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Eine bunte Operetten-Gala

Unter dem Titel „Bei einem Tee à Deux“ lud Moderator Kammersänger Hannes Brock am Sonntag, den 18.09.2016 die Freunde der Operette wieder in das Dortmunder Opernhaus. Musikalisch begleitet wurde das vielseitige und bunte Programm des Abends von der Dortmunder Philharmoniker unter der locker-leichtfüßigen Leitung von Philipp Armbruster.

Sie begannen das Programm mit der Ouvertüre aus der „Lustigen Witwe“ von Franz Lehár.

Der Chor des Theaters Dortmund stand den acht hochkarätigen Interpreten bei einigen Nummern, wie etwa Emily Newton bei „Heia, heia, in den Bergen“ aus Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“, tatkräftig zur Seite. Passend zu den jeweiligen Operetten wurden Fotos aus den entsprechenden Aufführung früherer Jahrzehnte in diesem Haus an die linke Wandseite projiziert. Neben Emily Newton versprühten Tamara Weimerich, Ashley Thouret und Almerija Delic Witz, Temperament und Freude am Gesang und Bewegung.

Auch die vier männlichen Pendants, Morgan Moody, Fritz Steinbacher, Luke Stoker und Joshua Whitener boten neben ihren guten Stimmen auch Kostproben ihres komödiantischen Talents.

So musste Luke Stoker beim „Fliegenduett“mit Ashley Thouret aus Jacques Offenbachs „Orpheus in der der Unterwelt“ zur Freude des Publikums in einem ganz besonderem „Insektenkostüm“ auftreten. Das tat er mit viel Sinn für Humor.

Einen Ausblick auf die Premiere von „Blume von Hawaii“ (Paul Abraham) im Januar 2017 gaben Tamara Weimerich und Morgan Moody mit dem komisch-lustigen Duett „Ich hab ein Diwanpüppchen“.

Die Bandbreite des Abends reichte von Operetten wie „Zigeunerliebe“ (Franz Lehár), Melodien aus Musicals wie „Maria“ aus Leonard Bernsteins „West Side Story“, weniger bekannten Stücken wie „Leise, ganz leise“ aus „Ein Walzertraum“ von Oscar Straus bis zu „If I loved you“aus „Carousel“ von Richard Rogers.

Ks. Hannes Brock bewies nicht nur als Moderator seinen gewohnten Witz und Selbstironie, sondern zeigte auch als Sänger und als Tänzer, was er alles noch drauf hat. Mit einem temperamentvollen Finale schickte das gesamte Gala-Ensemble das Publikum beschwingt nach hause.

Täter und Opfer zugleich

Ein kurzer Moment des Glücks: Emily Newton (Ellen Orford), Peter Marsh (Peter Grimes)  ©Thomas M. Jauk / Stage Picture GmbH
Ein kurzer Moment des Glücks: Emily Newton (Ellen Orford), Peter Marsh (Peter Grimes)
©Thomas M. Jauk / Stage Picture GmbH

Doppelte Premiere in Dortmund. Am 09. 04. 2016 hatte nicht nur Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“ Premiere, es war sogar das erste Mal, dass der britische Komponist in Dortmund aufgeführt wurde. Sicherlich ist „Peter Grimes“ keine leichte Kost und garantiert nicht sofort volle Opernhäuser wie etwa die eingängigen italienischen Opern, Mozart oder Wagner. Es ist zu begrüßen, dass nun mutig gegen den „Mainstream-Geschmack“ endlich auch in Dortmund eine Britten-Oper aufgeführt wird.

Peter Grimes ist eine düstere Oper mit ein wenig britischen schwarzen Humor, geprägt von der rauen See. Ort der Handlung ist die Ostküste Englands, die Heimat des Komponisten. Das einfache Bühnenbild zeigte ein heruntergekommenes Fischerdorf mit einem Pub und Kiosk in düsterer Beleuchtung. Regisseur Tilman Knabe lässt das Publikum wie durch ein Guckloch auf das Geschehen sehen. Die ursprüngliche Handlung verlegt er von den 30iger Jahren des 19. Jahrhundert der Kleidung nach zu Urteilen in die 80iger des 20. Jahrhunderts. Eine Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs und hartem Überlebenskampf der Fischer. Eine Welt von Korruption, Drogen- und Kinderhandel und Prostitution.

Der Fischer Peter Grimes ist ein gewalttätiger Sonderling und Außenseiter, der sich Kinder aus einem Armenhaus als Lehrlinge kauft, um sie zu misshandeln, auszubeuten und zu missbrauchen. Jedem in der Ortschaft ist das klar. Aber es wird weggesehen. Nur die Mrs. Sedley eine Art Opiumsüchtige Miss Marple und der Alkoholabhängige Methodist Bob Boles erheben ihre Stimme nach dem Tod eines Lehrlings bei einer Verhandlung gegen Grimes. Der stellt das Geschehen als ein Unglücksfall dar.

Mit Hilfe der Lehrerin Ellen Orford, eine Frau mit Helfersyndrom und in ihn verliebt, kommt er an einen neun Jungen als Lehrling. Der Traum von einen gemeinsamen Neuanfang und Heirat zerplatzt wie eine Seifenblase. Der Junge John wird schon bald vermisst und der erzürnte Mob jagt Grimes. Dem bleibt nur ein Ausweg….

Die Inszenierung stellt die ambivalente Persönlichkeit des Peter Grimes als Täter und gleichzeitig Opfer in den Mittelpunkt. Er ist ein gewalttätiger Mörder, der als einsamer Sonderling mit pädophiler Neigung aber auch keine Hilfe bekommt. In seiner Verzweiflung ist der Freitod für ihn die einzige Lösung. Gleichgültigkeit und Verrohung der Mehrheitsgesellschaft in seinem verarmten Heimatort entspricht der Gewalt und Unberechenbarkeit der Natur des Meeres.

