Wo spielt in Dortmund die Musik?

Präsentierten die neue Broschüre: (v.l.n.r.) Michael Batt (Kulturbüro), Didi Stahlschmidt (Ator) und Jörg Stüdemann (Kulturdezernent).
Präsentierten die neue Broschüre: (v.l.n.r.) Michael Batt (Kulturbüro), Didi Stahlschmidt (Ator) und Jörg Stüdemann (Kulturdezernent).

Klar, die Westfalenhalle, das Konzerthaus, das domicil oder das FZW kennen vermutlich viele Dortmunder, aber das auch im „Recorder“, im „Chill’R“ oder in der St. Nicolai-Kirche Live-Musik zu hören ist, wird einige überraschen. Das Kulturbüro hat mit Hilfe von Didi Stahlschmidt die Broschüre „live Locations Dortmund“ herausgebracht, die einen guten Überblick über Veranstaltungsorte gibt sowie Festivals präsentiert und Zusatzinfos bietet.

Rund 50 Spielorte listet die Broschüre auf und man glaubt es Autor Didi Stahlschmidt sofort, wenn er bei der Vorstellung erzählt, dass er ein Jahr lang an der Zusammenstellung gearbeitet hat. In dem 70seitigen Werk ist viel Recherchearbeit geflossen, denn neben bekannten Bühnen sind auch Kleinstbühnen aufgeführt, die kaum jemanden bekannt sind wie beispielsweise der Blue-Notez-Club, der eine Bühne im Keller der Gesamtschule Gartenstadt bespielt.

Beim Blättern der Broschüre fällt auf, dass es einige Kneipen gibt, deren Wirte sich als Musikförderer betätigen und Live-Konzerte teilweise kostenlos anbieten. Auch Jugendfreizeitstätten sind erfreulicherweise dabei.

Darüber hinaus zeigt die Broschüre erneut, was für ein kulturelles Potential besitzt. Allein in der Gneisenaustraße gibt es neben dem Subrosa, den Recorder und den Rockaway Beat. Wenn man bedenkt, dass in der Gneisenaustraße noch eine Galerie (der kunstbetrieb) und ein Theater (Roto Theater) ihre Heimat haben, ist allein in dieser Straße weit mehr los als in manchen Stadtbezirken wie ein Blick auf dem ebenfalls enthaltenen Stadtplan verrät.

Die Broschüre erscheint in einer Auflage von 20.000 Exemplaren, wird aber auch online abrufbar sein. Das hat auch einen praktischen Grund, denn die Broschüre kann bei der zu erwartenden Fluktuation nur eine Momentaufnahme sein.

Der Folder ist demnächst in allen Dortmunder Live-Locations zu finden und ab sofort als Download verfügbar.

Sitzstreik in Dortmund erfunden?

Präsentierten das neue Heft: (v.l.n.r.) Horst Delkus und Prof. Karl Luaschke (Herausgeber udn Autoren) sowie Adolf Miksch (Voristzender des Historischen Vereins) und Stefan Mühlhofer (Geschäftsführer Historischer Verein).
Präsentierten das neue Heft: (v.l.n.r.) Horst Delkus und Prof. Karl Lauschke (Herausgeber und Autoren) sowie Adolf Miksch (Vorsitzender des Historischen Vereins) und Stefan Mühlhofer (Geschäftsführer Historischer Verein).

Das dritte Heft 2014 der „Heimat Dortmund“ ist erschienen und beschäftigt sich unter dem schönen Titel „Alle Räder stehen still“ mit dem Thema Streiks und Protestaktionen in Dortmund. Im aktuellen Heft geht es um die Streikgeschichte und Streiks im Bergbau, Einzelhandel und anderen Gewerben. Und was ist mit den Stahlarbeiterstreiks? Die bekommen ein eigenes Heft, das 2016 erscheinen wird.

Aber schon Teil 1 ist überraschend und spannend. Oder wussten Sie, dass im Mittelalter die Ratsherren in die Stadttürme gesperrt wurden, bis der finanzielle Konflikt (es ging wie üblich um Schulden) durch eine politische Lösung entschärft wurde. Eine Möglichkeit, die auch heute sicher auf positive Resonanz stoßen würde, doch alle Ratsvertreter würden vermutlich nicht in den Adlerturm passen.

