Ist Sisyphos glücklich?

Normalerweise ist die Figur aus der griechischen Mythologie zu bedauern: Ständig muss Sisyphos einen Stein einen Berghang hochrollen. Kurz vor dem Ziel entgleitet der Stein dem armen Kerl und er muss von neuem anfangen. Daher leitet sich der Begriff Sisyphusarbeit ab, eine sich ständig wiederholende; doch sinnlose Arbeit. Das Theater im Depot präsentierte am 08. November die Premiere des Stücks „Play Sisyphos – Ein Mysterienspiel“ unter der Leitung von Gregor Leschig mit Menschen, die unterschiedliche Schauspielerfahrungen haben.

Was ist Arbeit? Was bedeutet mir Arbeit? Diese Fragen stellt das Stück in den Mittelpunkt. Konkret geht es um Marga, deren Arbeit es ist, Leuten, die zu ihr geschickt werden, Bewerbungstraining angedeihen zu lassen. Sie spult ihr Programm herunter, wohl auch in dem Wissen, auf konkrete Fragen der Teilnehmer keine Antwort zu haben. Zu ihrem Leidwesen macht ihr Sohn statt einer Lehre ein Praktikum in einem Theater, ihre Tochter will unbedingt bei einem Casting dabei sein. Da überzeugt sie ein unbekannter Mann, in den Hades zu kommen, um dem armen Sisyphos eine Pause zu gönnen und die ganze mühselige Arbeit wäre für die Menschen vorbei.

Leschig inszeniert das Theaterstück als ein „Stück im Stück“. Auf der linken Bühnenseite steht ein Besprechungstisch, an dem Leschig und seine Schauspieler sitzen und für bestimmte Szenen des Stückes auf die andere Seite gehen. Hinzu kommen Videoeinspielungen und Lichteinstellungen.

Was passiert mit Marga (Gespielt von Leonore Franckenstein) nach ihrem Gang in des Hades? Hier wird sie mit verschiedenen Aspekten der Arbeit konfrontiert. Zunächst versucht die Arbeit sich als Art „Geliebte“ wieder in Margas Herz zu schmuggeln, doch vergebens. So schnell will Marga ihr monotones Arbeit nicht wieder. Auch der Alkohol tritt auf, als Mittel, die Arbeit erträglich zu machen. Er hat aber Probleme mit seinem Selbstverständnis, schließlich ginge es auf der Erde immer mehr um „Komasaufen“. Auch Zeit und Geld treten als Metaphern auf. Das eine bedingt das andere: Mehr Zeit, weniger Geld oder mehr Geld weniger Zeit. Aber am schlimmsten sei: Verlorene Zeit ohne Gewinn. Marga wird auch mit dem süßen Gift des Müßiggangs konfrontiert und gibt sich erst den Verlockungen hin. Doch Sisyphos scheint nirgends zu sein. Letztendlich erkennt sie, dass ihr unbekannter Begleiter immer Sisyphos war, der aber gar nicht so unglücklich ist. Denn zum mühsamen Hinaufrollen, gehört auch den „Stein zurückrollen zu lassen, wohin er gehört.“ Das ist ebenfalls ein Aspekt von Arbeit. Denn „wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“, schreibt Albert Camus in seinem Essay „Die Pest“. Denn alle Aspekte, die negativen wie die positiven gehören zu Arbeit dazu.
Schließlich kommt Marga wieder zurück auf die Erde. Erneut in ihr Beratungszimmer.

Das Stück beleuchtet sehr gut die einzelnen Aspekte, die der Begriff Arbeit für den Menschen beinhaltet. Sowohl die Guten wie Schlechten. Die „Arbeit“ ist in der heutigen zeit komplexer geworden. Alte Formen sterben aus, neue werden geboren. Die Generation Praktikum hat mit anderen Problemen zu kämpfen als die Generationen vorher. Was ist sinnvolle Arbeit? Die vielleicht sogar Spaß macht? Wie verändert sich Arbeit bei einem Bedingungslosen Grundeinkommen? Diese Frage wird (leider) nicht gestellt. Es wäre aber spannend geworden.
Das ist vielleicht das einzige kleine Manko, bei dem ansonsten sehr engagiert spielenden Ensemble.




