tt#14 6. Tag – Trashedy und Altruismus contra Egoismus

Im Jahr 2013 gewannen sie den Jugend-Jury-Publikums-Preises beim Westwind-Festival mit dem Stück „TRASHedy“ . Nach nach „Ente, Tod und Tulpe“ zeigte die „Performing Group“ nun dieses Stück für Menschen ab fünf Jahren beim NRW Theatertreffen 2014 im Studio des Dortmunder Schauspiels.

Der Schauspieler, Tänzer und Regisseur des Stückes, Leonardo Kees, versucht hier gemeinsam mit Performer Daniel Matheus und dem Komponisten Martin Rascher auf hauptsächlich nonverbaler Ebene Jugendliche für das Thema Umweltzerstörung zu sensibilisieren. Um ihr Ziel, einen kleinen Anstoß zur Reflexion über das eigene Verhalten zu geben, setzen sie nicht auf Sprache, sonder auf die tiefer gehende Wirkung von Pantomime und Tanz.

Unterstützend und verstärkend setzen sie Soundeffekte und animierte , gezeichnete Bilder ein, die auf die eine Leinwand projiziert werden. Eindrucksvoll plastisch benutzen sie dabei auch Gegenstände wie Pappbecher, die sich im Laufe der Vorführung auf dem Boden stapeln.

Am Anfang gibt es für das Publikum eine kleine pantomimische, mit Geräuschen humorvoll unterstützte Evolutionsgeschichte in Kurzform. Danach folgt eine Darstellung der gesellschaftlichen Entwicklung mit atemberaubenden Schnelligkeit und animierten Bildern. .Zunehmende Umweltverschmutzung, mit Werbung geförderten Konsum und der Verpackungswahnsinn sowie die steigende „Vermüllung“ und Lärmbelästigung sind zu sehen. Außerdem wird der Zusammenhang von „billigen Produkten für den Endverbraucher“ und menschenverachtende Arbeitsbedingungen werden deutlich thematisiert.

Ohne gehobenen Zeigefinger gab die „Performer Group“ auf Papptafeln hinweise, was jeder einzelne für das Projekt “Rettet den Planeten“ tun könnte. Etwa weniger Fleisch essen, Sachen mehrmals verwenden, oder etwa weniger Auto zu fahren. So wurde auf der Bühne zum Beispiel gleich mal eine Runde auf dem Fahrrad gedreht.

Es stellt sich die Frage. Was brauchen wir eigentlich wirklich? Wichtige Dinge und Werte wie beispielsweise Freundschaft, Frieden, Leidenschaft, Vertrauen, Empathie oder Gelassenheit.

Dabei zeigen die Schauspieler bei einer Diskussions-Sequenz vor dem Ende des Stückes durchaus a ihre Selbstzweifel. Ihnen ist klar, dass einer alleine bei den komplexen Zusammenhängen den Planeten nicht retten kann.

Trotzdem fängt alles mit einer Bewusstseins-Bildung bei jedem einzelnen an. Einen Beitrag dazu hat diese Aufführung sicherlich geleistet, indem sie die Kinder-und Jugendliche auf eine ganz besondere, plastische und direkte Art angesprochen hat.

Am Abend war es dann Zeit für ein Stück von Brecht. „Der gute Mensch von Sezuan“ in der Inszenierung des Schauspiels Köln. Regisseur Moritz Sostmann hatte als Grundidee, dass manche Personen von Puppen dargestellt werden wie der Wasserverkäufer Wang oder die Prostituierte Shen Te, die zum guten Menschen stilisiert wird.

Kurzer Handlungsabriss: Die Götter wollen feststellen, ob es noch gute Menschen auf der Erde gibt. Sie finden sie in der Prostituierten Shen Te, die sie mit Geld belohnen. Davon kauft sie sich einen Tabakladen. Wegen ihrer Güte wird sie von allen ausgenutzt und erfindet einen Vetter Shui Ta, der ihr genaues Gegenteil ist. Je mehr sich Shen Te ausnutzen lässt, desto mehr kommt der Vetter in ihr zum Vorschein.

Hier geht es um die Problematik, gleichzeitig eine moralisch-gute und eine lebensfähig-harte Person zu sein. Daher spaltet sich Shen Te, weil sie weiß, dass ihr rein altruistischer Teil nicht lebensfähig ist. „Diese Welt ist grau und will man’s schaffen, muss man hart sein“, klagen Tocotronic auf „Als letzter auf der Bank“. Diesen harten Kern erweckt sie mit Shui Ta. So kann Shen Te immer noch „Der Engel der Unterstadt“ bleiben. Für Brecht war klar, unter den Bedingungen des Kapitalismus kann es keinen „guten“ Menschen geben.