Auch eine beliebte Streikform, der Sitzstreik, wurde wohl in Dortmund zum ersten Mal praktiziert. Es war am 14. März 1959. Schon vorher am 04. Februar 1959 gab es einen Warnstreik gegen die Atomraketenstationierung in Dortmund-Brackel. Laut Zeitungsberichten traten 80.000 Beschäftigte von 11.50 bis 12.00 Uhr in den Warnstreik.

Manche Forderungen in Arbeitskämpfen muten für den modernen Leser etwas skurril an, doch sie sind gar nicht so lange her. So kämpfte der Dortmunder Einzelhandel in den 80er Jahren gegen die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Unter den Losungen wie „Was du bis 18.30 Uhr nicht kannst besorgen, verschiebe auf morgen“ oder „Wollt ihr nach 18.30 Uhr einkaufen, fahrt ins Ausland“ versuchten die Beschäftigten die Situation zu ihren Gunsten zu wenden, doch vergeblich.

Natürlich werden die Bergarbeiterstreiks thematisiert, auch die berühmte Protestaktion am 21. Oktober 1967 in Dortmund-Huckarde am 21. Oktober 1967-

Konzeptionell und redaktionell ist das Heft von dem Journalisten Horst Delkus und dem Historiker Karl Lauschke betreut worden, denen es gelang, für die Beiträge ausgewiesene Sachkenner als Autoren zu gewinnen.

Das Heft ist außer im Stadtarchiv im Übrigen auch im Buchhandel zum Preis von 5 € erhältlich.

Russische Melancholie im Konzerthaus

Rachmaninow und Tschaikowsky – mehr russische Romantik geht wohl nicht. Unter dem passenden Titel „gefühls_welten“ ging es beim 4. Philharmonischen Konzert am 09. und 10. Dezember 2014 der Dortmunder Philharmoniker tief in die russische Seele hinein.

Mit dem Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 in d-Moll begann das Konzert. Am Klavier saß der Ukrainer Alexander Romanovsky, der den „K2 für Pianisten“ mit einer bemerkenswerten Eleganz und Energie spielte. Am Dirigentenpult stand Nicolas Milton, der bereits zum fünften Male Gastdirigent bei den Philharmonikern war.

Schon der erste Teil des Klavierkonzertes von Rachmaninow verlangt dem Pianisten viele Fähigkeiten ab. Bereits das russische Thema zu Beginn des ersten Satzes entwickelt sich zu einer anspruchsvollen pianistischen Herausforderung, die Romanovsky mit Bravour meistert. Das Orchester eröffnet den langsamen zweiten Satz, der aus einer Reihe von Variationen um einen romantische Melodie besteht. Im dritten Satz wird das Tempo wieder schneller und kräftiger. Hier zeigt sich Rachmaninow als Rhythmiker. Zudem beginnt der Satz in d-Moll, er wird aber in der Tonart des Triumphs, D-Dur, beendet. Gegen Ende des Konzert gab es riesigen Applaus für Romanovsky, der erst nach zwei Zugaben die Bühne verlassen konnte.

Nach der Pause wurde die 6. Sinfonie in h-moll von Peter Tschaikowsky gespielt. Die Sinfonie ist auch unter dem Titel „Pathétique“ bekannt, doch das ist ein Titel, den ihr der Komponist nicht selber gab. Es wird darüber diskutiert, ob Tschaikowsky in der 6. Sinfonie seine Homosexualität, seine Religiosität oder seinen Tod thematisiert hat, der Komponist wählte für seine Sinfonie die einsame und traurige Tonart h-moll. Auch beendet Tschaikowsky seine Sechste nicht schwungvoll und dynamisch, sondern eher mit einem verebbenden Seufzer. Schon im ersten Satz ist der tragische Kampf des Menschen oder um im Spielzeitmotto zu bleiben, des Helden, deutlich in der Musik zu hören durch das melancholische Solo-Fagott. Der zweite Satz scheint, trotz der düsteren Atmosphäre, dem Zauber des Lebens gewidmet. Auch noch im dritten Satz ist unser Held sicher, die Widrigkeiten des Schicksals durch Willen und Entschlossenheit entgegenzutreten. Letztendlich vergebens: Das Schicksal holt den Helden im vierten Satz unerbittlich ein. Die Sinfonie setzt vielleicht musikalisch die Geschichte eines Menschen um, der erfährt, dass er unheilbar krank ist, sich gegen die Diagnose wehrt, dann aber zum Schluss dennoch unterliegt.

