Minority Report – Matchbox, Barbies und Schauspieler

Ekkehard Freye als Jad Fletcher sieht die Kugel rollen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Ekkehard Freye als Jad Fletcher sieht die Kugel rollen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

„Hollywood wird unterschätzt, die machen echt gute Plots und können gute Geschichten erzählen“, die Aussage von Regisseur Klaus Gehre wird vielleicht manchem sauer aufstoßen, doch ganz Unrecht hat er nicht. Gehre hat in der Vergangenheit schon öfter Hollywoodfilme auf die Bühne gebracht wie beispielsweise „Fluch der Karibik“ oder „Surrogates“. In Dortmund hat sein Live-Film „Minority Report“ Premiere am 14. September 2014 um 18 Uhr im Studio Dortmund.

Der Film „Minority Report“ von Steven Spielberg aus dem Jahre 2002, basierend auf der Kurzgeschichte von Philip K. Dick, „gehört zum Visionärsten, was die Popkultur zu bieten hat“, so Dramaturg Alexander Kerlin. Vielleicht liegt es daran, dass der Film das Thema „Big Data“ vorweg nimmt. Denn wenn man nur genug Daten hat, kann man möglicherweise in die Zukunft schauen und vorausberechnen, was dieser oder jener für eine böse Tat tun wird.

Darum dreht sich die Kurzgeschichte und der Film. Mord ist in der Zukunft Vergangenheit, denn durch das Frühwarnsystem „Precrime“ werden die zukünftigen Mörder vom Leiter John Anderton festgenommen, bevor sie ihre Taten begehen. Die Vorhersagen stammen vom Precog Agatha, die unter Zugriff auf riesige Datenberge Algorithmen entwirft, die die Taten vorhersagt. Doch plötzlich sagt Agatha den Mord an einen Unbekannten namens Leo Crow voraus. Der Täter ist John Anderton selbst.

Neun Kameras werden auf drei Leinwänden einen Live-Film kreieren. Es soll auf eine „zarte Weise ein leicht trashige Variante des Hollywood-Films entstehen“ (Kerlin). Mit Barbie-Puppen, Matchbox-Autos und ähnlichen Hilfsmitteln werden digitale Filmwelten auf analoge Art imitiert, quasi im Do-it-yourself verfahren.

Das Stück dreht sich um die Frage, wer hat Zugriff auf „Big Data“, auf all die Informationen, die wir im Internet und anderswo hinterlassen. Ist es positiv, wenn uns ein Plattenladen Empfehlungen gibt aufgrund unserer bisherigen Einkäufe oder will er uns nur beeinflussen, um seine Produkte zu verkaufen. Für Regisseur Klaus Gehre steht fest: „Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Freiheit“. Doch man kann durchaus gespaltener Meinung sein: Ist der immer größer werdende Pool an Informationen ein Gewinn oder Verlust an Freiheit?

Natürlich werden auch Schauspieler mitwirken: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Julia Schubert und Merle Wasmuth werden als Akteure im Studio zu sehen sein.

Die Zuschauer können ebenfalls eine aktive Rolle einnehmen, denn es wird die App „Precog“ für Android oder Apple zum herunterladen geben.

Neben der Premiere am 14. September gibt es weitere Termine am: SO, 21. SEPTEMBER 2014, SA, 18. OKTOBER 2014 und DO, 23. OKTOBER 2014.

Infos und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

Hamlet – Zwischen Überwachung und Voyeurismus

Hamlet, Prinz von Dänemark: Eva Verena Müller. (Foto: © ©Edi Szekely)
Hamlet, Prinz von Dänemark: Eva Verena Müller. (Foto: © ©Edi Szekely)

Wir sind zwiegespalten – einerseits fürchten wir uns vor einer Überwachung und auf der anderen Seite machen wir „Selfies“ und geben unsere Daten freiwillig jedem, der sie haben will. Die Hamlet-Inszenierung von Kay Voges zeigt den dänischen Prinzen als Zweifler, der sich nicht entscheiden kann: alles hinnehmen oder gegen das Überwachungssystem kämpfen. Die Premiere ist am Freitag, den 12. September um 19:30 Uhr.