Der Regisseur setzt in der Aufführung keine plakativ offensive Zeichen, aber klare symbolhafte. So lässt er den wütenden Mob mit Fackeln durch die Gegend laufen, ohne sie aber direkt (wie in Karlsruhe) als Faschisten zu kennzeichnen. Auch die pädophilen Neigungen des Peter Grimes werden nur mit Gesten angedeutet. Für Knabe ist Peter Grimes eher jemand, der seine sadistischen Triebe nicht unter Kontrolle hat, unter denen auch Ellen zu leiden hat.

Peter Marsh, Gastsänger aus Frankfurt, sang und spielte den Peter Grimes mit seiner kräftigen Statur in all seiner Ambivalenz und seiner Verzweiflung in allen Nuancen eindrucksvoll und sensibel. Emily Newton als Ellen Orford steht ihm in ihrer vielschichtigen Charakterdarstellung und Stimme in nichts nach. Die Sängerinnen und Sänger in den wichtigen Nebenrollen, ohne sie jetzt alle einzeln zu nennen, gingen in ihre verschiedenen Charakteren auf und trugen zur Veranschaulichung des gesellschaftlichen Gesamtbildes bei. Sangmin Lee hat als Kapitän Balstrode so eine Art Beschützerfunktion als „Leader of the pack“.

Der Opern und der Extrachor unter der Leitung von Manuel Pujol hatten bei der Aufführung eine herausragende Funktion. Sie waren praktisch immer auf der Bühne präsent und bildeten einen kraftvollen „Mob“.

Eine große und wesentliche Rolle spielt bei der Oper das Orchester als kommentierende Begleiter der verschiedenen Emotionen und Bedrohungen. Während der vier „Sea Intercludes“ gelang es außerdem der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz, die Gewalt der See und der Natur in all ihren verschiedenen Ausformungen und Nuancen vor dem Auge des Publikums lebendig werden zu lassen. Sie schafften eine Einheit von Musik, Gesang und Darstellung.

Leider hat das „Nicht-Wissen-wollen“ und nicht genau hinsehen auch heutzutage nichts an Aktualität verloren.

Mit Standing Ovations und „Bravo-Rufen“ wurde die gelungene Premiere vom Publikum gefeiert.

Hingehen lohnt sich!

Berührendes Melodrama in der Oper

Keine Chance für die Zukunft haben Violetta  (Eleonore Marguerre) und Alfredo (Ovidiu Purcel). Foto: © Thomas Jauk.
Keine Chance für die Zukunft haben Violetta (Eleonore Marguerre) und Alfredo (Ovidiu Purcel). Foto: © Thomas Jauk.

Am 28. November 2015 war Premiere von Giuseppe Verdis berühmten „La Traviata“ (Die vom Weg Abgekommene) nach der „Kameliendame“ „Alexandre Dumas fils) in der Oper Dortmund.

Die junge Regisseurin Tina Lanik legte den Schwerpunkt ihrer Inszenierung auf die Darstellung der Pariser Edelprostituierten Violetta Valéry als Einsame, oberflächlich lebende aber sensiblen Frau mit weichem Herz, die alles was sie macht, radikal bis zum Ende durchzieht. Die tödliche Krankheit Tuberkulose liegt dabei immer wie ein Schatten über ihr Leben.

Violetta lässt sich von den Liebesbekundungen Alfredo Germont, seinem hartnäckigen Werben berühren und wagt eine radikale Änderung ihres bisherigen Lebenswandels. Sie zieht mit Alfredo in ein Landhaus und erlebt ein kurzes Glück als dessen treue Lebensgefährtin. Diese scheinbare Idylle wird jedoch abrupt durch Alfredos Vater, dem Geschäftsmann Giorgio Germont, gestört. Der herrische Patriarch der aufkommenden Bourgeoisie verlangt von ihr, sich von seinem Sohn zu trennen, um die „Ehre“ seiner Familie wieder herzustellen. Überrascht erkennt Giorgio, dass Violetta so gar nicht in die Schablone der „ausgebufften Betrügerin und raffgierigen Prostituierten“ entspricht, sondern eine liebende Frau ist, die für den gemeinsamen Lebensunterhalt selber aufkommt. Trotz seiner Zuneigung für Violetta, setzt Alfredos Vater gnadenlos seine Interessen durch. Nun beginnt die nächste Wandlung der Violetta, zu einer Verzichtenden. Nach anfänglichen Zögern willigt sie ein, sich radikal von Alfredo zu trennen, wenn sein Vater ihm nur nach ihrem Tod von ihrem großen Opfer aus Liebe erzählt. Sie macht Alfredo vor, einen anderen zu lieben. Der ist voll rasender Eifersucht und wie ein trotziges Kind wirft ihr das beim Spiel gewonnen Geld vor die Füße verschwindet später ins Ausland. Kurz vor ihrem Tod erfährt er die ganze Wahrheit über Violettas Verzicht, kommt zu ihr und möchte krampfhaft an eine gemeinsame Zukunft glauben. Es ist aber zu spät. Wie sein herbeigeeilter Vater, die treue Freundin und Haushälterin Annina und der Doktor können sie nur zusehen, wie sie stirbt.

Eleonore Marguerre, bekannt aus verschiedenen Produktionen (wie beispielsweise Don Giovanni), überzeugte nicht nur bei der Bewältigung der hohen gesanglichen Herausforderung, sondern auch durch ihre intensive und sensiblen Darstellung der Violetta Valéry in ihrer Verzweiflung, Sehnsüchten, Radikalität und Einsamkeit. Drastisch zum Beispiel, als sie ihre blonde Perücke und Kleidung als Zeichen für das Ende ihres Leben als Edelprostituierte ablegt. Als Vertretung für den erkrankten Tenor Lucian Krasznec sprang Ovidiu Purcel von der Rheinoper als Alfredo Germont. Mit weichem Timbre und viel Emotionen stellte er www.theaterdo.desowohl den verliebten als auch eifersüchtig-beleidigten Alfredo dar. Mit großer Bariton-Stimme und Präsenz auf der Bühne begeisterte Sangmin Lee als Giorgio Germont.