Ein sehr bewegender Abend für alle Beteiligten.

Fast ein Brahms im Doppelpack

Ausführung und Inspiration – das könnte das Motto des 2. Kammerkonzertes am 01. Dezember 2014 gelautet haben. Das Ensemble BeRio spielte das Klavierquartett c-Moll op. 13 von Richard Strauss sowie das Klavierquartett g-Moll op. 25 von Johannes Brahms. Das Werk von Strauss wurde sehr stark vom Klavierquartett von Brahms inspiriert. Ein spätromantischer Abend im Orchesterzentrum NRW.

Das Ensemble BeRio musiziert seit etwa zehn Jahren zusammen. Der kern bildet das Streichtrio der Dortmunder Philharmoniker Beata Michalski (Violine), Roman Nowicki (Viola) und Risto Rajakorpi. Daneben laden sie sich andere Musiker ein. Dieses Mal war es der Pianist Rainer Maria Klaas.

Das Modell der drei Brahms-Quartette, vor allem des dritten in c-Moll, zeigt sich im Klavierquartett von Strauss besonders deutlich. Doch zeigt sich die eigene Handschrift von Richard Strauss mit seinen breiten Themengruppen.

Das Klavierquartett in g-Moll von Brahms ist vor allem wegen seines vierten Satzes , dem „Rondo alla Zingarese“ bekannt. Hier hat sich Brahms von seiner Liebe zur ungarischen Musik inspirieren lassen. Aber auch die anderen Sätze atmen die ungarisch-volkstümliche Musik.

Ein großes Kompliment an alle ausführenden Musiker für den gelungen Abend.

Liedmatinee mit rumänischem Einschlag

Am 30. November 2014 hatten die Zuhörer Gelegenheit, im Opernfoyer der Liedmatinee der Opernsängern Ileana Mateescu zu lauschen. Neben Brahms und Dvořák sang Mateescu auch vier Lieder aus ihrer rumänischen Heimat. Die Liedmatinee trug den Titel „Zigeunerlieder“, doch mit der Lebenswelt der Sinti und Roma hatten die Kunstlieder der romantischen Komponisten nichts zu tun. Am Klavier wurde die Sängerin von Hedayet Djeddikar begleitet.

Den Beginn machten die acht „Zigeunerlieder“ op. 104 von Johannes Brahms. In diesen Liedern hat Brahms seine Liebe zu Ungarn manifestiert, denn die Texte zu den Liedern sind eigentlich Übersetzungen von ungarischen Volksliedern. Also nichts mit Zigeunern. Danach ging es musikalisch nach Spanien. Die „Siete canciones populares españolas” (Die sieben spanischen Volkslieder) von Manuel de Falla boten Mateescu erneut ihr sangliches Können unter Beweis zu stellen.

Danach hatte die Sängerin ein Heimspiel, denn mit drei rumänischen Liedern konnte die Mezzosopranistin in ihrer Muttersprache singen. Mit Felicia Donceanu, Emil Montia und Gheorghe Dima waren drei Komponisten mit ihren Liedkompositionen zu hören, die hier im Westen sicher eher unbekannt sind. Vielleicht könnte die Liedmatinee eine Gelegenheit bieten, Kunstliedern aus eher unbekannteren Ländern eine Plattform zu bieten. Eine Matinee nur mit rumänischen Liedern? Oder vielleicht mit polnischen von Stanisław Moniuszko? Warum eigentlich nicht, es muss nicht immer Schubert sein.

Den Schluß machte Dvořák mit seinen Zigeunermelodien. Hier kommen wir wieder in den Bereich der Romantik, die den Zigeunern Eigenschaften wie “Freiheit” oder “Naturverbundenheit” verpasst hatte. Zeilen wie “freier der Zigeuner als in Gold und Seide” oder “Hat Natur, Zigeuner, etwas dir gegeben? Jaj! Zur Freiheit schuf sie mir das ganze Leben” klingen aus heutiger Sicht vielleicht etwas naiv, obwohl das romantische Zigeunerbild noch bis heute durchschimmert, wie der Schlager “Zigeunerjunge” von Alexander aus den 60er Jahren beweist.

Ileana Mateescu, die als Carmen und Angelina in “La Cenerentola” Erfolge auf der Dortmunder Opernbühne feierte, zeigte ihr gesangliches Können und wurde virtuos von Djeddikar begleitet.