Hamlet ist eines der am häufigsten gespielten Stücke in der Theaterwelt. „Wir haben uns gefragt, warum dies so ist“, so Regisseur und Intendant Kay Voges. Den Schwerpunkt legt Voges auf das Thema Überwachung. „Bei Hamlet gibt es beispielsweise mit Polonius jemanden, der ständig hinter einem Vorhang lauscht“, gibt Voges ein Beispiel. Auch die Studienfreunde von Hamelt, Rosencrantz und Guildenstern, sind ja nichts weiter als verkappte Spione.

Fünf Kameras und eine Kinect-Kamera werden das Geschehen aufnehmen. Wird es eine Art Live-Film werden wie beim „Fest“. „Nein“, widerspricht Voges, „es ist eher wie in einer Überwachungssituation. Stellen Sie sich ein Fußballstadion vor. Dort kann die Polizei auch in verschiedene Fanblöcke schalten, um zu sehen, ob dort irgendetwas passiert.“

Daher ist das Bühnenbild sehr wichtig. Kreiert hat es Pia Maria Mackert, die für den Theaterpreis „Faust“ nominiert wurde. „Der Zuschauer kann mehr sehen“, verspricht Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz. Dafür sollen die beiden Kameraleute Jan Voges und Robin Otterbein sorgen. Das Kamera-Konzept stammt vom Videokünstler Daniel Hengst, für die Video-Art ist Programmierer Lars Ullrich zuständig. Paul Wallfisch ist für die Musik zuständig.

Mit Eva Maria Müller hat Voges den Hamlet mit einer Frau besetzt. Ungewöhnlich, aber nichts Neues, unter anderem hat schon Asta Nielson 1921 einen weiblichen Hamlet gespielt. Ein Wiedersehen gibt es mit zwei Gästen: Christoph Jöde spielt Laertes, den Sohn von Polonius und Michael Witte, der bei „Nora und die Gespenster“ in Dortmund aufgetreten ist, spielt Polonius.

Für die Premiere am 12. September gibt es noch Restkarten, weitere Termine sind: SO, 21. SEPTEMBER 2014, MI, 01. OKTOBER 2014. FR, 14. NOVEMBER 2014, FR, 12. DEZEMBER 2014, SA, 27. DEZEMBER 2014, DO, 08. JANUAR 2015, SA, 14. FEBRUAR 2015, MI, 04. MÄRZ 2015, SO, 12. APRIL 2015 und DO, 21. MAI 2015

Karten und Infos unter 0231 50 27 222 oder www.theaterdo.de

Ein musikalisches Märchen

Rada Radojcic als Titelheldin Rada. (Foto: © Maja Sternberg)
Rada Radojcic als Titelheldin Radda. (Foto: © Maja Sternberg)

Im 19. Jahrhundert entdeckten Künstler die „Zigeuner“ als romantische Projektion für Freiheit und antibürgerliche Lebensweise. Viktor Hugo präsentierte die stolze Esmeralda in „Der Glöckner von Notre Dame“, George Bizet vertonte die Geschichte der „Carmen“ und in Russland schrieb Maxim Gorki seine erste Erzählung „Makar Tschudra“. Hier spielt die Suche der Zigeunerin Radda nach Liebe und Zweisamkeit die zentrale Rolle. Radda und Carmen haben viele Gemeinsamkeiten, auch Raddas Leben endet tragisch.

Das Theater im Depot zeigt „Makar Tschudra. A Gypsy tale“ als musikalisches Märchen. Premiere ist am 12. September 2014 um 20 Uhr.

In der Parabel von Gorki erzählt ein alter Zigeuner, Makar Tschudra“ einem Schüler die Geschichte von Radda, die Liebe sucht. Doch die Liebe scheitert am Leben und das Leben scheitert an der Liebe. Ähnlich wie bei „Carmen“ zeigt die Geschichte Radda als quasi moderne Frau, die ihr (Liebes-)Schicksal selbst in die Hand nehmen möchte. Doch wie bei ihrer spanischen „Schwester“ endet es tragisch.

