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Die Kehrseite der Medaille

Peer Oscar Musinowski, Tilman Oestereich und Ekkehard Freye. (Foto: ©Birgit Hupfeld)
Peer Oscar Musinowski, Tilman Oestereich und Ekkehard Freye. (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Mit seiner verzweifelten Liebeserklärung an das Runde im Eckigen „You’ll never walk alone“ startete Schauspieler und Regisseur Björn Gabriel mit seinen Mitstreitern den Versuch, im Institut des Dortmunder Schauspiels einerseits der Faszination des Ballspiels näher zu kommen, andererseits einen philosophisch kritischen Blick auf dessen Rolle als „Opium“ für das Volk“ zu beleuchten. Die Premiere der Inszenierung war sinniger Weise am Tag des Chapions-League-Finale zwischen Real und Atletico Madrid am 24. Mai 2014.

In den Stadien der Welt wird die Fußball-Hymne „You’ll never walk alone“ mit Inbrunst und Leidenschaft gesungen. Nirgendwo sonst erleben die Zuschauer ein Gemeinschaftsgefühl über alle Generationen und Gesellschaftsschichten hinweg und eine solche Dichte von wechselnden Emotionen. Dieser Mikrokosmos gibt den Menschen in einer besonderen Art Halt. Es vermittelt das Gefühl, in einer bedrohlichen, unberechenbaren Welt „nicht alleine“ zu stehen. Alle fiebern ohne unterschied mit „ihrer Mannschaft“ mit. Sie trauern bei Niederlagen und sind euphorisch, wenn der eigene Fußball-Verein gewinnt. Ist es so, wie Friedrich, Schiller schreibt, der Mensch nur dann ganz Mensch ist,wo er spielt? Zählt nur noch „Unterhaltung“ und Ablenkung von den wirklichen gesellschaftlichen Problemen wie etwa die zunehmende soziale Verelendung vieler Menschen, Bürgerkriegs-Gefahr und Umweltzerstörung…

Die Bühne war wie in einer griechischen Tragödie als Tempelanlage ausgestattet. Mit der Liebesgöttin Venus auf der linken Seite, einer dreistufigen Treppen und auf beiden Seiten griechische Säulen. Gabriel personalisiert diese Ambivalenz durch die beiden Schauspieler Peer Oscar Musinowski als begeisterter Fußball-Fan und Ekkehard Freye als Gegenpart, der die andere Seite repräsentierte. Freye zeigt mit viel Engagement die „Doppelmoral“ im Fußball-Geschäft auf. Die menschlichen Opfer, zum Beispiel durch die inhumane Umsiedlungspolitik, Korruption und Milliardenkosten für die Fußball WM in Brasilien bei sozialem Elend der Bevölkerung, oder aktuell die drohende Niveau-Nivellierung in vielen Bereichen durch das Freihandelsabkommen mit den USA.

Eine besondere Glaubwürdigkeit und Leidenschaft verlieh Oscar Musinowski, auch im wirklichen Leben ein ehemaliges Fußballtalent der Hertha BSC-Jugend (nach einer schweren Verletzung Model, dann Schauspieler) seiner Rolle. Der Humor kam in der Aufführung nicht zu kurz. Wunderbar, die Verfolgungsjagden der beiden Schauspieler im Stil von „Tom und Jerry“.

Der feierliche Charakter einer Show wurde mit Kleidung von Musinowski, er trug eine schwarzen Anzug , weißes Hemd und Lackschuhe , unterstrichen. Von Jan Voges projizierte zunächst einige emotionale und faszinierende Momente des Fußballs, wie zum Beispiel Ausschnitte aus den deutschen WM-Siegen oder dem Champions-League Sieg 1997 des BVB per Video auf die große Leinwand. Hinzu gesellte sich Tilman Oesterreich, der für Licht verantwortlich war.

Video-Einspielungen spielten dann auch eine bedeutende Rolle bei der Inszenierung. So wies Ensemble-Mitglied Bettina Lieder mit viel Ironie auf die – vor allem – männlichen „Spieltrieb“ hin und die Unterteilung in „Homo ludens“ (Der spielende Mensch) und den „Homo faber“, den aktiv verändernden, schaffenden Menschen. Später ließ sie die beiden Männer bei dem Quiz 1,2 oder 3, ( bekanntes Kinder-Quiz Ende der 70iger Jahren von Michael Schanze). Absurd wurde die Situation, als sich herausstellte, dass in einer Fragerunde alle drei menschenverachtenden Äußerungen von FIFA-Präsident Joseph S. Blatter als Antwortlösung zutrafen. Gegen Ende traten neben Lieder auch noch Eva Verena Müller und Julia Schubert als Art „Sirenen“ auf, die die Männer bezirzten.

Ob sie damit Erfolg haben? Denn für einen richtigen Fußballfan ist sein Verein „wichtiger als Frau und Geld“, wie es in einem Fangesang heißt.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Endlichkeit hinterlässt bei den meisten Menschen eine Lücke, ähnlich wie eine Freistoßmauer. Fußball füllt die Lücke, die früher überwiegend von der Religion ausgefüllt wurde. Sie verhindert aber auch die, auch hier die Parallele zur Religion, Beschäftigung mit den realen Problemen.

Weitere Aufführungstermine sind der 05. und 18. Juni. Es ist geplant, das Stück in der nächsten Spielzeit wieder aufzunehmen.

Karten und Infos unter 0231 50 27222 oder www.theaterdo.de

Beide Seiten der Faszination

Ups. hat vielleicht ein wichtiges Tor Oscar Musinowski umgehauen? Ekkehard Freye hilft ihm hoch.
Ups. hat vielleicht ein wichtiges Tor Oscar Musinowski umgehauen? Ekkehard Freye hilft ihm hoch. (Foto: © Birgit Hupfeld)

König Fußball regiert die Welt. In Dortmund ist dies besonders spürbar, wenn der hiesige Ballspielverein spielt. Doch lassen wir uns in unserer Faszination für den Kick zu sehr von anderen Problemen ablenken? Brot und Spiele halt…Björn Gabriel geht auf Spurensuche in seinem Stück „You’ll never walk alone“. Die Premiere ist am 24. Mai um 20 Uhr im Institut.

 

Es sei eine „verzweifelte Liebeserklärung“ an den Fußball, so Autor und Regisseur Björn Gabriel. „Wenn man sieht, wie lang und breit über ein nicht gegebenes Tor im Pokalfinale diskutiert wird, während andere Dinge wie das geplante Freihandelsabkommen oder die Situation um Edward Snowden in den Hintergrund geraten – da stimmen die Maßstäbe nicht mehr.“

 

Gabriel, der selber lange Zeit Fußball gespielt hat, untersucht die Faszination Fußball mittels vier Menschen, von denen zwei Fußballfans sind und zwei Fußball ablehnen. In dieser dialektischen Situation wird das Spiel unter die Lupe genommen.

 

Dazu gibt es Videoprojektionen, die teils berühmte Szenen aus Fußballklassikern zeigen, andererseits aber auch Einspieler mit den Schauspielerinnen Bettina Lieder, Eva Verena Müller und Julia Schubert zeigen. Sie sind eine Art Sirenen, die die Bedeutungsebene erweitern sollen.

 

Live zu sehen sind Ekkehard Freye, Peer Oscar Musinowski, Tilman Oesterreich und Jan Voges.

 

Ars tremonia sprach bereits im Vorfeld mit Björn Gabriel. [vsw id=“eE6wq8iIncg“ source=“youtube“ width=“425″ height=“344″ autoplay=“no“]