu werden Luftballons in seiner Videoinstallation „Heymatlos“.

Patrick Presch stellt den sozialen Raum in den Mittelpunkt seiner Arbeit „boundaries crossed (part 2)“. Hier wird ein Foto aus Istanbul einem Foto aus Dortmund gegenübergestellt. Thema ist die Kommunikation zwischen Jugendlichen.

Symbolischen Charakter hat die Installation „WE“ von Sümer Sayın. Gummiseile zwischen dem W und E zeigen solch eine Spannung, dass selbst die Wand zerstört wurde.

Letztendlich lädt die Ausstellung zur Auseinandersetzung mit dem Thema Raum in unterschiedlichen Kontexten ein. Eine deutsch-türkische Gemeinschaftsausstellung jenseits folkloristischer oder migrantischer Stereotypen.

Die ausstellenden Künstler: Daniel Burkhardt, Özgür Demirci, Uygar Demoğlu, David Kroell, Can Kurucu, Daniela Löbbert, Patrick Presch und Sümer Sayın.

Was bleibt von der Privatsphäre?

Björn Gabriel und Stefanie Dellmann laden zur "Great democracy show" ein.
Björn Gabriel und Stefanie Dellmann laden zur „Great democracy show“ ein.

Mit der neuen Produktion „The great democracy show“ widmet sich das Theaterprojekt „Sir Gabriel Dellmann“ dem Thema Überwachungsstaat. Wie ist unsere Privatsphäre gefährdet? Gibt es so etwas wie Intimität noch oder was bleibt von unserer Individualität übrig? Die Premiere im Theater im Depot ist am 31.10.2014 um 20 Uhr.

Nach „Kampf des Negers und der Hunde“ sowie „Dantons Dilemma“ ist „The great Democracy show“ ein Stück, das frei ohne eine literarische Vorlage auskommt. Die Vorlage liefert die reale Welt, beziehungsweise die großen Skandale um den Whistleblower Snowden oder der NSA-Abhörskandal.
Für Regisseur Björn Gabriel steht die Frage im Mittelpunkt: „Wie nah sind wir bereits an einem totalitären Staat“. Doch die Diskussion über die digitale Weltordnung soll nicht nur kulturpessimistische Züge tragen. „Es gibt durchaus andere Positionen“, so Gabriel. Es soll auch unterhaltsam werden.

Die Handlung: Vier Schauspieler sind auf der Suche nach einem roten Faden. Denn der Regisseur ist verschwunden. Und ohne Regisseur keine Art von Auftraggeber, kein Ziel. Aber brauchen wir überhaupt einen Auftragsgeber? Jemand, der uns sagt, wo es lang geht? Einen modernen Heilsbringer?

Auf der Bühne passiert neben Video, Licht und Stimmung einiges. „Wir haben verschiedene Räume“, so Stefanie Dellmann, die für Bühne und Kostüm zuständig ist. „Die Zuschauer haben die Möglichkeit durch diese Räume geführt zu werden, sie müssen aber nicht.“

Da Stück wird neben der Premiere am 31.10. auch am 01.11. um 20Uhr sowie am 02.11. um 18 Uhr gespielt. Weitere Termine: 22.11. um 20 Uhr und 23.11. um 18 Uhr.

Ars tremonia sprach mit Stefanie Dellmann und Björn Gabriel: [youtuber youtube=’http://www.youtube.com/watch?v=3yiTLcv8OqI&list=UUjQThJ-Gy5GQYG6ODAMM6BA‘]

Kunst auf 1,8 Kubikmetern

Mitglieder der Dortmunder Gruppe präsentieren ihre Multiples.  Auf dem Foto ist nur ein Teil der insgesamt 19 teilnehmenden  Künstlerinnen und Künstler zu sehen.
Mitglieder der Dortmunder Gruppe präsentieren ihre Multiples. Auf dem Foto ist nur ein Teil der insgesamt 19 teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler zu sehen. (Foto: © Anja Cord).

Bis zum 09. November zeigt die Galerie im Torhaus Rombergpark die Ausstellung „1,8 Kubik“. Gezeigt werden Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler der Dortmunder Gruppe, die sogar gekauft und mitgenommen werden können. Doch keine Angst, die Regale werden immer wieder aufgefüllt.