Das Stück wird eine Mischung zwischen Konzert, Tanz und Theater oder wie es Regisseur Jens Wachholz sagt: „Es ist ein großes musikalisches Theater“. Dabei war Wacholz wichtig, die Poesie des Stückes einzufangen. Auf eine vorgefertigte Dramaturgie wird verzichtet. „Wir wollen dem Zuschauer viele Freiheiten geben, über Bilder Zugang zu dem Stück zu bekommen“; so der Regisseur.

Drei Darsteller und ein Musiker bevölkern die Bühne. „Die Lieder, die wir singen und spielen sind traditionelle Roma-Lieder, die teilweise aus dem Film „Ein Zigeunerlager zieht in den Himmel“ aus dem Jahre 1976 stammen und teilweise haben wir die Lieder selbst recherchiert“, so Schauspielerin und Sängerin Rada Radojcic.

Mit dabei ist Dragan Mitrovic, der Akkordeon-Spieler hat langjährige Banderfahrung unter anderem mit „KAL“ oder aktuell den „Gipsy Pearls“. Hinzu kommen noch Miroslav Vukovic als Tänzer und Regisseur Jens Wachholz.

Das Stück wird am 12. und 13. September 2014 jeweils um 20 Uhr gespielt, dann am 20. September 2014 (ebenfalls 20 Uhr) im Rahmen des „Djelem Djelem“ Festivals und im Oktober am 18. (um 20 Uhr) und 19. Oktober (um 18 Uhr). Für alle Vorstellungen gibt es noch Karten.

Ballettgala geht in Runde 20

Wieder dabei: Otto und Jiři Bubeniček.
Wieder dabei: Otto und Jiři Bubeniček. (Foto wurde vom Theater Dortmund zur Verfügung gestellt)

Am 27. und 28. September 2014 ist es wieder soweit: Die 20. Internationale Ballettgala am Dortmunder Theater zeigt wieder einen Querschnitt durch die Ballettgeschichte und hat erneut bekannte Tänzerinnen und Tänzer eingeladen.

„Die Internationale Ballettgala ist seit 10 Jahren unser großes Markenzeichen“, betonte Ballettmanager Tobias Ehinger. „Wir wollen eine möglichst große Bandbreite des Tanzes zeigen“. Zum ersten Mal mit dabei ist das NRW Juniorballett, dass sich dieses Jahr gegründet hat. Premiere in Dortmund feiert unter anderem der Argentinier Proietto vom Norwegian National Ballet.

Für Freunde des klassischen Balletts gibt es bei der Ballettgala Stücke wie „Giselle“, getanzt von Mathilde Froustey und Davit Karapetyan, beide vom San Francisco Ballet), „Le Corsaire“ getanzt von Yanela Piñera und Camilo Ramos vom Ballet Nacional de Cuba. Fast gegen ende erwartet den Besucher noch ein Grand pas de deux aus dem „Schwarzen Schwan“ mit Iana Salenko und Steven McRae.

Neben Steven McRae gibt es ein Wiedersehen mit den beiden Tanz-Zwillingen Otto und Jiři Bubeniček. Sie werden zusammen mit Jon Vallejo in „Canon in D-Major“ zur gleichnamigen Musik von Johann Pachelbel auftreten.

Freunde des modernen Tanzes werden ebenfalls ihre Freude an der Ballettgala haben. So ist „Sinnerman“ getanzt von Daniel Proietto, ein außergewöhnliches Stück. „Es ist eine komplett andere Bewegungssprache“, erklärte Ehinger. Proietto wird auch im zweiten Teil des Abends mit „Carolyn“ den etwas anderen Umgang mit Choreographie zeigen. Humorvoll geht es im Stück „Sofa“zu, das eine Hausgemeinschaft beim gemeinsamen Fernsehschauen zeigt. Tanzen werden hier Anneleen Dedroog, Rosario Guerra und Florian Lochner von Gauthier Dance. Dessen Gründer Eric Gauthier hat mit dem Stück „Freistoß“ noch eine Überraschung versprochen.