Die Idee mit den Puppen machte in meinen Augen zum größten Teil Sinn, denn während Shen Te meistens eine Puppe war, war ihr „Vetter“ immer ein Mensch. Doch teilweise wirkte es wie eine Art Muppet-Show, als beispielsweise viele Verwandte und Bekannte in Shen Tes Tabakladen Unterschlupf fanden.

Die zweite große Puppenrolle war der Wasserverkäufer Wang sowie Frau Yang, die Mutter von Yang Sun, einem arbeitslosen Flieger, in den Shen Te verliebt ist.

Auch wenn es manchmal so aussah, wie ein Bauchrednerkurs für Anfänger, die Idee mit den Puppen hatte etwas. Auch die Schauspieler zeigen eine sehr engagierte Leistung.




tt#14 5. Tag – Warum ist es am Rhein so schön?

Regisseur Nurkan Erpulat vom Düsseldorfer Schauspiel nimmt einen Ortswechsel vor: Er verlegt Ödön von Horváths Stück „Kasimir und Karoline“ passenderweise nach Düsseldorf. Statt beim Oktoberfest spielt die Handlung auf der Kirmes in den Rheinwiesen und aus einem Zuschneider wird ein Marketingmitarbeiter. Zu Horváths Zeiten hätte man sicher noch von einem Konflikt zwischen Klassen geredet, heute scheint der Begriff aus der Mode gekommen zu sein.

 

Die da oben gegen wir da unten. Oberschicht und Prekariat. Zwei Schichten, die nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander reden. Wobei mit reden eher beschimpfen gemeint ist. Auf der einen Seite Unternehmer und Oberbürgermeister Rauch, der mit seinem Freund Staatsanwalt Speer die Oberschicht verkörpert. Rainer Galke spielt mit wahrer Freude den Rauch als rheinischen Sugardaddy, der überzeugt ist, mit Geld alles kaufen zu können. Brillant ist auch seine Kirmes-Eröffnungsrede, bei der er in echter Politikermanier über Sicherheit und Schuldenfreiheit seiner schönen Stadt schwadroniert.

 

Die Hauptfiguren Kasimir und Karoline gehen neben Rauch und Kasimirs Freund Merkl Franz (Taner Sahintürk) ein wenig unter, obwohl sie eigentlich den Kern der Handlung ausmachen. Denn es geht darum, dass die beiden einen schönen Tag auf der Kirmes verbringen wollen, Kasimir aber gerade seinen Job verloren hat. So empfindet er sich als minderwertig, kann seine Ängste aber nicht ausdrücken und verärgert so Karoline, die sich erst vom Marketingmitarbeiter Stürzinger und dann von Rauch und Speer aushalten lässt.

 

Karoline hat sichtbare Angst, dass sie Kasimir (vor allem durch seinen kriminellen Freund Merkl Franz) ins Prekariat zieht. Sie sucht ihren Platz in der Gesellschaft. Den kann ihr Kasimir nicht bieten, aber Karoline muss auch feststellen, dass die Oberschicht auch kein platz für sie ist. Zu steht am ende des Stückes ein Happy-End für Karoline und Störzinger.

 

Und Kasimir? Er erkennt, dass er Karoline das Leben, das sie führen möchte, nicht bieten kann, und lässt sie gehen. Mehr noch: Er schließt sich Erna, der Verlobten von Merkl Franz an.

 

Zum Bühnenbild: Das Stück beginnt vor einem reliefartigen metallenen Vorhang, vor dem die Eröffnungsrede stattfindet, danach gibt sie den Blick frei auf eine große Anzahl von Bierbänken, die eher nach München oder auf ein Dorffest passen, als auf die Düsseldorfer Kirmes. Zwischendurch hat Regisseur Erpulat die seltsame Idee, eine Art Kuriositätenkabinett auf die Bühne zu stellen. Kirmesboxer ok, aber warum die Schauspieler eine Ultrakurzversion von Hamlet auf die Bühne bringen müssen, bleibt unklar (vermutlich ist das eine interne Düsseldorfer Geschichte).

 

Musikalisch wurde einiges geboten, meist begleitet von einer Mini-Schützenkapelle (Bass, Trompete und Akkordeon). Christian Ehrich brillierte als Sänger(in).

 

Wie in Düsseldorf fiel Taner Sahintürk in der Mitte des Stückes aus seiner Rolle und ging ins Publikum. Waren die Fragen erst allgemein „Wie hat es Ihnen gefallen?“ oder „War es etwas zu brutal?“, ging es danach ans Eingemachte „Wieviel verdienen Sie?“ „Ist hier jemand arbeitslos?“ Sahintürk sammelte noch etwa 25 € ein und das Stück ging weiter.