„Multiples“ heißt das Zauberwort. Künstlerische Arbeiten, die zwar eine serielle Anmutung haben, aber nicht alle gleich sein müssen und durchaus individuellen Charakter haben. Sie sind von der Künstlerin oder vom Künstler autorisiert. Der Vorteil: Man kann durchaus ein Kunstwerk erwerben für relativ wenig Geld: Die Preise bei „1,8 Kubik“ variieren von 7,50 € bis 150 €.

Der Titel der Ausstellung bezeichnet den Platz, den jeder Künstler für die Präsentation seiner Werke zur Verfügung hat: 60x100x300 cm ergibt 1,8 Kubikmeter. Dabei ist eine Arebit an der Wand zu sehen, weitere Exponate wollen entdeckt werden

Zu sehen (und zu kaufen) sind sehr unterschiedliche Werke. Die 19 Künstlerinnen und Künstler zeigen verschiedene Techniken, Themen und Materialien. Einige Beispiele: Die Arbeit von Era Freizon heißt „Aus dem Zyklus Lullebay“ Sie befasst sich mit Fragmenten, Bruchstücken, Schatten von Träumen und Erinnerungen, Mischtechnik Filzstift und Öl auf Folie. Claudia Terlunen hat Objekte geformt, die sie als Fotofrottage in verschiedenen Variationen auf Papier gebracht hat. Die Arbeit heißt: „kreatürlich“. Die Arbeit von Monika Pfeiffer heißt „kompatibel“, Mit Mischtechnik gestaltete Quadrate die nicht nur als Einzelbild funktionieren, sondern auch untereinander kombiniert werden können.

Roxy und die Musikarchäologie

In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren Jazz-Operetten in Deutschland groß in Mode. Einer der bekanntesten Namen war Paul Abraham. Eines seiner bekanntesten Werke war „Die Blume von Hawaii“ oder „Viktoria und ihr Husar“. Die Nazis verboten diese Form der Operette und Abaraham als Jude musste in die Emigration. Dadurch ist einiges an Material verloren gegangen. Henning Hagedorn und Matthias Grimmer waren auf der Spurensuche nach Notenmaterial für die deutsche Erstaufführung von „Roxy und ihr Wunderteam“ am 29. November 2014. sdas Original stammt aus den Jahren 1936/37.

„Wir wollen in dieser Operette die frechen Elemente hervorkramen“, erklärte Matthias Grimmiger, „Musikarchäologe“ und Mitglied der Dortmunder Philharmoniker. Leider wurden die Operetten in der Nazi-Zeit geglättet und diese Ästhetik in den 50er und 60er Jahren weiter gepflegt. „Wir wollen es nicht so glattgebügelt machen“, so Grimminger.

Die Story hat es in sich: Der Trainer einer Fußballnationalmannschaft (im Original war es die österreichische) verdonnert seine Spieler zu einem Trainingslager am Plattensee, verschwindet aber zu seiner Geliebten. Chaotisch wird es, als Pensionatsschülerinnen ebenfalls am Plattensee auftauchen und eine gewisse Roxy auftaucht, die vor ihrer eigenen Hochzeit geflohen ist.

Roxy wird gespielt vom neuen Ensemblemitglied Emily Newton, die bereits bei „Anna Nicole“ zu sehen war. Auch Kammersänger Hannes Brock wird zu hören sein, er spielt Sam Cheswick, den Onkel von Roxy. Lucian Krasznec spielt den Mannschaftskapitän Gjurka.

Fast wie Piktogramme

Tekla Wiemer, Witwe des Künstlers und Thomas Wiemer, Sohn des Künstlers, vor den Arbeiten "Eros" und "Sexus".
Tekla Wiemer, Witwe des Künstlers und Thomas Wiemer, Sohn des Künstlers, vor den Arbeiten „Eros“ und „Sexus“.

