Alles muss einen Sinn haben

Am 03. und 04. Juni 2014 findet das 10. Philharmonische Konzert statt. Zweimal Brahms steht auf dem Programm. Neben seinem Klavierkonzert Nr.1 ist auch seine Sinfonie Nr.2 in D-Dur im Konzerthaus Dortmund zu hören. Der Solist beim Klavierkonzert ist Lars Vogt, dirigieren wird Muhai Tang. Tang ist seit 2006 Dirigent und Musikdirektor des Zürcher Kammerorchesters, hat aber bereits in Australien, Asien und den USA Orchester geleitet. Eine besondere Ehrung erhielt er 2002: Er wurde für seine Einspielung von Christopher Rouses Concert de Gaudí for Guitar and Orchestra mit den „Grammy Award for Best Classical Contemporary Composition“ ausgezeichnet. Ars tremonia sprach mit Muhai Tang.

 

Wie sind Sie zur Musik gekommen?

 

Das kommt aus der Kindheit. Ich bin in Shanghai geboren. Mein Vater [Tang Xiaodan, d. Red.] war einer der bekanntesten Filmregisseure in China. Er liebte als Regisseur natürlich jede Musik, und als ich ganz klein war, habe ich sehr viel Musik von Schallplatte gehört wie die Klavierkonzerte von Chopin,sein Lieblingsstücke, oder Tschaikowskis Schwanensee. Daneben habe ich auch Theater, Malerei und alles was möglich war, kennengelernt. Aber ich habe festgestellt: Ich liebe Musik. Das ist das einzige, das ich meinem Leben widme.

Meine Mutter hatte ein Klavier für mich gekauft, darauf habe ich gelernt und habe auch sehr früh angefangen zu komponieren. Als ich ganz jung war, habe ich bereits in einem professionellen Tanz- und Musiktheater gearbeitet. Während der Kulturrevolution, eine furchtbare Zeit, habe ich durch Glück am Shanghai-Konservatorium begonnen, Komposition und Dirigieren zu studieren. Später habe ich ein Stipendium in Deutschland bekommen und in München an der Hochschule für Musik die Meisterklasse absolviert.

 

Wie sind Sie zum Dirigieren gekommen?

 

Der Grund war die Kulturrevolution. Für viele Leute eine furchtbare Zeit, aber ich habe Glück gehabt. Ich habe zunächst angefangen mit dem Studium der Komposition. Aber ich wurde gefragt, ob ich dirigieren lernen kann, weil ein Orchester wartet auf einen Dirigenten, nur es gab keinen. Denn viele hatten während der Kulturrevolution keine Erlaubnis zum Dirigieren. Dann habe ich gedacht, ich kann dirigieren und Instrumentierung lernen über praktische Arbeit. Daher habe ich zugesagt. Ich habe gelernt und gleich mit der Orchesterprobe angefangen.

 

Was ist Ihnen beim Dirigieren wichtig?

 

Dirigieren hängt mit dem Komponieren ganz eng zusammen. Weil jede Note, die man macht, hat einen Sinn. Ob man Konzert, Sinfonie oder Oper macht: Alles muss zuerst einen Sinn haben. Natürlich muss man erst das Technische beherrschen, also alle Noten im richtigen Tempo und Ausdruck spielen können.

 

Sie haben auf vielen Kontinenten gearbeitet. Was gibt es für Unterschiede?

 

Es gibt riesiger Unterschiede, nicht nur beim Klima, Sprache oder so, sondern allein die Kultur. Die Mentalität ist ganz verschieden. Selbst innerhalb Europa gibt es Unterschiede. Man muss in einem neuen Land, einer neuen Kultur seine Position finden. Eigentlich sollte man gar nicht reden, man dirigiert einfach. Das wäre das beste eigentlich. Aber wenn man die Sprache beherrscht, dann ist man den Kollegen näher.

Die Begeisterung bei den Musikfans ist überall gleich. Man merkt während des Konzertes jeden Moment, zum Beispiel die Japaner, wenn die Publikum sind, man hat sogar ein bisschen Angst. Die sind so still, da ist eine so große Konzentration beim Hören. Es gibt natürlich lockeres und ziemlich lautes Publikum wie in China zum Beispiel. Dann ärgert man sich. Manches Publikum geht nach dem Konzert sofort weg, aber manche bleiben sehr lange und bedanken sich mit großem Applaus und wollen sogar eine Unterschrift haben, manche kommen sogar mit der Partitur.

 

Kommen wir zum 10. Philharmonischen Konzert. Zu Beginn steht ja das 1. Klavierkonzert von Brahms. Was ist das für ein Werk in ihren Augen?

 

Eigentlich ist für mich Brahms Violin- oder Klavierkonzert ein sinfonisches Stück. Er nutzt zwar ein Soloinstrument, aber es „gehört“ dem ganzen Orchester. Der musikalische Gedanke wird durch den Solisten und dem Orchester gemeinsam gebildet. Ich dirigiere es auch als Sinfonie. Es hat natürlich wie die traditionellen Solo-Konzerte drei Sätze und nicht wie die Sinfonie vier Sätze. Ich glaube, das Publikum soll merken, dass es ein sinfonisches Werk ist, dass man musikalische Gedanken nicht nur durch den sogenannten „Virtuoso“ wie bei Liszt oder Rachmaninow erkennen kann. Das Technische ist bei Brahms schon schwer.

