Wie klingt Radioaktivität?

Ein Klangkokon von Denise Ritter.
Ein Klangkokon von Denise Ritter.

Die Ausstellung „mex21“ zeigt vom 30. November 2013 bis zum 12. Januar 2014 Positionen von Klangkünstlern. 21 neue und bekannte Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland zeigen ihre Positionen im Künstlerhaus Dortmund.

 

Radioaktivität klingt eigentlich nicht, sie strahlt nur. Doch wenn man einen Geigerzähler mit einem Glasobjekt und einem Lämpchen kombiniert, wie es Soichiro Mihara in seinem Objekt „bell“ getan hat, macht man Radioaktivität nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar. Denn in unserer Umgebung gibt es die natürliche Hintergrundstrahlung. Somit blinkt die Lampe und das Glöckchen bimmelt. Miharars Werk hat einen ernsten Hintergrund, denn es bezieht sich auf das Fukushima-Desaster.

 

Viel Zeit muss der Betrachter mitbringen bei „Novaya Zemlya“ von Thomas Köner. Das Werk aus eigenen Fotos sowie „Field Recordings“ aus „Novaya Zemlya“ einer künstlichen Weite dauert 40 Minuten. Hier verliert der Betrachter durch die meditative Komposition das Zeitgefühl.

 

Noch mehr Zeit mitbringen müssen die Besucher bei Phill Niblocks „Movement of People Working“. Niblock hat über Jahrzehnte die Dynamik körperlicher Arbeit dokumentiert und mit ausgedehnten Drones und weiteren akustischen Veränderungen kombiniert.

 

Ähnlich wie Köner beschäftigt sich auch Denise Ritter mit Field Recording. Sie hat die Geräusche des Ruhrgebiets anhand eines Mikrophons an ihrer Kleidung gesammelt. Diese Geräusche werden über Lautsprecher, die in Kokons eingewickelt sind, wiedergegeben. Hätte eine Raupe Ohren, würde sie in ihrem Kokon auch die Umgebungsgeräusche mitbekommen, bevor sie zum Schmetterling wird. Der Mensch reagiert vor seiner Geburt vermutlich auf die Umweltgeräusche.

Ritter kommt aus Saarbrücken und kommt zum Ergebnis: „Das Ruhrgebiet ist viel lauter als Saarbrücken.“

 

Das Werk „TACET“ von Ulla Rauter ist ungewöhnlich für eine Soundausstellung, denn der Schriftzug „TACET“ leuchtet nur dann, wenn Stille herrscht. „Tacet“ ist eine Spielanleitung für Musiker, besser gesagt, eine Nicht-Spielanleitung. Es heißt übersetzt „Er/sie schweigt.“ Ohne die Stille wertzuschätzen, kann man auch den Klang nicht wertschätzen.

 

Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler: Terry Fox, Olaf Hochherz, Rolf Julius, Thomas Köner, Soichiro Mihara, Phill Niblock, Ulla Rauter, Denise Ritter, Kathy Scheuring / Georg Reil, Ralf Schreiber, Anke Schulte-Steinberg und Florian Zeeh.

 

Die Ausstellung ist eine Kooperation des Künstlerhauses Dortmund und mex – Gesellschaft für intermediale und experimentale Musikprojekte.

 

Passend dazu gibt es ein Konzert im Künstlerhaus am 30.11. 2013 mit Sam Ashley (USA), Pascal Battus / Alfredo Costa Monteiro (F/E) und Gert-Jan Prins (NL). Der Eintritt kostet 8 €.

 

Die Öffnungszeiten des Künstlerhauses (Sunderweg 1) sind Donnerstag bis Sonntag 16 bis 19 Uhr.

Der Stillemelder "TACET" von Ulla Rauter.
Der Stillemelder „TACET“ von Ulla Rauter.




Doppelausstellung zum Thema Identität

Sabrina Richmann (links) und Conny Höflich präsentieren ihre Werke im Projektraum Fotografie.
Sabrina Richmann (links) und Conny Höflich präsentieren ihre Werke im Projektraum Fotografie.

Mit der Doppelausstellung von Sabrina Richmann „weil alles fortläuft, jeden Tag“ und Conny Höflich „Bye-bye, Belyn“ präsentiert der Projektraum Fotografie zwei unterschiedliche Künstlerinnen und unterschiedliche Herangehensweisen an die Frage der Identität.

Belyn. Der Ort klingt fast so wie Berlin, aber ist vermutlich das komplette Gegenteil der Hauptstadt. Denn er ist so klein, dass sich nicht einmal in der Wikipedia Spuren dieses kleines Dorfes finden, so dass wir Conny Höflich vertrauen müssen, dass es in Brandenburg ist. In ihrer Bildern dreht sich alles um die Frage, die sich die Jugendlichen stellen „Kann ich hier bleiben?“. Eigentlich haben sie ihre Identität als Dorfjugend gefunden. Belyn ist ihre Heimat, doch die Infrastruktur zerfällt. Kaum Läden und kaum Arbeitsplätze, wer etwas werden möchte, muss von hier weg. Die ausgestellten Schwarz-weiß Bilder von Höflich verstärken diese Melancholie noch. Der Betrachter stellt sich unwillkürlich die Frage, wie sieht’s dort wohl 2030 aus? Ist das Leben dort noch trister und mühevoller? Sind dann alle Jugendlichen weg? Ihre Bilder stammen aus dem Zeitraum 2004 bis 2007. Im Jahr 2011 ist in der Edition 365 des expose-Verlags das gleichnamige Buch erschienen „Bye-bye, Belyn: In einem Dorf in Brandenburg“.