Das Museum Ostwall zeigt zum 90. Geburtstag eine Ausstellung von Werken von Rudolf Wiemer. Zu sehen sind Druckgrafiken, Zeichnungen und Skizzen des Dortmunder Künstlers. Insgesamt besitzt das Museum 60 Arbeiten von Wiemer, zu sehen sind im Grafikkabinett bis zum 15. März 2015 insgesamt 26 Werke.

Im Zentrum dieser Ausstellung stehen Menschen sowie Städte und Landschaften. In Holzschnitten und Prägedrucken hat sich Rudolf Wiemer mit dem menschlichen Körper auseinandergesetzt . Dabei standen die Formen im Mittelpunkt seines Interesses. In seinen Darstellungen menschlicher Torsi reduziert Wiemer die Körper auf die für ihn charakteristischen Zeichen: Linie und Rundung werden zu Symbolen des Männlichen und Weiblichen. Somit sind wir nicht weit zu den Vorläufern von Piktogrammen.

Mit den beiden Holzschnitten „Passionsgang I“ und „Passionsgang II“ (1993) greift Wiemer die Formsprache der 1950er Jahre noch einmal auf: Die Darstellung einer Gruppe von Menschen bewegt sich an der Grenze zur geometrischen Abstraktion. Durch eine Transformation in eine Diagonale setzt sich die Menschenmenge nicht nur in Bewegung, sie erhält auch eine bedrohliche Konnotation.

Die Linien, mit denen Wiemer in Arbeiten wie „Dänemark“ oder „Amsterdam“ Hafen- oder Stadtansichten einfängt, spiegeln sowohl die dynamische Bewegung der Boote auf dem Wasser als auch das Statische der Architektur.

Ein besonderers Schmankerl der Ausstellung sind Skizzen sowie der Original-Druckstock zum Werk „Wintervögel“ aus dem Nachlass Rudolf Wiemers.

Kleines Musikfestival in Hörde

Alexander Ostovski an der Violine und Reinbert Evers werden zu hören.
Alexander Ostrovski an der Violine und Reinbert Evers werden zu hören.

Der Herbst in Hörde wird mit klassischer Musik verfeinert. Gleich vier Konzerte veranstaltet das Internationale Konservatorium am Phoenixsee. Neben der Lutherkirche finden zwei Konzerte im Bürgersaal Hörde im Rahmen des „Hörder Herbstes“ statt. Ein weiteres Konzert in der Reihe „Klassik am Phoenixsee“ wird im Roten Musiksalon des Konservatoriums in der Hörder Burg aufgeführt.

Am 25. Oktober 2014 um 19:30 stehen in der Luther Kirche in Hörde Werke von J.S. Bach, Beethoven, Prokofiew, und Schnittke auf dem Programm. Spielen werden Benno Ambrosini am Klavier sowie der Künstlerische Leiter des Internationalen Konservatoriums, Alexander Ostrovski.

Die Gitarre steht am 26. Oktober 2014 um 11 Uhr beim Meisterkonzert im Mittelpunkt. Spielen werden Xingye Li und der neue Dozent für Gitarre, Reinbert Evers unter anderem Werke von Scarlatti, Guilani und Eespere.

Weiter geht es mit dem „Hörder Herbst“ am 01. November im Bürgersaal um 19:30 Uhr. Evgeni Orkin (Klarinette), Irina Semakova (Geige) und Tamilla Guliyeva (Klavier). Zu hören sind Stücke von Brahms, Poulenc, Stravinsky, Khachaturian und Piazolla.

Vorweihnachtliche Atmosphäre zaubert das Galakonzert mit jungen Künstlern am 14. Dezember um 11:30 Uhr, ebenfalls im Hörder Bürgersaal.

Karten kosten 8 € (ermäßigt 5 €) und sind beim Internationalen Konservatorium (Hörder Burgstraße 17) zum bekommen. Die Internetseite lautet: www.konservatorium-dortmund.net

Das Internationale Konservatoriums am Phoenixsee will nach dem erfolgten Umbau und Sanierung der Turmvilla durchstarten und dann rund 250 Studierende vom Kind bis zur Meisterklasse ausbilden. Die Instrumente sind Violine, Bratsche, Cello, Klavier, Gitarre und Gesang. Später sollen auch noch Blasinstrumente dazukommen. Für das Instrument Gitarre konnte Reinbert Evers gewonnen werden, der viele Werke zeitgenössischer Komponisten aufgenommen hat. Darüber hinaus besteht eine Kooperation mit dem spanischen Konservatorium in Castellón.