Ein großes Kompliment dem Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung von Manel Pujol. Die Damen und Herren hatten ihren großen Auftritt im zweiten Akt als „Zigeunerinnen“ und „Matadore“. Zusammen mit Natascha Valentin als Flora Bervoix und Morgan Moody als Marquis d’Obigny sorgten sie für ordentlich Feierstimmung. Die weiteren Nebenrollen in „La Traviata“ fügten sich mit ihren Leistungen in das gelungene Gesamtbild ein.

Die Kostüme waren zeitgenössisch, raffiniert und bei der Farbauswahl mit Bedacht ausgewählt.

Die Bühnenausstattung war mit wenigen, stimmungsvollen Elementen wie zum Beispiel ein loderndes Feuer dezent ausgewählt.

Die Dortmunder Philharmoniker begleiteten das Geschehen musikalisch unter der Leitung von Motonori Kobayashi mit Sicherheit und Gespür für die jeweilige Stimmungslage. Die Inszenierung zeigte nicht nur das Schablonendenken der sogenannten „besseren Gesellschaft“, die Violetta keine Chance gibt, auf, sondern entlarvt auch deren gnadenlose Heuchelei und verbreiteten Voyeurismus. Ein leider immer (noch) aktuelles Thema.

Ein gelungener und begeistert gefeierte Abend für alle Opernfans.

Infos und Termine unter www.theaterdo.de

 

Ein swingendes Musical

Emily Newton (Lilli Vanessi) und Morgan Moody (Fred Graham). ©Thomas Jauk / Stage Picture GmbH
Emily Newton (Lilli Vanessi) und Morgan Moody (Fred Graham).
©Thomas Jauk / Stage Picture GmbH

Nach der Wagnerischen Tragödie „Tristan und Isolde“ wehte Lust und Lebensfreude bei der Premiere von „Kiss me, Kate“ durch das Opernhaus. Zwei fantastische Hauptdarsteller, ein gut aufgelegtes Ensemble, tolle Musik und unaufgeregte Regie schufen einen sehr gelungenen Musical-Abend. Ein Premierenbericht vom 27. September 2015.

„Kiss me, Kate“ von Cole Porter ist ein Stück im Stück. In den USA, einige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, führt Schauspieler und Produzent Fred Graham (Morgan Moody) eine musikalische Fassung von Shakespeares „Der widerspenstigen Zähmung“ auf. Als weitere Hauptrolle hat Graham Lilli Vanessi (Emily Newton) engagiert. Vanessi und Graham haben sich vor genau einem Jahr getrennt. Graham hat ein Auge auf die Sängerin Lois Lane (Nedime Ince) geworfen und Vanessi will den General Howell (Hannes Brock) heiraten. Doch alte Gefühle flammen wiede auf. Kompliziert wird es, als zwei Gangster (Fritz Steinbacher und Karl Walter Sprungala) Geld von Graham eintreiben wollen.

Regisseur Martin Duncan hat mit leichter Hand ein sehr bekömmliches Musical-Menu geschaffen. Er hatte auch sehr gute Zutaten. Mit Moody und Newton spielten und sangen zwei Darsteller, die nicht nur sehr gut singen, sondern auch sehr gut schauspielen können. Das ist für ein Musical auch extrem wichtig. Moody spielte einen Graham, der zunächst sehr selbstgefällig war, zum Schluß aber auch sentimental wurde. Newton war die Rolle der Vanessi auf den Leib geschrieben. Sie ging durch ein Wechselbad der Gefühle. Zwar sollte sie General Howell heiraten, aber Anfangs waren noch Gefühle für Graham vorhanden. Die waren vorbei, als sie den Brief las, der eigentlich an Lane gehen sollte.Erst ganz zum Schluss gibt sie die Aussicht auf ein luxuriöses, aber langweiliges Leben auf und kehrt zu Graham auf die Bühne zurück.

Zu den Höhepunkten gehörten auf jeden Fall die beiden Gangster aus Wien. Fritz Steinbacher und Karl Walter Sprungala gehörten mit ihrem Wiener Schmäh mit zu den Lieblingen des Publikums. Zudem sangen beide noch den Ohrwurm „Schlag nach bei Shakespeare“. Regisseur Duncan hatte eigentlich die Dialoge auf Deutsch sprechen lassen und die Lieder auf Englisch, bis auf dieses. „Kiss me, Kate“ hat noch einen weiteren bekannten Ohrwurm: „Wunderbar“. Dieser Walzer ist ein kleiner Seitenhieb von Porter auf die deutschsprachigen Operetten und ihre „Ich bin dein, du bist mein“-Lyrik. Ein großes Lob hat sich auch Nedime Ince verdient, die eine freche Lois Lane spielte. Ihr „Always true to you (in my fashion)“ war einer der Höhepunkte des Abends.

Für die Bühne und die Kostüme war Francis O’Conner zuständig. Er hatte die schwierige Aufgabe, quasi zwei Stücke auszustatten. Während die Rahmenhandlung in einem 40er Jahre Look gehalten war und meist einen Hinterhof in Baltimore zeigte, spielte die „widerspenstige Zähmung“ stilecht in einem Italien der Renaissance mit passenden Kostümen.

Von Wagner zu Porter: ein großer Sprung in der Musik, aber die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster schafften auch diesen Spagat mit Leichtigkeit.

Die Oper Dortmund entwickelt sich zu einem exzellenten Musicalstandort, was durch die Qualität der Produktion wie „Roxy und ihr Wunderteam“, „Jesus Christ Superstar“ und aktuell „Kiss me, Kate“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird.

Weitere Termine: Do, 01. Oktober 2015, So, 04. Oktober 2015, Fr, 09. Oktober 2015, Sa, 17. Oktober 2015, Fr, 23. Oktober 2015, So, 25. Oktober 2015, Fr, 30. Oktober 2015, So, 01. November 2015, Sa, 14. November 2015, Sa, 21. November 2015, Mi, 02. Dezember 2015, Sa, 19. Dezember 2015, Do, 31. Dezember 2015 (2x), Sa, 30. Januar 2016, So, 07. Februar 2016, Sa, 19. März 2016, So, 20. März 2016 und Sa, 26. März 2016.