Eine Ballettgala wäre nicht komplett, wenn nicht das Dortmunder Ballett auch einige Repertoirestücke aufführen würde. So beginnt die 20. Ballettgala mit dem Walter aus „Schwanensee“. Nach der Pause zeigt die Dortmunder Ballettcompagnie „Drei Dämonen“ aus dem Ballett „Orpheus“, das während der Gluck-Festspiele in Fürth gezeigt wurde.

Das NRW Junior Ballett präsentiert sich mit dem „Trio aus Krieg und Frieden“ sowie dem Schlussstück „Eine volle halbe Drehung“. „Beim NRW Juniorballett werden potentielle erste Solisten für zwei Jahre trainiert“, so Ehinger.

Durch das Programm führt in seiner altbewährten charmanten Art Kammersänger Hannes Brock.

Für den 27. September 2014 gibt es noch 250 Karten, für den 28. September 150 Karten.

Karten sind erhältlich unter 0231 5027222 oder unter www.theaterdo.de

Erinnerungsfilm mit dokumentarischen Anstrich

Zeigten sich erfreut über den neuen Sammlungszugwinn (v.l.n.r.) Dr. Barbara Könches (Kunststiftung NRW), Stephanie Seidel (Kuratorin, Kunststiftung NRW), Azin Feizabadi (Filmemacher), Daniela Ihrig (Projektleiterin Museum Ostwall) und Prof. Dr. Kurt Wettengl (Direktor Museum Ostwall). (Foto: © Anja Cord)
Zeigten sich erfreut über den neuen Sammlungszugwinn (v.l.n.r.) Dr. Barbara Könches (Kunststiftung NRW), Stephanie Seidel (Kuratorin, Kunststiftung NRW), Azin Feizabadi (Filmemacher), Daniela Ihrig (Projektleiterin Museum Ostwall) und Prof. Dr. Kurt Wettengl (Direktor Museum Ostwall). (Foto: © Anja Cord)

Die Kunststiftung NRW bringt zu ihrem 25jährigen Bestehen 25 Künstlerinnen und Künstler mit 25 Museen zusammen, um die kulturelle Bedeutung der Museen herauszuarbeiten. In Dortmund präsentiert der deutsch-iranische Künstler Azin Feizabadi im Museum Ostwall seinen Film Cryptomnesia“.

In seinem Film „Cryptomnesia“ verknüpft der Filmemacher Feizabadi die Erinnerungen an seine Flucht mit seiner Mutterbaus dem Iran mit der Geschichte Dortmund. Die Hauptfigur wird zum Stadtpatron Reinoldus, doch brechen immer wieder Erinnerungen an die lange Reise durch Europa auf. Der Film stellt die Frage nach der Wahrhaftigkeit unserer Erinnerungen. Wie archivieren wir sie? So erzählte Feizabadi über eines seiner Erinnerungen, die seiner Meinung nach in Österreich spielen musste. Doch die Erinnerungen haben ihn getäuscht, er war nie in Österreich.

Das Kunststiftung hat bewusst keine Künstler aus NRW genommen, um anderen Künstler Einblicke in das Land zu gestatten und auch andere Auffassungen von Kunst unjd Kultur zuzulassen.

Der 73minütige Film wird vom 07. bis zum 21. September 2014 in der Dauerausstellung des Museums Ostwall zu sehen sein und wird dann in die Sammlung aufgenommen.

Berauscht euch!

Im Rausch der Farben. (Foto: © Dirk Baumann)
Im Rausch der Farben. (Foto: © Dirk Baumann)

Unter dem Motto „RAUSCH SUCHT SEHNSUCHT“ geht die Herbstakademie des Schauspiel Dortmunds in die zweite Runde. Nachdem im vergangenen Jahr in der Stadt nach Arm und Reich gesucht wurde, dreht sich vom 06. bis 11. Oktober 2014 alles um Rauschzustände, Glück und Extase. Es geht um Fragen wie: Welche Sehnsucht steckt im Ruasch? Welchen Rausch braucht die Stadt? Wie entsteht ein Schaffensrausch?