 

Bei den Farbfotos von Sabrina Richmann handelt es sich um eine Diplomarbeit über die sogenannte „Generation Y“, die um die Jahrtausendwende Teenager waren. „Viele wissen nicht, wohin sie gehen“, erzählte Sabrina Richmann. „Sie wechseln das Studium, probieren neue Wege“. In ihrer Arbeit hat sich nicht nur auf die Bildebene gesetzt, sondern fügte auch noch eine Textebene ein. So benutzte sie das Buch „Fragebogen“ von Max Frisch, um mit den Porträtierten ein zweistündiges Interview zu führen. Einige der Zitate waren auch zwischen den Fotos zu sehen. Richmann reiste drei Monate durch Deutschland und nahm einige Stimmungsbilder auf, die die Porträts ergänzen. Richmann war es wichtig, nicht ihren Freundeskreis vor die Kamera zu bitten, sondern Freunde von Freunden. So reiste sie von Kiel über Würzburg bis hin nach Paulinenaue, einem kleinen Dorf in Brandenburg. Wenn man so will, schließt sich hier wieder der Kreis zur Ausstellung von Höflich.

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Januar 2014 zu sehen, der Projektraum Fotografie in der Huckarder Straße 8-12 ist geöffnet donnerstags von 16 bis 19 Uhr und samstags von 14 bis 18 Uhr.




Wenn Kleider Leute machen

Herline Koelbl vor der Schornsteinfegerin (links privat / rechts offiziell).
Herline Koelbl vor der Schornsteinfegerin (links privat / rechts offiziell).

Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund zeigt vom 30. November 2013 bis zum 2. März 2014 die Ausstellung „Kleider machen Leute“ der konzeptionell arbeitende Fotokünstlerin Herlinde Koelbl. Diese Schau entstand in langjähriger Arbeit im In-und Ausland zwischen 2008 und 2012.

Gezeigt werden die Körper 70 verschiedener Menschen aus verschiedensten Berufsgruppen in Doppelporträts. Auf der rechten Seite sehen wir den General, Bischof, den Feuerwehrmann, die Krankenschwester, die Richterin in Karlsruhe, die japanische Geisha, der Kellner, den Koch, die Schornsteinfegerin, den Pagen und viele mehr in ihren Standesuniformen und Funktionen. Dagegen sind sie auf der linken Seite in der Kleidung abgelichtet, die sie sonst zuhause ganz privat tragen. Neben den großformatigen Fotografien sind kurze Interviews mit den Personen als Text zu lesen.

 

„Die Idee für diese Ausstellung kam mir bei einem Urlaub im ehemaligen Jugoslawien. Die Kellnerin, vorher in ihrer schwarzen Uniform mit weißer Schürze kam mir kurze Zeit spät in einer bunten Kittelschürze ohne Ärmel entgegen. Ich hätte sie fast nicht wiedererkannt und hatte eine ganz andere Wahrnehmung von ihr“, erklärte Koelbl. Sie fügte hinzu: „Ich wollte die Personen nicht in ihrem Umfeld fotografieren, denn der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Deshalb habe ich einen grauen oder weißen Hintergrund gewählt. Es war mir wichtig, die Wandlung der unterschiedlichen Menschen in ihrer Funktion und als Privatpersonen zu zeigen. Außerdem sollten sie nicht in keiner Freizeitkleidung, sondern in ihrer ganz privaten Wohlfüllbekleidung fotografiert werden.“

 

Es zeigte sich, dass die fotografierten Personen tatsächlich eine andere Haltung in ihrer Standeskleidung einnahmen als in ihrer privaten Kleidung. Das gestiegene Selbstbewusstsein ist ihnen in ihrer Uniform anzusehen. „Es ist, als ob sie einen Schalter umlegen, wenn sie ihre private Kleidung anziehen“, so Koelbl.

 

So trägt zum Beispiel eine Person die einen Beruf ausübt, bei der sie eine beengende Uniform tragen muss gerne zu hause eine legere Kleidung. Uniformen repräsentieren aber weit mehr. So steckt zum Beispiel in der selbstbewussten Haltung und dem Auftreten des Piloten der Lufthansa das Wissen um die enorme Verantwortung.

 

„ In meiner Standes-Uniform werde ich ganz anders wahrgenommen und trete aus der Masse als Individuum heraus“, so sagt es zum Beispiel eine fotografierte Geisha aus Japan in ihrem Interview.

 

„Wir müssen die ganze Sache aber beidseitig betrachten. Der Betrachter der Fotografien kommt auch schon mit einer bestimmten Einstellung zu den verschiedenen Berufsgruppen in die Ausstellung.Wir verhalten uns ja auch unterschiedlich, wenn uns der Arzt in seinem weißen Kittel oder als Privatmensch begegnet“, erläuterte Koelbl.