Mehr Infos unter www.theaterdo.de

Am Volkswillen zerbrochen

Wenn Saul (Christian Sist) wütend wird, muss David (Ileana Mateescu) Angst haben. (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)
Wenn Saul (Christian Sist) wütend wird, muss David (Ileana Mateescu) Angst haben. (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)

Nach „Elias“ (Mendelssohn-Bartholdy) und die „Schöpfung“ (Haydn) konnte das Publikum in der Oper Dortmund am 25.04.2015 mit der Premiere von „Saul“ (Georg Friedrich Händel) zum dritten Mal ein szenisches Oratorium erleben. Die Koproduktion mit dem Staatstheater Kassel wurde unter der Regie von der Regisseurin Katharina Thoma, den Opern-Fans durch schon sieben Produktionen auch als Spezialistin für barocke Stoffe, wie zum Beispiel „Eliogabalo“ (Cavalli) bekannt, für die Dortmunder Bühne bearbeitet.

Das Libretto von „Saul“ Charles Jennens hat als biblische Grundlage das Buch Samuel.

Unter der punktgenauen und lockeren musikalischen Leitung des 1. Kapellmeisters Motonori Kobayashi spielte ein kleines Ensemble der Dortmunder Philharmoniker: Cembalo/Orgel: Wallewei Witten, Luca Di Marchi und an der Theorbe Andreas Nachtsheim.

Thoma legte bei ihrer Inszenierung ein besonderes Augenmerk auf die Wirkung der „Volksmasse“ auf das Individuum und auf dessen Umgebung. Das gibt dem Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung des „reaktivierten“ Granville Walker eine große Bedeutung und Chance, sein Können zu zeigen und einmal im Vordergrund zu stehen.

Das Bühnenbild von Sibylle Pfeiffer war minimalistisch aber praktisch gestaltet. Ein großes transparentes Plateau auf der Bühne und ein Zweites von der Decke hängend, dienten als Tempel oder Königshof. Das Deckenplateau war multifunktional verwendbar und diente als Symbol für eine höhere Macht.

Das Libretto orientiert sich überwiegend an die biblische Geschichte. Saul wird per Los zum König der Stämme Israels gewählt. Doch mit der Bürde kommt er schlecht zurecht. Schon gar nicht, als ein junger Kriegsheld, namens David, ihm die Sympathie des Volkes streitig macht. Saul verheiratet David zwar mit seiner Tochter Michal, nachdem ihm die ältere Tochter Merab abgelehnt hatte, aber plant nichtsdestotrotz Davids Tod. Saul fühlt sich von Allen verlassen und sucht in seiner Verzweiflung Rat bei den Mächten der Unterwelt. Der Geist Samuels erklärt, das Saul wegen der nicht Befolgung eines Gottesbefehls seine Herrschaft an David abtreten muss und mit seinem Sohn Jonathan auf dem Schlachtfeld ums Leben kommen wird.

Thoma legt in ihrer Inszenierung einen deutlichen Fokus auf die Psychologie der Protagonisten. Saul treibt die gefühlte Ablehnung des Volkes in eine Art bipolarer Störung. Erst sehr freundlich, dann einen Tag später zum Mord gegen David entschlossen. Saul Wahnsinn führt letztendlich zu seinen eigenen Tod. Interessant ist auch die Beziehung zwischen David und Jonathan, Sauls Sohn. Wenn beide sich treffen, ist eine deutliche homoerotische Beziehung erkennbar, die durch Jonathans Tod abrupt beendet wird. Auch Davids Trauer um Jonathan spricht Bände: „Great was the pleasure I enjoy’d in thee, And more than woman’s love thy wondrous love to me!“(Groß war die Wonne, die mir ward von dir, und mehr als Frauenlieb‘ war deine Liebe mir!)“.

Christian Sist, mit seiner überragenden Körpergröße und Stimme eine passende Besetzung für Saul,

Er zeigt die wachsende Verzweiflung, Neid und Eifersucht auf den neuen Günstling des Volkes überzeugend. Mit ihrem klaren Mezzosopran und viel Empathie spielte und sang Ileana Mateescu, schon fast spezialisiert auf „Hosenrollen“, zuletzt im „Rosenkavalier (Richard Strauss), den David.

Tamara Weimerich als zunächst hochmütige Merab, gelang auch spielerisch den Haltungswechsel gegenüber David überzeugend darzustellen. Als kongenialer Gegenpart spielte Julia Amos die sanfte Michal, der oberflächlicher Standesdünkel fremd ist.

Eine besondere Herausforderung gab es für Lucian Krasznec als Jonathan. Neben dem Vater-Sohn Konflikt gab es noch die besondere Freundschaft zu David. Die Darstellung der unterschwelligen homoerotischen Tendenz der Beziehung von David und Jonathan, wurde mit Feingefühl gemeistert.

Als vielseitiger Mann für skurrile Rolle zeigte sich wieder einmal Kammersänger Hannes Brock. Neben den Hohepriester fungierte er als Abner und als Hexe von Endor aus der Unterwelt.

Den kürzesten Auftritt hatte Min Lee. Als ein Amalekiter, der die traurige Botschaft vom Tod Sauls und Jonathans überbringt, wird er bald von David ermordet.

In der Rolle des Doeg sowie als eindrucksvolle Projektion und Stimme von Samuels Geist war Morgan Moody zu erleben.

Besonders bewegend war der Chor. Er symbolisierte die Volksmasse. Die Masse, die sich leicht formen lässt und (blind) dem nächsten „Superstar“ folgt. Frei nach dem Motto: Vox populi, vox dei – Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes. Thoma schuf mit dem Chor wunderbare Bilder, beispielsweise als sie David mit ihren Händen vor der Wut und dem Zorn Sauls schützten.