Das Schöne an der Liedmatinee ist – neben der Musik – mit Sicherheit die Gelegenheit die Sängerinnen und Sänger einmal von nah zu erleben und nicht weit entfernt auf der Bühne.

Mussorgskis Bilder einer Ausstellung remixed

Der russische Komponist Modest Mussorgski schrieb 1874 seinen berühmtes Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“. Hierbei vertonte Mussorgski die Bilder seines Freundes Viktor Hartmann. Ravel machte später eine bekannte Orchesterversion daraus. 2014 entstehen daraus im Konzerthaus am 17. November 2014 die „Schilder einer Baustelle“. Hierbei fusionieren klassische und moderne elektronische Musik oder die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster mit dem Elektronik-Duo Super Flu.

Es war wie in der vergangenen Spielzeit als „Beatamines“ zusammen mit den Dortmunder Philharmoniker die „Planeten“ von Holst aus ihren Umlaufbahnen schossen. Das Konzerthaus war bis auf den letzten Platz ausverkauft, viele junge Menschen, ein sonst eher ungewohntes Bild bei klassischen Konzerten füllten den Saal.

Die Verbindung zwischen elektronischen Samples und Beats sowie der „analogen“ Musik der Philharmoniker klappte wieder vorzüglich. Dabei bauten Super Flu teilweise witzige Samples ein wie beispielsweise Hühnergegacker in „Ballett der Kücklein“.

Auch die eigenen Stücke von Super Flu wie „Jo Gurt“, „Shine“ oder „Volkwein“ kamen beim Publikum sehr gut an. Vor allem „Shine“ ein Song mit Gospel-Feeling rockte das Konzerthaus. Dabei wurden die Musiker vom Vokalquartett Chantik unterstützt, die dem Song die nötige Wärme verliehen.

Nach dem Erfolg mit „Beatamines“ und „Super Flu“ sind jetzt alle sehr gespannt, was die Dramaturgin Barbara Volkwein in der nächsten Spielzeit beim „Konzert für junge Leute“ auf die Bühne des Konzerthauses zaubert.

Tschechische Romantik beim 3. Philharmonischen Konzert

Das 3. Philharmonische Konzert am 11. und 12. November 2014 trug den Titel „heimat_klänge“ und hatte einen starken tschechische Einschlag. Denn zu Beginn stand die Rhapsodie für Orchester „Taras Bulba“ von Leo Janáčeks (1854-1928). Seine Vertonung der russischen Novelle „Taras Bulba“ von Nikolai Gogol zeigt schon, dass der tschechische Komponist mit seinen russischen Brüdern sympathisierte. Sein Werk ist dynamisch, wuchtig und die Dortmunder Philharmoniker, diesmal unter der Leitung von Shao-Chia Lü, geben der dramatischen Stimmung des Stückes die nötige musikalische Würze. Schlagwerk und Kriegsmärsche machen das dramatische Schicksal von Taras Bulba und seinen beiden Söhnen spürbar. Auch wenn die Hinrichtungsszene mit dritten Teil sicherlich musikalische Vorbilder hatte, beispielsweise Berlioz‘ „Symphonie fantastique“.

Danach spielte Pianistin Elisso Virsaladze zusammen mit den Philharmonikern das „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur“ von Franz Liszt. Die Robert-Schumann-Preisträgerin von 1976 meisterte die anspruchsvollen Stellen des Komponisten mit Bravour. In dem Klavierkonzert von Liszt spielt ein eher unterbewertetes Instrument eine kleine Hauptrolle: die Triangel.

Nach der Pause ging es wieder tschechisch weiter mit Auszügen aus „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana (1824-1884). Vermutlich haben auch diejenigen, die noch keine oder kaum Berührungspunkte mit klassischer Musik haben, das Stück „Die Moldau“ aus dem Zyklus „Mein Vaterland“ schon einmal gehört. Neben der ruhigen, fließenden Moldau wurden noch „Vyŝherad“ sowie „Sárka“ gespielt. Schade eigentlich, dass Smetanas zentrales Werk nicht einmal komplett gespielt wurde, das wäre eine schöne Gelegenheit gegeben. Dennoch konnte auch dieser „Appetizer“ überzeugen.