 

Das zweite Werk, die 2. Sinfonie von Brahms?

 

Das Stück habe ich gehört als ich jung war und die Boston Sinfoniker mit Seiji Ozawa in China aufgetreten sind. Da habe ich mich in dieses Stück verliebt. Es ist in D-Dur, was für mich die schönste Tonart ist. Ich habe auch Violine gespielt, D-Dur für einen Violinisten ist eigentlich die schönste Tonart. Die Sinfonie ist so lyrisch, man erlebt sie wie ein Traum. Erst kommt der lyrische Anfang und danach ein ganz ernsthafter zweiter Satz („Adagio“). Für mich wirkt es, wenn das Adagio zu Ende ist, als wenn jemand stirbt. Und dann kommt plötzlich der dritte Satz, ganz leichte Folklore, mit einem Scherzo, dass man wie bei Mahler an Kinderlieder denkt. Im vierten Satz gibt es einen brillanten Effekt des Orchesters. Kurz vor der Reprise ist es so, als ob sich der Himmel öffnet und Gott spricht. Das ist alles meine eigene Interpretation. Ich lese nicht sehr viel Literatur. Ich versuche direkt über die Musik, von den Noten zu sehen, was im Stück steht, was Brahms wollte.

 

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Dortmunder Philharmonikern?

 

Die Musiker sind sehr ernsthaft und sehr aktiv. Sie haben, wie ich gesehen habe, sehr viel zu arbeiten . Aber bei der Probe sind sie jede Minute so konzentriert und versuchen, das Beste zu geben.




Aber bitte mit Sahne

Was tun, wenn keine Kunden ins Café kommen? Man beschäftigt sich mit sich selber, sagt seinen Kolleginnen die Meinung ins Gesicht und parodiert schon mal die Stammkunden, die schon lange nicht mehr da waren. Eine Art Fegefeuer für Dienstleister. Das kleine Stück „Draußen nur Kännchen“ der Theaterwerkstatt im Depot hatte am 30. Mai 2014 Premiere im Theater im Depot.

 

Greta, Marion, Mimi und Lili sind Kellnerinnen im Café Hagemann, das ein großes Problem hat: Es kommen keine Gäste. Und wie heißt es im Sprichwort so schön: Wenn die Katze außer Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Daher beginnen die vier Kellnerinnen mangels Gäste mit sich selbst zu beschäftigen.

 

Lust und Frust, Tragödie oder Komödie? Am Anfang wusste das Stück nicht so recht, wohin oder um im Café zu bleiben: Der Anfang war eher ein Stück Sandkuchen. Die gegenseitigen Vorwürfe in Form von „Was ich dir schon immer mal sagen wollte“ gleich zu Anfang wirkten in meinen Augen etwas aufgesetzt. Doch nachdem der Sekt geköpft wurde, wurde die Situation entspannter, es ging Richtung Komödie und die vier Schauspielerinnen tauten auf. Es war Zeit für die Schwarzwälder Kirschtorte. Es gab lustige Spiele wie „Gäste erkennen“ und bizarre Situationen als einer Servicekraft erklärte, die Kuchen nach dem Alphabet zu sortieren.

 

In dieser immer lustiger werden Situation wurde deutlich, dass hinter manch frisch gestärkter Schürze unerfüllte Sehnsüchte lauerten. Besonders schön: Als eine Kellnerin ihre Träume von der Karriere an der Bühne ansprach, verwandelte sich das Café blitzschnell in eine Theaterbühne. Doch ihr Monolog war ihren Kolleginnen zu abgehoben, sie machten sich über den Text lustig. Man könnte es so deuten, dass sich Bildungsbürgertum und untere Dienstleistungsgesellschaft deutlich voneinander abgrenzen.

 

Auch die Motivation, jeden Tag ins Café zu Arbeit zu gehen, wurde gut herausgearbeitet. Während die älteste Kellnerin sich als eine Art „Mutter der Kompanie“ begriff und immer bemüht war, ein wenig Contenance zu bewahren, war die Haltung der Anderen zum Café eher gleichgültig bis ablehnend. Gemeinsam war jedoch allen, dass sie trotz allem ihre Gäste als eine Art Familie sahen.

 

Es gab auch Gesang und einige Tanzeinlagen. Angefangen von Marlene Dietrichs „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ über den Café-Klassiker von Udo Jürgens „Aber bitte mit Sahne“ bis hin zu Songs von Abba wurde das Café in ein Tanzcafé verwandelt. Dass am Ende doch noch ein Gast kam, war fast schon vorherzusehen.

 

Nach kleinen Anlaufschwierigkeiten zeigten Christine Ates, Sonja Berkemann, Sissi Henneke und Viola Michaelis unter der Regie von Barbara Müller eine sehr ordentliche Komödie im Theater im Depot. Ich denke, dass fast alle Besucher sich einig waren: „Draußen nur Kännchen“ ist ein kleines Sahneschnittchen.