100 junge Menschen zwischen 16 und 21 Jahren gehen auf eine künstlerische Forschungsreise und erforschen die Abgründe von Rausch, Sucht und Sehnsucht. Doch keine Angst, denn in den sechs Tagen wird die Rauscherfahrung ohne psychotrope oder andere Substanzen erlebt. „Wir haben wieder ein Thema genommen, was auf der Straße liegt“; so Dramaturg Dirk Baumann. In den Woche in den Herbstferien werden die Jugendlichen fünf Tage lang in fünf „Instituten“ arbeiten und am sechsten Tag gibt es eine Präsentation im ganzen Haus. „Wir wollen den jungen Leuten das ganze Haus Verfügung stellen“, so Theaterpädagogin Sarah Jasinszczak.

Das Institut 1 beschäftigt sich mit Tanz. Hier ist Leandro Kees der Leiter und wird mit elektronischer Musik und Tanz die Teilnehmer zu einem besonderen Trip führen. Marcel Sparmann und Björn Neukom leiten das Institut 2, in dem es über Performance geht. Stichwort: Rausch(en) als sinnliches Phänomen. Das Institut 3 widmet sich der bildenden Kunst und hat zwei Künstlerinnen aus dem Dortmunder Künstlerhaus als Leiterinnen Barbara Koch und Sandra Linde. Hier ist das Motto: H.O.P.S. High ohne psychotrope Substanzen. Tanja Krone leitet das Institut 4 (performing music) und hat die Forderung: Rausch muss für alle und umsonst sein. Mal schauen, wie sie und ihre Teilnehmer das hinbekommen. Ein besonderes Institut ist das Institut X, das sich mit Theater und Gaming beschäftigt. Hier dürfen Jugendliche aus der Dortmunder Nordstadt und aus Scharnhorst bevorzugt mitmachen.

Es gibt jeden Tag während der Herbstakademie ein gemeinsames Mittagessen. Die Kosten belaufen sich auf 60 €. Das Schauspiel Dortmund hofft auf sogenannte Kulturpatenschaften, die für Teilnehmer aus sozial schwachen Schichten die Teilnehmergebühr übernehmen.

Denn die Erfahrung zeigen positive Effekte. Die Jugendlichen lernen nicht nur das Schauspiel kennen, sondern sind auch an anderen Sparten sehr interessiert. Zwanzig Prozent haben sich danach in andere Projekte rund um das Theater wieder engagiert.

In allen Instituten gibt es noch freie Plätze. Anmeldung ist möglich unter 0231/5022555 bzw 0231/5025541 oder unter herbstakademie@theaterdo.de

Wenn die Fassade bröckelt

Stellen fest, dass sie die gleichen Probleme haben: Jace (Götz Vogel von Vogelstein) und Leonie (Bianka Lammert). Foto: © Hans Jürgen Landes
Stellen fest, dass sie die gleichen Probleme haben: Jace (Götz Vogel von Vogelstein) und Leonie (Bianka Lammert). Foto: © Hans Jürgen Landes

Am Freitag, den 5. September 2014 war Premiere für „Lügner“, von Dennis Foon, (Übersetzung Anne Fritsch) im Kinder-und Jugendtheater Dortmund. Das Stück beschäftigt sich mit einer ernsten, aus dem gesellschaftlichen Fokus oft verdrängten Thematik: Es geht um den Umgang mit Sucht, in diesem Fall um Alkoholsucht. Im Mittelpunkt stehen die betroffenen Kinder und Jugendlichen, die unter der Alkoholproblematik eines ihrer Elternteile leiden und verzweifelt sind. Sie alle gehen – je nach Charakter – mit der Problematik unterschiedlich um.