9:0 für Roxy

Feiern den Sieg: Roxy und ihr Wunderteam. (Foto: © Thomas Jauk / Stage Picture)
Feiern den Sieg: Roxy und ihr Wunderteam. (Foto: © Thomas Jauk / Stage Picture)

Ein eindeutiges Ergebnis für die mitreißende Premiere von „Roxy und ihr Wunderteam“. Der riesige Applaus für alle Beteiligten bei der Premiere am 29. November war, wie man nach einem Fußballspiel sagen würde, hoch verdient.

Zwei Personen muss auf jeden Fall gedankt werden: Henning Hagedorn und Matthias Grimminger. Die beiden Musiker haben eine „bühnenpraktische Rekonstruktion“ des Werkes von Paul Abraham geschaffen. 1937 konnte die Operette noch in Wien uraufgeführt werden, danach musste Abraham vor den Nazis fliehen.

„Operette“, wer jetzt an Lehár, Fledermäuse oder weiße Rößl denkt, ist hier falsch. Schon mit den ersten Takten ist man mittendrin in den 30er Jahren. Jazzrhythmen bringen die Füße zum wippen, die Bühne hatte das Runde des Balles aufgenommen und Bühnenbildner und Kostümdesigner Toto schwelgte in zeitgenössischen Elementen, aber ohne historisierend zu sein.

Zur Geschichte: Das ungarische Fußball-Nationalteam hat mal wieder verloren. Ihr Trainer verdonnert sie zu einem Trainingslager am Plattensee. Doch er selbst will nicht mitfahren, sondern zu seiner Geliebten nach Venedig. Das Training soll Mannschaftskapitän Gjurka leiten. Das bekommt seine Verlobte Aranka von Tötössy mit, die daraufhin das Training der Fußballer sabotiert. Von Tötössy ist Leiterin eines Mädchenpensionats und schickt ihre Schülerinnen ebenfalls zum Plattensee. Damit nicht genug. Roxy, die Nichte des Mixed Pickles-Herstellers Sam Cheswick sollte heiraten und brennt mit der Mannschaft durch und verliebt sich in Gjurka. Sam Cheswick und Roxys Verlobter Bobby sind ihr aber dicht auf den Fersen.

Der Erfolg von „Roxy“ liegt zunächst an der Musik. Philipp Armbruster injizierte seinen Dortmunder Philharmonikern eine gehörige Portion Jazz und fast musste der Dirigent seine Musiker wieder einfangen. Dazu gab es eine Vielzahl von Tanzszenen, eine Stepptanz begeisterte Fußballmannschaft und natürlich einen sehr gut aufgelegten Chor.

Die Schauspieler waren nicht minder beteiligt am Erfolg. Emily Newton spielte eine Roxy, die nicht in Naivität ertrank, sondern durchaus selber Netze auswarf. Mannschaftskapitän Gjurka wurde von Lucian Krasznec dargestellt, dem sein Pflichtbewusstsein als Sportsmann seinen Gefühlen im Weg steht, bis es fast zu spät ist. Fritz Steinbacher wusste als weinerlicher Verlobter Bobby zu gefallen, Johanna Schoppa spielte wieder ihre Paraderolle als selbstbewusste, mitunter auch leicht dominante Frau mit Herz las Aranka von Tötössy. Großen Beifall bekam auch Kammersänger Hannes Brock in seiner Rolle als sehr sehr sparsamer Schotte und Mixed-Pickles-Hersteller Sam Cheswick. In einem seiner Lieder konnte Brock aktuelle Bezüge einbauen, so sang er von Merkel, dem Berliner Flughafen und auch von Dortmunder Sparsünden. Doch bei einem war für seine Sparsamkeit kein Platz, nämlich beim BVB. „Spart nicht bei eurer Unterstützung, sie brauchen den 12. Mann“ sang Brock unter großem Beifall der Zuschauer.

Das Stück ist auch eine Freude für Liebhaber sogenannter Fußballweisheiten, die die ungarische Mannschaft nach der Niederlage in der Kabine zum besten gibt: „Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu“ oder „wir wollten kein Gegentor kassieren, das hat bis zum Gegentor auch gut geklappt.“

Am Ende steht das Rückspiel, dessen Ergebnis ich nicht verraten werde, doch eins steht fest, „Roxy“ ist ein haushoher Heimsieg für die Dortmunder Oper.

