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Wenn Thomasmänner auf Reisen gehen

Die einen brauchten Fett, die anderen brauchten Dünger. So war es nur logisch, dass Stahlarbeiter von Hoesch Urlaub in der Gemeinde Ladbergen (Tecklenburger Land) machten. Im Gepäck hatten sie Thomassmehl, ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Thomasstahl, das aber viel Phosphor enthielt. Daher wurden sie Thomasmänner oder Thomaskerle genannt. Begonnen hatte die Tradition direkt nach dem Zweiten Weltkrieg und hielt bis Mitte der 50er Jahre. Wilfried Stockhaus, ein Mitarbeiter des Hoesch-Museums, hat die Geschichte der Thomasmänner in den „Industriegeschichtlichen Blättern“ zusammengestellt. Es ist für 3 € im Hoesch-Museum erhältlich.

„Wir brauchten Fettigkeiten“, erzählte Horst Klaffke, einer der Zeitzeugen. Er kam 1955 als Urlauber nach Ladbergen. Dafür, dass sie verpflegt wurden, bekamen die Bauern das sogenannte Thomassmehl, ein Phosphat-haltiges Abfallprodukt der Stahlherstellung, das als Düngemeittel hochbegehrt war. Neudeutsch würde man von einer Win-Win-Situation sprechen. Der Urlaub dauerte 14 Tage. Das Essen bekam Klaffke zunächst auf sein Zimme, doch er „wollte bei den Bewohnern essen“ und stellte fest, dass auch bei den Bauern nicht jeden Tag Fleisch auf dem Tisch kam.

Thomassmehl war aber auch für die Daheimgebliebenen wichtig, denn es wurde gegen Kartoffeln oder Lebensmittelmarken eingetauscht. Noch bis in die 70er Jahre wurde Thomasmehl in den Geschäften von Hoesch verkauft, vor allem von Arbeitern, die einen Schrebergarten hatten.

Insgesamt waren über die Jahre verteilt mehr als 10.000 Werksangehörige in Ladbergen. Etwa 1.000 pro Jahr durften ihren Urlaub dort verbringen. Natürlich entstanden auch längerfristige Beziehungen von Thomasmännern zu ihren Gastfamilien, so gab es Wiedersehensbesuche und Ehen wurden geschlossen.