 

Horváths Stück über die Angst vor dem Abstieg und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Sicherheit ist immer noch aktuell wie eh und je.




Musikvielfalt im Opernhaus

Die Bigband der TU Dortmund (groove m.b.h.) spielte zusammen mit den Dortmunder Philharmonikern. (Foto: © Anneliese Schürer)
Die Bigband der TU Dortmund (groove m.b.h.) spielte zusammen mit den Dortmunder Philharmonikern. (Foto: © Anneliese Schürer)

Das 3 Konzert für junge Leute lud am 18. Juni 2014 nicht in das Konzerthaus, sondern unter dem Motto „Open Stage – Lieder mit ohne Worte und Orchester“ zu einem spannenden „Crossover-Mini-Festival“ vom Feinsten. Musikschaffende aus unserer Stadt und Region hatten die einmalige Gelegenheit, zusammen mit der Dortmunder Philharmoniker auf der Opernbühne zu musizieren.

Das breite Spektrum reichte dabei von Steeldrum, Klassik, Folklore. a-cappella-Gesang bis zum Bigband-Sound. Das ganze mal mit, mal ohne Orchester.Durch das Programm führte für den ausgefallenen Christoph Jöde Andreas Beck vom Dortmunder Schauspiel-Ensemble mit Charme und Humor.

 

Teil 1 vor der Pause dirigierte engagiert Philipp Armbruster, danach mit Schwung der erste Kapellmeister Motonori Kobayashi. Schon mit der ersten Nummer „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauß sorgte das „Bäng Bäng Steeldrumorchester“ unter der Leitung von Martin Buschmann nach der Begrüßung durch Orchestermanager Rainer Neumann mit ihren satten Steeldrum-Klängen zusammen mit der Philharmoniker für ausgelassene Partystimmung.

Danach konnte das Publikum den Künsten des jungen Pianisten Max Janßen-Müller beim melancholisch-stimmungsvollen ersten Satz des 1. Klavierkonzert in a-Moll, von Edvard Grieg lauschen.

Mit türkischer Musik und schöner Stimme bezauberte die Sängerin und Leiterin des türkischen Bildungszentrums Nuran Özdemir Asan, während die Tamilische Gruppe „Ilap Prya“  das Publikum mit einem eigens komponierten Raga berührte, der die friedlich-hoffnungsvolle Stimmung der Tamilen vor ihrer systematischen Vernichtung widerspiegelte.

Weltmusik im wahren Sinne des Wortes boten der aus Chile stammende Musiker Enrique Plazaola & Band. Sie brachten inspiriert von einem Besuch der Osterinseln und angetan von der Kultur der Rapa Nui einen selbst geschaffenen Moai.

Als Knaller heizten dann die „Green Onions“, eine Big Band des Clara Schumann Gymnasiums, die Stimmung unter Leitung von Jochen Weichert zusammen mit der Dortmunder Philharmoniker besonders mit Michael Jacksons „Billy Jean“ ordentlich an. Zur besonderer Freude des Publikums tanzte ein elfjähriger Junge als „Mini-Jacko“ mit viel Ausdruck dazu den „Moon Walk“. Zwei Dirigenten gleichzeitig auf der Bühne agieren. Wann sieht man das als Zuschauer?

 

Nach der Pause zeigte der siebzehnjährige Wuppertaler Pianist Maximilian Kliem mit seinem virtuosen und sensiblen Spiel des ersten Satzes von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr.1, zum ersten Mal gemeinsam mit einem großen Orchester sein Können.

Die vier Sängerinnen der Band „Chantik“ begeisterten dann mit „a-cappella-Gesang“ vom Feinsten und eigener Interpretation von altem Liedgut.

Eine Mischung aus Funk, Jazz, Pop Rock, R&B und Reggae macht die Musik der Band „What Ever Works“ um Gitarrist und Tontechniker des Theaters Günther Holtmann aus. Mit „Voulez Vous“ von ABBA und „Freak You“ machten sie Appetit auf mehr bei der „After-Show-Party „ nach dem Konzert.

Als krönender Abschluss gab es „Jazz“ in hoher Qualität von der Dortmunder Bigband „Groove m.b.H.“ der TU Dortmund unter der Leitung von Michael Kröger. Er dirigiert mit Elan sowohl die Bigband wie auch die Dortmunder Philharmoniker.

 

Ein gelungenes Experiment und besonderes Erlebnis für alle Beteiligten. Es bewies wieder einmal: Die oft propagierte Trennung von „E“ und „U“-Musik ist reine Makulatur. Es gibt nur (qualitativ) gute oder schlechte Musik.