Im Rausch der Melodien

Welche Epoche der Musik konnte die Menschen mit mehr Melodien verzaubern als die Romantik. Im 2. Philharmonischen Konzert am 21. und 22. Oktober 2014 spielten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz Werke von Barber, Tschaikowsky und Rachmaninov. Solist war der Schweizer Cellist Christian Poltéra.

Auch wenn das Werk „Medea’s Meditation und Dance of vengeance“ aus dem Jahre 1957 stammt, Samuel Barber (1910-1981) kann man durchaus als Neo-Romantiker bezeichnen. Auch sein kurzes Stück, dass die Geshcichte von Medea und die Tötung ihrer Kinder musikalisch umsetzt, setzt viel auf die tradierte Dur/Moll-Harmonik, auch wenn der zweite Teil dissonante Elemente bekommt.

Der Romantiker Peter Tschaikowsky führt uns mit seinen „Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Orchester“ op.33 zurück in die Zeit Mozarts. Hier konnte Poltéra sein Können bei diesem anspruchsvollen Stück unter Beweis stellen.

Nach der Pause ging es mit einem gewaltigen Werk weiter: Der Sinfonie Nr. 2 e-Moll op.27 von Sergej Rachmaninow. Der Komponist war nach den schlechten Kritiken seiner ersten Sinfonie niedergeschlagen und hat erst einige Jahre gebraucht, um wieder eine Sinfonie zu schreiben. Rachmaninows Sinfonie war der absolute musikalische Höhepunkt. Zusammen mit Gabriel Feltz begannen die Musiker mit einer Reise in die spätromantische Welt von Rachmaninow. Obwohl sie in Dresden komponiert wurde, ist die russische Melancholie in seiner Komposition in allen vier Sätzen sehr gut herauszuhören.

Kunstlieder aus drei Ländern

Die erste Liedmatinee der Oper Dortmund in dieser Spielzeit wurde am 19. Oktober 2014 im Opernfoyer vom Bassbariton Morgan Moody gesungen. Am Klavier begleitete ihn Philipp Armbruster. Zu hören waren Werke von Wolf, Ibert und Williams.

Kunstlieder in drei Sprachen waren an dem Sonntag zu hören. Positiv war, dass es nicht die bekannten Schubertlieder waren, Moody hatte sich ein durchaus anspruchsvolles Programm zusammengestellt. Am Beginn stand Hugo Wolf (1860-1903) und seine „Drei Lieder nach Gedichten von Michelangelo“. Danach wechselte die Sprache ins Französische, um eine spanische Literaturfigur zu besingen. Jacques Ibert (1890-1962) komponierte die Musik zum Film „Don Quichotte“ aus dem Jahre 1932, inklusive vier Liedern. Iberts französisch, luftig leichte Musik war das Gegenteil von Wolfs Wagnerismen, der deutlich in den Fußstapfen des deutschen Kunstliedes stand.

Eine weitere Klangfarbe brachte Ralph Vaughan Williams (1872-1958) mit seinen „Songs of travel“ in die Liedmatinee. Inspiriert von englischer Volksmusik wirkten die Lieder nach den Gedichten von Robert Louis Stevenson teilweise rhythmisch und trotz der Entstehungszeit von 1907 ziemlich modern.

Moody schaffte es, die Kunstlieder aus den verschiedenen Ländern individuell Akzente zu geben. Die nächste Liedmatinee ist am 30. November 2014 um 11.15 Uhr. Dann singt Ileana Mateescu „Zigeunerlieder“ von Brahms, Dvořák und de Falla.