Dortmunder Ballett funkelte in drei Farben

Da sind sie, die Kakteen: Aus dem Stück "Cacti" von Alexander Ekman. (Foto: © ©Bettina Stöß / Stage Picture)
Da sind sie, die Kakteen: Aus dem Stück „Cacti“ von Alexander Ekman. (Foto: © ©Bettina Stöß / Stage Picture)

Drei verschiedene Choreographien mit drei unterschiedlichen Tanzstilen zeigte das Ballett Dortmund bei der Premiere von „Drei Farben: Tanz“ am 09-November im Dortmunder Opernhaus. Die Choreographen Douglas Lee, William Forsythe und Alexander Ekman zeigten, wie verschieden heutiger Tanz sein kann und welche unterschiedlichen Stimmungen damit kreiert werden können. Quasi ein Triptychon des Tanzes.

Begonnen wurde der Abend mit der Uraufführung von „PianoPiece“ des Engländers Douglas Lee. Der Blick auf die Bühne bot ungewöhnliches: Vier Klaviere und sieben Tänzerinnen und Tänzer. In den acht Szenen wechseln die Stimmungen von dunkel und düster zu dynamisch und schwungvoll. Für die Musik von „PianoPiece“ benutzt Lee neben Franz Schubert vor allem zeitgenössische Klaviermusik niederländischer Komponisten. Neben der Musik spielt auch das Licht eine große Rolle. Die Tänzerinnen und Tänzer benutzten die Klaviere als Requisite, tanzten mal auf, mal neben den Instrumenten und verschwanden auch halb im Boden der Bühne. Beeindruckend war der Wechsel zwischen Bewegung und Stillstand. Waren eben noch fließende Bewegungen der Tänzer zu sehen, stoppen sie auf auf Kommando und blieben wie eine Statue stehen.

 

Nach einer kleinen Pause ging es mit „The Vertiginous Thrill of Exactitude“ (Schauder der Exaktheit) nach der Choreographie von William Forsythe weiter. Dem Publikum bot sich nun ein bunteres Bild. Die drei Tänzerinnen Monica Fotescu-Uta, Risa Tateishi, Sakura Sakamoto trugen in einem hellen Olivton gehaltenen Ballettkleider und Howard Quintero Lopez und Gal Mazor Mahzari standen ihnen in roter Bekleidung vor einem blauen Hintergrund zur Seite. Die Choreographie mit neoklassischen Elementen machte dem Titel „Schauder der Exaktheit“ aller Ehre. Nach Franz Schuberts neunter Sinfonie entfachten die Tänzer ein schwindelerregendes Feuerwerk für die Sinne. Dabei werden die Schranken des traditionellen klassischen Tanzes überschritten und altes Regelwerk mit neuen Bewegungsformen gespeist.

 

Dass hohe Tanzkunst durchaus mit Humor und Slapstick kombiniert werden kann, zeigte Alexander Ekmans Choreographie „Cacti“.Hier war fast das komplette Dortmunder Ballettensemble beteiligt. Zuerst hatte man das Gefühl, dass hier Michael Jacksons „Thriller“-Video als Ballett aufgeführt wurde. Die Tänzerinnen und Tänzer schienen aus den Gräbern eines imaginären Friedhofs zu kommen. Doch was am Anfang wie ein Grabplatte aussah, entpuppte sich als universale Requisite: Rechteckige schmale Kästen auf denen man tanzen oder hinter denen man sich verstecken konnte. Gegen Ende wurden sie sogar zu einer finalen Skulptur. Atemberaubend war, was Ekman von den Tänzern abverlangte. Der Höhepunkt des Stückes war das Duett von Risa Tateishi und Arsen Azatyan. Begleitet von „Spoken words“ vermischten sich Tanz und Text zu einer Einheit, sehr komisch interpretiert zum Vergnügen des Dortmunder Publikums.

Auch die Musik war ungewöhnlich, denn sie wurde teilweise live gespielt. Mit auf der Bühne standen Alexander Prushinsky (Violine), Frank Rudolph (Violine), Roman Nowicki (Viola) und Franziska Batzdorf (Cello). Zu Melodien von Beethoven, Schubert und Haydn gaben die Musiker den Takt an.

 

Dieser Abend zeigte nicht nur, welche Farben im Tanz möglich sind, sondern stellte auch die Fähigkeiten des Dortmunder Ballettensembles unter Beweis. Alle Beteiligten wurden zum Schluss mit Standing Ovation gefeiert. Ein Muss für Ballettfans und die, die es werden wollen. Noch zu erleben am 17. November 2013, 30. November 2013, 27. Dezember 2013, 31. Januar 2014, 06. Februar 2014 und 07. März 2014.