„Lügner“ greift exemplarisch am Beispiel von den Jugendlichen Jace und Leonie (Lenny) zwei mögliche Verhaltensmuster auf. Während Jace auf offen und konfrontativ mit der Alkoholsucht seines Vaters umgeht und sich enttäuscht beim Kiffen Gelassenheit sucht, verdrängt Lenny zunächst die Sucht ihrer Mutter. Sie ist bemüht, als „gute Tochter“ den Familienbetrieb in allen Belangen reibungslos am Laufen zu halten und möglichst perfekt zu funktionieren. Dabei bekommt sie auch durch ihren beruflich angespannten Vater Druck, der die „Lügenfassade“ um jeden Preis aufrecht erhalten möchte. Die beiden Jugendlichen mit der gleichen Problematik können offen miteinander sprechen und verlieben sich. Während Jace nach einem heftigen Konflikt mit seinem Vater enttäuscht flüchtet und zum Ende hin wohl ebenso wie sein Vater in die Drogensucht abrutscht, wird sich Lenny immer mehr bewusst, dass sie sich Hilfe von außen holen muss. Sie nimmt die Herausforderung und den harten Weg zu mehr Unabhängigkeit an …

Götz Vogel von Vogelstein spielte den im bekifften Zustand gelassenen, offen konfrontativen Jace glaubhaft und auch mit einer Portion Humor. Äußerlich wie Kurt Cobain, sorgt er in der ernsten, oft wütend machenden Geschichte für einige komische Momente und Gags. Köstlich, wie er zum Beispiel den leergegessenen Brotbehälter zum Schluss noch aus leckt. Man merkt ihm zwischendurch eine versteckte Wut, Enttäuschung und Resignation an.

Bianka Lammert als Lenny als Musterschülerin überzeugte als ein junges Mädchen, dass verzweifelt, weil es allen recht zu machen muss, um das Alkoholproblem ihrer Mutter nicht nach außen dringen kann. Sie bringt auch den Wandel zu einer sich langsamen entwickelnden Bewusstseinsänderung und Verzweiflung bei Lenny auf die Bühne.

Eine Herausforderung besonderer Art für die Schauspieler war wohl die Darstellung der alkoholkranken Elternteile. Mit Bravour meisterten Bettina Zobel als Lennys Mutter und Andreas Ksienzyk als Jace Vater diese schwierige Aufgabe. So stellten sie vor allem das unberechenbare Verhalten Alkoholkranker glaubhaft dar. Mal jammernd und von Selbstmitleid geprägt, mal aggressiv die Kinder beschimpfend. Plastisch standen ihnen „Schutzpuppen“ in (fast) Lebensgröße zur Seite, die beide Schauspieler geschickt einsetzten.

Andreas Ksienzyk bewies seine Wandlungsfähigkeit, indem er auch noch die Rolle des auf seinen guten Ruf bedachten Vaters von Lenny und auch noch den Lehrer überzeugend spielte.

Ein großes Kompliment an Christine Köck, die diese Puppen mit viel Sorgfalt gebaut hat. Die Puppen trugen genau dieselben Kleidungsstücke wie die Schaupieler, nur die Gesichter waren verzerrt dargestellt. Das Bühnenbild mit zwei übergroßen Tischen und Stühlen unterstrichen die verzerrte Wahrnehmung.

Ein dramaturgisch guter, passgenauer Einsatz von musikalischen Einspielungen, rundete das gelungene Gesamtbild der Inszenierung ab. Im Mittelpunkt der Inszenierung von Johanna Weißert stehen deutlich die beiden jungen Menschen.

Hilfe können betroffene Kinder und Jugendliche zum Beispiel auf www.nacoa.de bekommen.

Die bundesweite Notrufnummer „Hilfe, meine Eltern trinken“ ist kostenlos: 0800-280 280 1

(täglich zwischen17 und 23 Uhr geschaltet und am Wochenende rund um die Uhr)

Bei .Alateen trifft man andere betroffene Jugendliche. Es gibt 40 Gruppen in Deutschland. www.alateen.de

Auf www.kidkit.de können die Kinder und Jugendlichen mit einem Beraterteam Kontakt aufnehmen.