Ein großes Kompliment geht auch an die Kostümabteilung unter Irina Bartels. Sie zeigte verschiedenste epochenübergreifende Kostüme. Ob bunt barock-höfisch, einheitliches schwarz des Chores, mal ohne oder mal mit Verschleierung, oder zeitgenössische Bekleidung der Sängerinnen und Sänger. Das unterstreicht die Zeitlosigkeit des Themas. Es gibt genug Beispiele in der Gegenwart, wie schnell sich die Gunst der Bevölkerung zum Beispiel bei Politikern wenden kann.

Ein eindrucksvolles Zeichen, als am Ende bei der Ernennung Davids zum König bei der Übergabe eines Schwertes Blut am Hemd von David zu sehen ist. Symbolhaft für das Blut der Opfer der kommenden Kriege.

Ein gelungener Abend, der mit viel Beifall honoriert wurde. Die Entscheidung von Jens-Daniel Herzog, in Dortmund Oratorien auch szenisch aufzuführen, zahlt sich aus. Händels Musik passte ideal zu einer „Veroperung“, denn Händel verknüpfte in „Saul“ große Chormusik mit Arien, die mehr in Richtung der italienischen „Opera seria“ gingen. Nicht nur für Barockfreunde empfehlenswert.

Weitere Termine: Fr, 08. Mai 2015, So, 17. Mai 2015, So, 24. Mai 2015, Do, 18. Juni 2015, Sa, 20. Juni 2015 und Fr, 26. Juni 2015.

Untergang eines Manipulators

Masetto (Sangmin Lee) muss gute Miene zum bösen Spiel von Don Giovanni (Gerado Garciacano) und Zerlina (Tamara Weimerich) machen. (Foto: © ©Thomas Jauk / Stage Picture GmbH)
Masetto (Sangmin Lee) muss gute Miene zum bösen Spiel von Don Giovanni (Gerado Garciacano) und Zerlina (Tamara Weimerich) machen. (Foto: © ©Thomas Jauk / Stage Picture GmbH)

Am 08. März 2015 stand die Premiere von „Don Giovanni“ auf dem Programm des Dortmunder Opernhauses. Die Inszenierung von Opernintendant Jens-Daniel Herzog überzeugte mit einer pfiffigen Bühnenidee, guten Sängerinnen und Sängern und aufregender Musik von Mozart.
Beim Bühnenbild hat sich Regisseur Jens-Daniel Herzog mit dem Bühnenbildner Mathis Neidhardt etwas ganz besonderes einfallen lassen: Musiker und Dirigent hinter einem Gaze-Vorhang, es gab kein Orchestergraben, dafür wurde eine Art Laufsteg quer durch den Zuschauerraum errichtet. Ansonsten war das Bühnenbild spartanisch, die Sängerinnen und Sänger standen im Mittelpunkt.
Schon der Beginn war ungewöhnlich inszeniert: Die Sänger stellten Stühle mach vorne und simulierten während der Ouvertüre eine Reihe im Theater mit Hustenden, Zuspätkommenden usw. Schon hier wurden die Konflikte zwischen den Figuren angerissen.

Die Geschichte: Das Hobby von Don Giovanni ist Frauen verführen. Zusammen mit seinem Diener Leporello reist er quer durch die Lande. Bei Donna Anna hatte er Erfolg, auch Zerlina ist ihm nicht abgeneigt, obwohl sie mit Masetto verlobt ist. Ihre Männer stehen mehr oder weniger hilflos daneben. Masetto mit Wut im Bauch. Don Ottavio, der Verlobte von Donna Anna, ist eher der kühle Analytiker. Zum Ärger von Don Giovanni heftet sich Donna Elvira auf seine Fährte, denn er habe ihr dir Ehe versprochen, behauptet sie. Als Don Giovanni aber Donna Annas Vater, den Komtur (Christian Sist) tötet, setzt er eine Spirale in Gang, die er nicht mehr stoppen kann.

Einen Don Giovanni in seiner Umgebung zu haben, ist für die meisten Menschen vermutlich der Alptraum. Jemand, der wie ein chirurgisches Instrument die Bruchstellen einer Beziehung erkennt und gnadenlos ausnutzen kann, ist wie Sprengstoff. Während er den Frauen ihre geheimen Wünsche nach Leidenschaft und Aufstieg befriedigt oder zumindest so tut, bleibt den Männern der Frust. Ob sie ihn wie Masetto offen zeigen oder wie Ottavio unter ihrer kühlen Hülle verbergen, bleibt gleich.

Morgan Moody sang den Leporello. Der Diener von Don Giovanni ist ein typischer Sidekick. Eine komische Figur, in deren Wunsch auch mal Frauen abzubekommen, eine gewisse Tragik liegt. Moody liegt die Rolle sichtlich. Hier kann er sein komisches Talent ausleben, und seine Anmachversuche gegenüber Donna Elvira (Emily Newton) spielen beide mit herrlichem Witz. Moody gibt den treuen Diener mit Hingabe und singt die bekannte Arie „Madamina, il catalogo e questo“, in der er Donna Elvira über die Eroberungen seines Herren aufklärt.

Eleonore Marguerre singt die Donna Anna. Eigentlich eine einfache Figur, Don Giovanni hat ihren Vater ermordet und sie will Rache. Das soll ihr Verlobter, Don Ottavio, besorgen. Eigentlich. Denn was ist zwischen Don Giovanni und ihr wirklich abgelaufen? Die Vorgeschichte kennen wir nicht, aber es scheint, als ob die beiden sich schon länger kennen. Ist Donna Anna also nicht so ganz unschuldig wie es scheint? Marguerre bringt den Zwiespalt der Figur zwischen der Rächerin, der Verlobten von Don Ottavio und ihrer Begierde für Don Giovanni sehr gut auf den Punkt.
Don Ottavio, gesungen von Lucian Krasznec, ist eine interessante Figur in der Oper. Er bleibt ruhig, obwohl Don Giovanni an seiner Verlobten Donna Anna baggert. Wenn man soll will, ist Don Ottavio eine moderne Figur, denn er nimmt die Frauen ernst. Er will eigentlich nicht in das Ränkespiel gegen Don Giovanni mitmachen, doch aus Liebe zu Donna Anna macht er mit. Krasznec spielt den Don Ottavio kühl und nachdenklich, nur in den Momenten, in denen er seine Liebe zu Donna Anna gesteht, ist seine Leidenschaft spürbar.