Weitere Termine: SO, 07. DEZEMBER 2014, SA, 13. DEZEMBER 2014, SO, 21. DEZEMBER 2014, SA, 27. DEZEMBER 2014, MI, 31. DEZEMBER 201, SA, 17. JANUAR 2015, DO, 29. JANUAR 2015, SA, 07. FEBRUAR 2015, FR, 13. FEBRUAR 2015, MI, 18. FEBRUAR 2015, FR, 27. FEBRUAR 2015 und SO, 15. MÄRZ 2015

Infos und Karten unter 0231 5027222 oder www.theaterdo.de

Im Fegefeuer der Eitelkeiten

Der Moment der Wahrheit, als Johan erzählt, er habe eine Geliebte.  Friederike Tiefenbacher Carlos Lobo Bettina Lieder Uwe Schmieder Julia Schubert Frank Genser Merle Wasmuth. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Der Moment der Wahrheit, als Johan erzählt, er habe eine Geliebte. Friederike Tiefenbacher, Carlos Lobo, Bettina Lieder, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Frank Genser und Merle Wasmuth. (Foto: © Birgit Hupfeld)

„Love is a Battlefield“, sang Pat Benatar im Jahre 1983. Und in dieses Schlachtfeld geraten Johan und Marianne nach zehn Jahren Ehe. Urplötzlich und heftig. Claudia Bauer nahm sich „Szenen einer Ehe“ von Ingmar Bergman vor und verwandelte den Film in eine besondere Bühnenfassung mit multiplen Johanns und Mariannes. Ein Premierenbericht.

Johann und Marianne führen seit zehn Jahren eine mustergültige Ehe. Sie haben zwei Kinder, Erfolg im Beruf und sind der Ansicht, dass sie ihre Konflikte offen besprechen können. Doch plötzlich erklärt Johann, dass er sich in ein junge Frau namens Paula verliebt habe und verlässt sie. Für Marianne bricht eine Welt zusammen, doch nach einiger Zeit lernt sie, mit den Geschehnissen umzugehen. Dennoch bricht die aufgestaute Aggression am Ende durch.

Stecken in einem Menschen nicht mehr als eine Persönlichkeit? Mal muss man die devote oder die freundliche Gesicht zeigen. Manchmal präsentiert man auch hässliche Fratze. Aber man muss funktionieren, ob im Beruf oder in der Familie. Regisseurin Claudia Bauer lässt Marianne und Johan in vier Paare aufspalten, die völlig unterschiedlich mit der Katastrophe der Trennung umgehen (müssen). Vom Flehentlichen „Bitte bleib doch“, bis hin zum Wütend werden, all das zeigen die unterschiedlichen Mariannes in der Szene als Johan zu Paula geht.

Wie konnten Johan und Marianne es nur zehn Jahre aushalten und zwei Kinder bekommen? Durch Verstellung und durch Verleugnung der eigenen Wünsche. Besonders schön zu sehen in der ersten Szene: Katarina und Peter zwei Freunde von Johann und Marianne kommen zu Besuch. Alle tragen Masken, um ihre wahren Gefühle nicht gegenüber ihren Freunden zu zeigen. Die „wilde“ Art mit der Katarina und Peter ihre Ehe und Streitigkeiten austragen, irritiert Marianne und Joahnn.

Dass die unterdrückten Aggressionen bei Marianne und Johann brodeln, wurde in der nächsten Szene deutlich. Ihre Versuche aus dem täglichem Einerlei auszubrechen, sind zum Scheitern verurteilt. Brav bleiben sie hinter Schafsmasken versteckt, aber wollen den jeweiligen Partner mit dem Telefon eins überbraten.

Besonders komisch wurde es vor allem in der Szene. Als Johan, in dem Fall Carlos Lobo, bei einem Wiedersehen ein paar Jahren nach der Trennung erkennt, dass seine inzwischen starke Ex diese anscheinend besser verarbeitet hat als er selber. Der „weinerliche Johan“ lässt sich von allen Seiten trösten und klagt sein Leid über die „anstrengende“ Geliebte Paula.

Das ganze Stück hindurch wird auch musikalisch mit einem Soundtrack begleitet. Vom positiven „(You make me feel) Mighty Real“ von Jimmy Somerville zu Beginn über das verzweifelte „Jolene“ von Dolly Parton als Johan Marianne verlässt bis hin zum „Love Hurts“ von Roy Orbinson am Ende werden die Emotionen musikalisch verarbeitet. Teilweise singen die Schauspieler auch live.