Weitere Termine: SO, 07. September 2014, FR, 12. September 2014, DO, 18. September 2014, SO, 21. September 2014, MI, 24. September 2014, DO, 25. September 2014, DI, 30. September 2014, MI, 01. Oktober 2014, DO, 02. Oktober 2014, DI, 28. Oktober 2014, MI, 29. Oktober 2014 und DO, 30. Oktober 2014.

 

Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder 0231 5027222.

Thriller, Action, Komödie im Kurzformat

Am 13. September ist es wieder soweit: Das 14. XXS Kurzfilmfestival präsentiert zehn Kurzfilme, die vorher aus 300 eingereichten Filmen ausgewählt worden sind. Zu gewinnen gibt es für die Filmemacher auch etwas: neben den drei Hauptpreisen in Gold, Silber und Bronze wird auch der Publikumspreis verliehen. Außer der Reihe wird es einen Film geben, der von Amnesty International prämiert wird und zum ersten Mal wird der „DEW21 Kreative-Energie Preis“ verliehen. Gestartet wird mit einem Sektempfang um 19 Uhr, Beginn der Kurzfilmreihe ist um 20 Uhr.

Von 6:27 Minuten bis 20:34 Minuten – so groß sind die Unterschiede bei den Filmlängen. Doch die Organisatoren des XXS-Kurzfilmfestivals, die angehenden Kulturmanagern der WAM-Medienakademie, versprechen, einen unterhaltsamen Mix zusammengestellt zu haben. Nicht nur deutsche Filme haben den Sprung geschafft, auch Filme aus Italien, Frankreich und Mazedonien werden im Schauspielhaus gezeigt. Dass die Veranstaltung im Schauspielhaus stattfindet hat mittlerweile Tradition. Der „Hausherr“ schickt auch einen Vertreter in die Jury. Dieses Jahr ist es Dramaturg Michael Eickhoff, die anderen Jurymitglieder sind Markus Majowski,, Thomas M. Held und Milos Vukovic.

Die Karten für das Dortmunder Kurzfilmfestival gibt es für 9 € (ermäßigt 6 €) zu kaufen.

Ein Juwel aus den 50er Jahren

Gerd Kittel: Das Dortmunder Gesundheitshaus von Will Schwarz, Treppenhaus III, 2012
Gerd Kittel: Das Dortmunder Gesundheitshaus von Will Schwarz, Treppenhaus III, 2012

Das Gesundheitsamt kennen die meisten Dortmunder. Doch dass das Gebäude im Innern ein Juwel aus den 50er Jahren ist, wissen wohl die wenigsten. Der Architekt Will Schwarz baute es Ende der 50er Jahre im Auftrag der Stadt Dortmund. Im Gebäude untergebracht waren Mütterberatungsstelle, Hörsaal, Impfräume und andere medizinische Einrichtungen. Das Museum Ostwall zeigt in Zusammenarbeit mit dem Dortmunder Stadtarchiv Fotografien von Gerd Kittel, der 2012/13 das Gebäude besuchte. Zu sehen ist die Ausstellung vom 05. September 2014 bis zum 04. Januar 2015 auf der 4. Ebene.

 

Wer schon einmal im Gesundheitsamt war, wird sich an die vielen Elemente aus den 50er Jahren erinnern. Die Mosaiken, die gebrannten Ziegel, die Treppenhäuser oder die Uhren, die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. Während in anderen Häusern vielleicht die Fassade stehen blieb, die Inneneinrichtung aber radikal modernisiert wurde, ist im Gesundheitsamt fast alles beim Alten geblieben.

 

Für den Fotografen Kittel war es „ein Projekt, was nur Freude gemacht hat“.Das parallel zur Ausstellung erschienene Buch („Das neue Dortmund. Das Dortmunder Gesundheitsamt von Will Schwarz“) präsentiert nicht nur Kittels Fotografien, sondern bringt das Gesundheitsamt durch Essays in einen historischen Kontext.