Kommen wir nur „niederen Paar“: Zerlina und Masetto. Zerlina (Tamara Weimerich) scheint glücklich verlobt mit Masetto (Sangmin Lee), doch wie heißt es so schön „Glück und Glas, wie leicht bricht das.“ Denn Zerlina hofft, durch Don Giovanni in die höheren Kreise aufzusteigen, möglicherweise ein besseres Leben zu führen als mit dem Bauer Masetto. Doch Zerlina durchschaut das böse Spiel von Don Giovanni sehr spät. Weimerich singt wunderbar die Zerlina zunächst als Dummerchen vom Land, dass aber durch die Bloßstellung von Don Giovanni auch zu den Verschwörern gehört.
Masetto ist ein Bauer und weder vom Stand her noch von der Eloquenz Don Giovanni gewachsen. Sangmin Lee ist herrlich komisch in seiner Rolle von Masetto. Seine Wutausbrüche und sein Versuch, Don Giovanni mit Gewalt ans Leder zu gehen, scheitern grandios. Auch lässt er sich immer wieder von Zerlinas Liebesschwüren überzeugen.

Donna Elvira (EmilyNewton) ist eine ebenso tragikomische Figur wie Masetto oder Leporello. Eigentlich ist sie wie eine Stalkerin hinter Don Giovanni her, nur um unfreiwillig mit Leporello vorlieb nehmen zu müssen. In Elviras Arien ist bis zum Schluss immer noch die Liebe zu Don Giovanni spürbar. Newton bringt sehr viel Witz in ihr Spiel ein und ihre Kabbeleien mit Morgan Moody (Leporello) sind herrlich.
Don Giovanni ist die zentrale Figur in der Oper. Gerado Graciacano mimt ihn mit einer gewissen Überheblichkeit und einer Spur Brutalität. Er nimmt sich das, was er kriegen kann, wenn nötig mit Gewalt, auch wenn Menschen (Komtur) dabei zu Tode kommen. Zudem ist er manipulativ (oft auf Kosten von Leporello) und versucht, die Fäden in der Hand zu halten. Das unterscheidet ihn von einem reinen Hedonisten.

Der Höllensturz, das Ende von Don Giovanni, erinnerte ein wenig an den Krimi „Mord im Orient-Express“. Die sechs Verschwörer haben mit Hilfe des toten Komturs die Kraft gefunden, Don Giovanni unschädlich zu machen und nacheinander stoßen sie ihr Messen in den Körper des Verführers.
Auch Dank der gut aufgelegten Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz wurde dieser Abend wieder zu einem besonderen Opernabend in Dortmund. Die Idee, das Orchester weiter nach hinten zu versetzen und die Sängerinnen und Sänger näher an das Publikum zu bringen, ist meiner Meinung nach voll aufgegangen. Über den Sinn und Zweck des Laufstegs kann man streiten, ich fand diese Idee nicht überzeugend. Dennoch war die Inszenierung insgesamt ein voller Erfolg.

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Kunstlieder aus drei Ländern

Die erste Liedmatinee der Oper Dortmund in dieser Spielzeit wurde am 19. Oktober 2014 im Opernfoyer vom Bassbariton Morgan Moody gesungen. Am Klavier begleitete ihn Philipp Armbruster. Zu hören waren Werke von Wolf, Ibert und Williams.

Kunstlieder in drei Sprachen waren an dem Sonntag zu hören. Positiv war, dass es nicht die bekannten Schubertlieder waren, Moody hatte sich ein durchaus anspruchsvolles Programm zusammengestellt. Am Beginn stand Hugo Wolf (1860-1903) und seine „Drei Lieder nach Gedichten von Michelangelo“. Danach wechselte die Sprache ins Französische, um eine spanische Literaturfigur zu besingen. Jacques Ibert (1890-1962) komponierte die Musik zum Film „Don Quichotte“ aus dem Jahre 1932, inklusive vier Liedern. Iberts französisch, luftig leichte Musik war das Gegenteil von Wolfs Wagnerismen, der deutlich in den Fußstapfen des deutschen Kunstliedes stand.

Eine weitere Klangfarbe brachte Ralph Vaughan Williams (1872-1958) mit seinen „Songs of travel“ in die Liedmatinee. Inspiriert von englischer Volksmusik wirkten die Lieder nach den Gedichten von Robert Louis Stevenson teilweise rhythmisch und trotz der Entstehungszeit von 1907 ziemlich modern.

Moody schaffte es, die Kunstlieder aus den verschiedenen Ländern individuell Akzente zu geben. Die nächste Liedmatinee ist am 30. November 2014 um 11.15 Uhr. Dann singt Ileana Mateescu „Zigeunerlieder“ von Brahms, Dvořák und de Falla.

Opulente Operetten-Gala

Nachdem die erste Ausgabe der Operetten-Gala in der Dortmunder Oper ein voller Erfolg war, kam schnell die Idee einer Folgeveranstaltung auf. So hieß es am 20.September „Der Himmel hängt voller Geigen“. Mit dabei waren die Dortmunder Philharmoniker, zwei Dirigenten, der Dortmunder Opernchor und neuen Solisten des Dortmunder Ensembles. Durch das Programm führte in gewohnt charmanter Weise Kammersänger Hannes Brock.

Bei der zweiten Auflage der Operetten-Gala fasste man den Begriff der Operette ein wenig weiter. So war ein Lied aus einer spanischen Zarzuela zu hören sowie drei Stücke aus dem amerikanischen Music play bzw. Musical. Präsentiert wurden zwei Lieder aus der kommenden Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ von Paul Abraham, die ab 29. November in Dortmund Erstaufführung hat.