 

So können „Berufsuniformen“ einerseits das Selbstbewusstsein stärken, lenken aber auch die Aufmerksamkeit auf die Person und erwecken einen ganz bestimmten, mit der Uniform verbundenen Erwartungsdruck.

 

Begleitend zur Ausstellung finden an jedem Sonntag von 11.30 bis 12.15 Uhr öffentliche Führungen statt. Die Teilnahme kostet zwei Euro. Gruppenführungen können unter (0231) 50-26028 gebucht werden.

 

Ein Tipp besonders für Kinder ab sechs Jahren ist der Workshop „Wer bin ich“, für Jugendliche ab zwölf Jahren der Workshop „Pimpen, Posen, Posten“. Die Teilnehmenden besuchen zunächst die Ausstellung und werden anschließend unter der Anleitung des Fotografen Hannes Woidich selbst aktiv. Die Workshops beginnen am 8. Januar 2014. Anmeldung und weitere Information unter Telefon (0231) 50-26028 und in Internet unter info.mkk@stadtdo.de.

 

Der 232 Seiten starke, mit 186 Farbabbildungen versehene Katalog „Kleider machen Leute“ erschien im Hatje Cantz Verlag, Ostfildern. Er ist im Museum für Kunst und Kulturgeschichte und im Buchhandel für 39,90 Euro erhältlich.

 

Der Eintritt in die Schau kostet sechs Euro, ermäßigt drei Euro. Das Kombiticket, das auch den Besuch der Dauerausstellung und der Weihnachtsausstellung im Studio ermöglicht, kostet acht Euro, ermäßigt vier Euro. Bis 18 Jahre ist der Eintritt frei.

Öffnungszeiten des Museums für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastraße 3, Dortmund: Dienstag, Mittwoch, Freitag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag von 10 bis 20 Uhr, Samstag von 12 bis 17 Uhr.




Wo bitte geht’s hier zum Ghetto?

Marcel Feige alias MArtin Krist auf der Suche nach den dunklen Ecken Dortmunds.
Marcel Feige alias Martin Krist auf der Suche nach den dunklen Ecken Dortmunds.

Die Nordstadt, Mittwoch Nachmittag um 14:30 Uhr. Fast ein Stadtteil wie jeder andere. Nichts zu sehen von den Schreckensmeldungen, die ab und an über die Nordstadt verbreitet werden. Selbst die Frauen in der Linienstraße schauen traurig und gelangweilt. Wir sind zusammen mit Autor Marcel Feige, besser bekannt als Martin Krist, auf Recherchetour in der Nordstadt. Feige soll eine Kurzgeschichte für die kommende Anthologie „Mord am Hellweg“ schreiben und sucht Inspiration in dem verrufenen Viertel.

 

Nachts sind alle Katzen grau, doch tagsüber stellt sich alles irgendwie ganz anders da. Die Linienstraße kaum frequentiert, die Münsterstraße entpuppt sich als normale Einkaufsstraße und der Nordmarkt liegt still und starr. Nichts zu sehen oder zu hören von Problemen mit Sinti und Roma, Drogenhandel, oder gar von „Sexy.Hölle.Hellweg“ wie die siebte Anthologie von „Mord am Hellweg“ heißen wird. Das größte Problem ist, um drei Uhr nachmittags in der Nordstadt ein Café zu finden, um einen Kaffee zu trinken. „Es ist ein Problemviertel wie es jede Stadt hat“, konstatiert Feige und trifft wohl damit den Nagel auf den Kopf. Die Nordstadt ist weder die Bronx in New York, noch ein von Gentrifizierung bedrohtes Viertel. Ein Problembezirk mit vielen Risiken, aber sicher auch einigen Chancen, vor allem für Künstler, die sich immer öfter in der Nordstadt niederlassen.

 

Dem Wahl-Berliner (Feige stammt ursprünglich aus Kevelaer) fällt natürlich etwas anderes auf: Die ganze Stadt lebt den örtlichen Fußballverein Borussia Dortmund. Es ist unmöglich und vermutlich auch zwecklos, den Schwarz-Gelben zu entkommen. Trotz Besuch des Dortmunder U, dem neuen Kulturleuchtturm, ist der Fußball, der die Stadt prägt. Um die ganze Bandbreite der Stadt kennenzulernen, war Feige auch im Kreuzviertel, das man mit viel gutem Willen als „Latte Macchiato-Viertel“ bezeichnen könnte.

 

Aber Marcel Feige hat noch einige Wochen Zeit, um als Martin Krist einen 12-seitigen Krimi zu schreiben. Ende März bis Mitte April ist Abgabetermin. Es muss auf jeden Fall ein Mord in die Kurzgeschichte integriert werden. Das eigentliche Festival „Mord am Hellweg“ findet dann vom 20. September bis 15. November 2014 statt.

 

Infos über das Festival „Mord am Hellweg“ im Internet: http://www.mordamhellweg.de/

Infos über Marcel Feige alias Martin Krist http://martin-krist.de/