Wenn die Wirklichkeit im Drehbuch steht

Spät, aber sie kommt: Die Rezension von „Container Love“, dem dem neuen Stück vom Theater glassbooth. Ars tremonia besuchte die zweite Vorstellung am 30. August im Theater im Depot und erlebte eine gelungene Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Big Brother“.

 

Was fasziniert Menschen, die sich „Big Brother“ im Fernsehen anschauen? Die nackte Haut, die unterschiedlichen Typen, die von vor hinein Konflikte provozieren (sollen)? Regisseur Jens Dornheim ging auf die Spurensuche und mit „Container Love“ präsentierte er mit seinem Ensemble das Ergebnis.

 

Gleich zu Beginn spielte das Stück mit der Frage nach Spiel und Wirklichkeit? Es wurden nämlich zwei Kandidaten aus dem Publikum gewählt. Wie immer in solchen Fällen, kann man dann eine Stecknadel fallen hören und Blicke sagen „Bloß nicht mich“. Endlich werden zwei Kandidaten gefunden. Spätestens nach der gemeinsamen Choreografie des „Jingles“ fällt jedem im Publikum auf, die beiden gehören auch zum Ensemble.

Das Stück spielt in einem „Theatercontainer“, der mit sechs unterschiedlichen Schauspielern gefüllt ist. So ist Marlon (Marlon Bösherz) ein Abgänger von der Ernst-Busch-Schauspielschule, voller Hoffnung hier ein gelungenes Debut zu feiern. Alex (Alexandra Schlösser) spielt die „Übermutter“, die alle liebhat, besonders gelungen spielt Dietmar Meinel seinen Charakter „Dietmar“ als einen schrägen Charakter, der deutliche Züge von Klaus Kinski trägt. Auch sehr gut kommt Dominik Hertrich als selbstgefälliger Schlagersänger „Der Böhmer“ rüber. Weitere Container-Insassen waren: Nora Bauckhorn als junge „Nora“, die auf ihren Durchbruch wartet, Tanja Brügger, die als „Tanja“ im Container mit Qualität überzeugen möchte sowie Timo Knop und Anabel Starosta als „zufällig“ gecastete Teilnehmer.

 

Die Aufgaben werden wie im Fernsehen von einer Stimme aus dem Off gestellt und haben mit Theater zu tun: Die Kandidaten sollen beispielsweise ein Stück über „Mord und Liebe“ zum besten geben. Dabei werden Themen wie Kindesmord oder Kindesmissbrauch szenisch dargestellt. Bei der letzten Aufgabe „Theater und Kunst“ werden noch einmal alle Register gezogen: Hier wird eine Szene dargestellt, wie sich der „normale“ Mensch auf der Straße das moderne Theater vorstellt. Menschen in merkwürdigen Klamotten rezitieren merkwürdige Texte und machen merkwürdige Dinge (z.B. wickeln sich in Frischhaltefolie ein) und ein kunstsinniger Regisseur bekommt ein Nervenzusammenbruch, weil ein Schauspieler an der falschen Stelle schreit.

 

Jens Dornheim hat sein Ensemble gut im Griff, alle spielen wunderbar ihre „gescripteten“ Rollen wie im Fernsehen, wunderbar war auch ihre kleine getanzte Choreografie. Doch was bleibt am Ende? Ist es so wie im Fernseh-Leben, dass man den Sieger der vierten Staffel von DSDS nach einem Tag sowieso wieder vergessen hat? Dornheim stellt die Unterhaltung in den Mittelpunkt, es gibt keinen erhobenen Zeigefinger, doch werden die Zuschauer danach die Formate wie „Big Brother“ mit anderen Augen sehen?

 

Nichtsdestotrotz ein Stück, das mit viel Lust am Spielen gemacht wurde und zu dem man Dornheim und Ensemble nur gratulieren kann.

 

Wer es verpasst hat, kann es in Dortmund im Theater im Depot am 25. September um 20 Uhr noch einmal erleben.