Auch wenn im Bühnenbild keine hängenden Geigen zu sehen waren, Julia Amos, Ileana Mateescu, Neuzugang Emily Newton, Tamara Weimerich, Hannes Brock, Gerado Garciacano, Lucian Krasznec, Morgan Moody und Fritz Steinbacher hatten alle gute Laune und Freude am Singen mitgebracht. Moody begeisterte bei den amerikanischen Stücken von Frederick Loewe und Richard Rogers mit seiner warmen Stimme, Lucian Krasznec sang Taschentuch ergreifend das „Wolgalied“ von Lehárs „Zarewitsch“ und Tamara Weimerich brachte mit „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ von Rudolf Stolz das Publikum zum Schmelzen. Moderator Hannes Brock ließ es sich nicht nehmen und sang außerhalb des Programmes den „Wandergesell“ aus „Der Vetter von Dingsda“.

Am Ende wurde es schwungvoll und in Dortmund wurde die „Berliner Luft“ von Paul Lincke aus „Frau Luna“ gefeiert. Als Zugabe gab es Champagner. In Form des „Champagner-Liedes“ aus der Operette von Johann Strauß „Die Fledermaus“.

Wer die Operetten-Gala verpasst hat, dem bietet sich am 11. Oktober 2014 eine weitere Chance.

Infos und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

Wenn die Masken fallen

Welche Zukunft sagt Ulrica (Anja Jung) ihren Zuhörern voraus? (Foto: © ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)
Welche Zukunft sagt Ulrica (Anja Jung) ihren Zuhörern voraus? (Foto: © ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)

Die Oper Dortmund ging am Samstag, den 13. September 2014 mit dem Melodrama „Ein Maskenball (Un ballo in maschera)“ von Giuseppe Verdi unter der Regie von Katharina Thoma in die neue Spielzeit. Die Aufführung ist eine Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden in London.

Thoma verlegte die Handlung der Oper in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg , dem sogenannten Fin-de-siècle, einer Zeit der Unsicherheit und des Umbruchs. Verdis Maskenball wurde ja schon Mitte des 19. Jahrhunderts mehrfach wegen der damaligen Zensur in eine andere Zeit oder an einem anderen Ort „verlegt“. Die Zeit vor 1914 ist meiner Meinung nach nicht nur gut gewählt, weil gerade jetzt viel des vor einhundert Jahren ausgebrochenen Krieges gedacht wird. Sie gewinnt durch die vielen Krisenherde und die von vielen Menschen als bedrohlich empfundene Unsicherheit unser gegenwärtigen Zeit an Brisanz und Eindringlichkeit.

Das Bühnenbild mit seinen maroden Säulenkulissen, Grabsteinen mit Statuen weist schon zu Beginn deutlich auf das nahe Ende einer Zeitepoche. Der amtsmüde Graf Riccardo ist heimlich in Amelia, die Frau seines engsten Freundes und Sekretärs Renato verliebt.. Sein Freund Renato muss die Regierungsgeschäfte fast alleine leiten und warnt Riccardo vergeblich vor einer Verschwörung gegen ihn. Riccardo schlägt auch die Warnungen der Wahrsagerin Ulrica in den Wind,die ihm seine bevorstehende Ermordung durch eine vertraute Person ankündigt. Nachdem sich Amelia und Riccardo auf dem „Galgenfeld“ ihre „verbotene Liebe“ gestanden haben, treffen sie auf Renato und die Situation eskaliert. Der enttäuschte Ehemann von Amelia sinnt angesichts des seiner Meinung nach doppelten Verrats nach Rache.Riccardo spielt weiter mit dem Tod und geht trotz allem auf den Maskenball, um Amelia und Renato eigentlich wegzuschicken und auf die Liebe zu verzichten. Zu spät. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf…

Für die Inszenierung konnten hochkarätige, stimmgewaltige Sänger wie der Tenor Stefano La Colla, der nach Dortmund zurückgekehrte Bariton Sangmin Lee sowie die Verdi-Sopranistin Susanne Braunsteffer gewonnen werden. Es war schon ein Genuss, nicht nur diesen Stimmen zu lauschen, sondern auch ihrer leidenschaftlichen Darstellung zu folgen.

Begeistern konnten auch die immer als „Doppelpack“ auftretenden Verschwörer Morgan Moody als Samuel und Claudius Muth als Tom, sowie Anja Jung als Ulrica oder etwa Gerado Garciacano als Matrose Silvano.

Eine besondere Rolle hatte Tamara Weimerich als Riccardos Page Oscar. Diese Figur fiel nicht nur in seiner höfischen Funktion und Kleidung als ein Relikt aus einer älteren, feudalistischen Epoche auf. Sie war so gleichzeitig die jüngste, wie auch die älteste Figur des Stückes. .Nicht nur mit guter Stimme, sondern auch durch die gezeigte jugendliche Leichtfertigkeit, mit der sie sich beispielsweise als Page bei der Wahrsagerin vorgedrängelt hat, überzeugte Weimerich. Dabei aber dem vorgesetzten Grafen immer treu ergeben. Am Ende steht Oscar mit Stahlhelm auf dem Kopf desillusioniert und verloren auf der Bühne.

Die Kostüme wurden von Irina Bartels mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ausgewählt. So konnte das Publikum unter anderem die zu dieser Zeit beliebten Matrosenanzüge und Frisurenmode bewundern. Ob die Auswahl wie etwa im Falle von Amalia immer vorteilhaft gelungen war, ist wohl Geschmackssache.

Die verstellbare Bühnenkulisse wurde genutzt, um bei Bedarf zusätzliche Räume an den Seiten zu schaffen. Eindringlich wie wie zum Beispiel der kleine Sohn von Amalia in seinem Bett im Zimmer nebenan liegt, während seine Mutter Renato anfleht, ihren Jungen noch einmal sehen zu dürfen. Auf der anderen Seite konnte man während des Gesprächs von Amelia und Riccardo während des Maskenballs auf der links ein Streichquartett sehen und hören.

Der Maskenball als ekstatisches Fest nach dem Motto „Heiter geht die Welt zugrunde“ gestaltet.