Das Opernhaus durchgepustet

Alle Kranken zerren an Jesus (Alexander Klaws). (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture)
Alle Kranken zerren an Jesus (Alexander Klaws). (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture)

Superstars können warten. Sie verschießen nicht gleich ihr Pulver. Sie warten, bis ihr Auftritt kommt. So war es auch bei der Rock-Oper „Jesus Christ Superstar“, die am 19. Oktober 2014 im Opernhaus Dortmund Premiere hatte. Haben im ersten Teil noch David Jakobs (Judas) und Patricia Meeden (Maria Magdalena) Alexander Klaws (Jesus) noch gesanglich Paroli geboten, reißt der erste Gewinner von „Deutschland sucht den Superstar“ vor allem beim Solo „Gethsemane (I Only Want To Say)“ alle von den altehrwürdigen Opernsitzen. Auch sonst war „Jesus Christ Superstar“ eine rundum gelungene Veranstaltung.

Die Rock-Oper von Tim Rice und Andrew Lloyd Webber erzählt die Geschichte der letzten sieben Tage von Jesus Christus in einer ganz besonderen Weise. Hier geht es nicht um die Frage der Göttlichkeit von Jesus, sondern um aktuelle Fragen wie Personenkult, blinde Gefolgschaft und Opportunismus. Keine Figur ist „gut“ oder „böse“, alle haben ihre Schattenseiten, ihre Interessen und ihre Egoismen. Im Gegensatz zu den anderen Jesus-Erzählungen ist die Figur des Judas keine eindeutig schlechte Figur, eher eine tragische. Judas will die Bewegung von Jesus vor dem Personenkult retten und sieht im Verrat die einzige Möglichkeit. Jesus ist hin- und hergerissen zwischen seiner Botschaft, dem Hype um seine Person und dem Druck der Massen. Das letztere wurde sehr schön dargestellt, als eine Vielzahl von Kranken wie Zombies auf ihn zu wanken und ihn zu erdrücken scheinen. „Ihr seid zu viele“, schreit Jesus verzweifelt.

Das Stück zeigt einen sehr menschlichen Jesus, vor allem in seiner Beziehung zu Maria Magdalena. Für manche Menschen ist das schon ungeheuerlich, daher ist „Jesus Christ Superstar“ seit 2012 in Weißrussland verboten.

Überhaupt das Bühnenbild: dargestellt ist eine Arena-Situation, die man auch aus Fernsehstudios kennt. Auf allen Seiten sitzt oder steht das Publikum, das Jesus feiert oder seinen Tod fordert. Pontius Pilatus (Mark Weigel) ist eine Art drogenkranker Moderator, der trotz Gewissensbisse doch tut, was das Volk für richtig hält („vox populi – vox dei“).

Grandios war Kammersänger Hannes Brock als „Herodes“. Brock, der bereits in der Uraufführung in Deutschland Anfang der 70er Jahre mitmachte, war das optische Highlight. Der Kammersänger war gekleidet und geschminkt als „Joker“ aus den „Batman“-Filmen und legte bei seinem „Herod’s Song“ eine veritable Show hin. Auch sehr beeindruckend war Hans Werner Bramer, der mit seinem tiefen, „bösen“ Bass dem Kaiphas ein unheimliche Aura gab.

Doch die gesanglichen Meriten verdienten sich an diesem Abend die drei Hauptfiguren. Klaws, Jakobs und Meeden, die nach ihren Songs oft Sonderapplaus bekamen. Neben den Sängerinnen und Sängern verdienten sich die Musiker der Band sowie der Choreografin Kati Farkas ein Sonderlob. Selten hat man auf der Opernbühne einen solchen Schwung und einen solch rockigen Sound erlebt. Ein großes Kompliment gehört auch dem Regisseur Gil Mehmert.

Nicht nur wegen Alexander Klaws: Mit „Jesus Christ Superstar“ hat Dortmund ein Juwel bekommen.

Zeitinsel Prokofiew im Konzerthaus

Vom 30.Oktober bis zum 01. November 2014 widmet das Konzerthaus Dortmund seine erste Zeitinsel in dieser Spielzeit dem russischen Komponisten Sergej Prokofiew. Seine Biografie ist spannend: Ausgewachsen im Zarenreich, danach eine Zeitlang im Exil gelebt, ging Prokofiew 1936 zurück in die damalige Sowjetunion.

Ars tremonia sprach mit dem Musikwissenschaftler Professor Michael Stegemann über den Komponisten und die Werke, die an den drei Tagen zu hören sind.