Am Ende haben die beiden wieder ein gemeinsames Verhältnis gefunden. Als gute Freunde, die heimlich im Landhaus ihrer Leidenschaft frönen können, ohne gesellschaftliche Verpflichtungen oder irgendwelche Rollens spielen zu müssen.

Respekt an alle Schauspielerinnen und Schauspieler, die vier Mariannes und Johans gespielt haben. Dabei waren Frank Genser, Sebastian Kuschmann, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Friederike Tiefenbacher und Merle Wasmuth.

Ein oft grotesk-komisches und sehr direktes Schauspiel.

Perfekte Hommage an Nosferatu

Hutter (Ekkehard Freye) voller Schreck vor Nosferatu (Uwe Rohbeck). Foto: © Edi Szekely.
Hutter (Ekkehard Freye) voller Schreck vor Nosferatu (Uwe Rohbeck). Foto: © Edi Szekely.

Wenn Jörg Buttgereit am Dortmunder Schauspielhaus inszeniert, dann immer mit einem liebevollen Blick auf die Protagonisten. Ob es nun Serienmörder Ed Gein war, der bedauernswerte Merrick in „Der Elefantenmensch“ oder jetzt Nosferatu im gleichnamigen Stück „Nosferatu lebt“. Selbstverständliche wieder mit Uwe Rohbeck in der Hauptrolle. Die Premiere am 29. November sah sich Anja Cord an.

Der Stummfilm „Nosferatu“ aus dem Jahre 1922 von F.W. Murnau ist eine Film-Legende und Max Schreck als Darsteller des Grafen Orloks/Nosferatu bleibt den meisten Zuschauern in gruseliger Erinnerung. Die Geschichte in Kürze: Hutter wird vom Häusermakler Knock nach Transsylvanien geschickt, um dem Grafen Orlok ein Haus zu verkaufen. Zufällig verliebt sich Orlok in Hutters Frau Ellen und das Unglück nimmt seinen Lauf…

Jörg Buttgereit hat es nicht nur geschafft, den Stummfilm auf die Bühne zu übertragen, sondern er schuf auf noch eine übergeordnete Ebene. Der Erzähler, gespielt von Andreas Beck, setzte den Film in seine historische Dimension. Der Film ist eine Art Menetekel für die kommende Zeit. Denn die junge Weimarer Republik musste sich vieler Feinde erwehren und am Ende wird der Altraum wahr: ein Tyrann herrscht über Deutschland. 1933 hatte auch Folgen für die Filmindustrie. Viele Filmschaffende emigrierten. Duplizität der Premieren-Ereignisse: Am gleichen Tag hatte in der Oper die Jazz-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ Premiere. Auch hier musste der Komponist Paul Abraham fliehen und die moderne Operette wurde in Deutschland und später in Österreich zerstört.

Daher ist das Ende auch nicht so wie im Stummfilm. Hutter, zum Vampir geworden, zitiert aus Paul Celans „Todesfuge“: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“

Buttgereit benutzt expressionistische Stilelemente wie das Schattenspiel, ähnlich wie bei dem „Cabinet des Dr. Caligari“, dazu kommt die übertriebene schauspielerische Art und Weise wie sie in Stummfilmen üblich war. Natürlich durften auch die typischen Texttafeln nicht fehlen.

Alle Schauspieler haben toll gespielt und waren sehr überzeugend. Wobei Uwe Rohbeck einfach ein Glücksgriff in den Stücken mit Jörg Buttgereit ist. Ob als Serienmörder, Elefantenmensch oder als Vampir. Max Schreck wäre sicherlich sehr stolz gewesen, wenn Rohbeck sich mit seinen langen schwarzen Fingernägeln und seinen weißen Händen, die wie Spinnenbeine wirkten, Ellens Hals näherte.

Pianist Kornelius Heidebrecht hat den Film nicht nur mit seiner Musik begleitet, sondern auch die passenden Effekte dazu geschaffen, das natürlich alles live.

Neben Uwe Rohbeck standen noch Ekkehard Freye als Hutter, Annika Meier als Ellen und Andreas Beck als diabolischer Hausmakler Knock auf der Bühne.

Es war ein Erlebnis, man wird sofort in das Stück gezogen, und bleibt von der Atmosphäre des Stummfilms im Theater fasziniert. Ein absolut sehen wertes Stück. Es bleibt zu hoffen, dass es noch weitere Termine gibt, denn die bisher bekannten sind ausverkauft.