Ein großes Kompliment wieder einmal für den Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung von Granville Walker. Hut ab auch vor den Statisten, die als „lebende Statuen“ fungierten, und schon mal mehr als zwanzig Minuten still stehen mussten. Die Dortmunder Philharmoniker unter der souveränen Leitung von GMD Gabriel Feltz sorgte mit einer passgenauen, harmonisch mit dem Bühnengeschehen abgestimmte musikalische Begleitung für einen gelungenen, runden Opernabend.

Wer „Ein Maskenball“ noch live erleben will, muss sich sputen. In knapp sechs Wochen wird die Oper nur noch in London zu sehen sein.

Weitere Termine: SO, 21. SEPTEMBER 2014, MI, 24. SEPTEMBER 2014, FR, 03. OKTOBER 2014, SO, 05. OKTOBER 2014, SO, 12. OKTOBER 2014, SA, 18. OKTOBER 2014 und SA, 25. OKTOBER 2014

Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27 222.

Haydns Jahreszeiten als Deutschlandpanorama

Lucian Krasznec (Lukas), Morgan Moody (Simon), Anke Briegel (Hanne) (Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)
Lucian Krasznec (Lukas), Morgan Moody (Simon), Anke Briegel (Hanne) (Foto: ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)

Operndirektor Jens-Daniel Herzog wagte sich nach der szenischen Aufführung von „Elias“ erneut an ein Oratorium. Herzog verwandelte „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn aus einer romantischen Landpartie in ein säkularisiertes Deutschlandpanorama. Von der Kapitulation über das Wirtschaftswunder bis zur Demographieproblematik spannte sich der Zeitbogen. Die Solisten gaben ihr Bestes, aber gegen einen wirklich gut aufgelegten Opernchor hatten sie keine Chance. Ein Premierenbericht vom 27. April.

 

Dass ein Oratorium szenisch aufgeführt wird, ist eine ungewöhnliche Sache. Herzog hatte schon de „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy vor zwei Spielzeiten eine Handlung mitgegeben, die sich aber mehr oder weniger streng an der Vorlage orientierte. Bei den „Jahreszeiten“ von Hadyn geht er noch einen Schritt weiter und verwandelt die stark romantisierende Handlung, die das bäuerliche Leben und die Natur preist, in eine Geschichte der Bundesrepublik. Der Frühling ist die Kapitulation und der Neuaufbau mit Währungsreform, der Sommer wird zur Wirtschaftswunderzeit, der Herbst wird kühler, Ausländerfeindlichkeit wird thematisiert und im Winter verwandelt sich Deutschland durch den demographischen Wandel in ein Altenheim. Was Herzog nicht thematisiert: die Geschichte der DDR, die Wiedervereinigung oder die 68er. Aber es gibt halt nur vier (in manchen Gegenden auch fünf) Jahreszeiten.

 

Herzogs szenische Interpretation zeigt viele beeindruckende Bilder Als der Vorhang nach der Ouvertüre aufgeht, steht zunächst Simon (Morgan Moody) mit einer weißen Fahne schwenkend auf der Bühne. Um ihn herum anscheinend Trümmer, die sich im Laufe als Hanne (Anke Briegel) und Lukas (Lucian Krasznec) sowie der Dortmunder Opernchor entpuppen. Ausstaffiert als Trümmerfrauen und heimkehrende Soldaten singt der Chor dann „Komm, holder Lenz“.

Bei einer Zeitreise durch die Geschichte der Bundesrepublik bliebt es nicht aus, dass die Solisten und der Chor in verschiedene Rollen schlüpfen müssen. Die Mitglieder des Chores waren unter anderem Trümmerfrauen, Stahlarbeiter, Frauen mit Kinderwagen in der Babyboomerzeit, (Ausländer-)Jäger und zum Schluss Senioren im Altenheim.

 

Auch Morgan Moody (Simon) schlüpfte in viele Rollen. Er verkörperte bestimmte Politiker wie Adenauer, Erhard, aber auch jemanden wie Franz Schönhuber. Lucian Krasznec (Lukas) stellte einen amerikanischer Offizier, jungen Bauern, Angestellte und zusammen mit Anke Briegel (Hanne) ein Liebespaar dar. Eine Szene mit den beiden war besonders komisch. Zum Duett „Ihr Schönen aus der Stadt“ wollten sie auf einer Parkbank nett beisammen sein. Auf der nahegelegenen Wiese wurde jedoch kräftig gegrillt, was unser Pärchen natürlich sehr störte.

Anke Briegel spielte zuerst eine Trümmerfrau, die sich einen amerikanischen Offizier schnappt, und zuletzt eine Altenpflegerin im Altenheim „Deutschland“.

 

Die drei Solisten zeigten sich gewohnt von ihrer besten Seite. Da fällte es schon schwer, jemanden herauszuheben. Mit seinem ganz speziellen Gespür für Komik sorgte Krasznec vielleicht noch für ein zusätzliches kleines Sahnehäubchen. Ein Oratorium steht und fällt aber mit dem Chor und der war an diesem Abend einfach in einer herausragenden Form. Nicht nur, dass alle Mitglieder gut singen können, nein, sie haben auch noch kleinere schauspielerische Dinge in die Inszenierung gebracht, so dass es sich lohnt, mehrmals hineinzugehen. Ein großes Lob gilt dem Leiter des Chores Granville Walker.

 

Ich möchte nicht verschweigen, dass eine so radikale und auch säkularisierte Interpretation wie von Jens-Daniel Herzog nicht jedem gefallen hat. Es gab durchaus auch einige Buhrufe, ein Besucher ist lautstark nach dem Frühling gegangen. Die Thematisierung von Frauen, die sich in der Nachkriegszeit den amerikanischen oder englischen Soldaten an den Hals geschmissen haben, um damit ihre Lebensverhältnisse zu verbessern, ist für den einen oder anderen doch harter Tobak, wenn er oder sie ein spätbarockes Stück über die Schönheiten der Landluft erwartet hatte. Sei’s drum. Die Mehrzahl der Besucher spendete Applaus, vor allem musikalisch gab es nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Das ist auch ein Verdienst von Philipp Armbruster und den Dortmunder Philharmonikern.