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Reflexion über Vergänglichkeit und die Schönheit des Moments

Hier trägt der Engel Schwarz: (v.l.n.r.) Frank Genser, Marcel Schaar (Fotograf), Uwe Schmieder, Julia Schubert, Ensemble- (Foto: ©Birgit Hupfeld)

Kann man einen Augenblick für die Ewigkeit festhalten? Diese Frage spielt nicht nur in Goethes Faust beim Packt mit dem Teufel (Mephisto) eine große Rolle. Die Fotografie versucht schon länger, besondere Momente des Lebens für die Zukunft einzufangen. Einerseits kann der Betrachter sich so vergangene Augenblicke wieder in das Gedächtnis rufen, führen uns aber auch die Vergänglichkeit unseres Lebens und die Relativität von Raum und Zeit vor Augen.

Schauspielintendant Kay Voges, drei Dramaturgen und sein gesamtes Ensemble haben zusammen mit dem Kunstfotografen Marcel Schaar versucht, sich der Thematik durch die Verbindung von Fotografie und Theater zu nähern. Am Samstag, den 11.02.02017 hatte im Megastore das Theater-Abenteuer „hell / ein Augenblick“ Premiere.

Wohl einmalig in der Theatergeschichte lichtet ein Fotograf während der Vorstellung live auf der dunklen Bühne ein Motiv ab, das dann direkt in den Zuschauerraum projiziert wird. Helligkeit und Dunkelheit tauschen ihre Plätze. Die Bühne wird zu einer Dunkelkammer, die nur ab und zu durch das Blitzlicht des Fotografen für eine 1/50 Sekunden durchzuckt. Insgesamt etwa 100 mal am Abend.

Zur Erläuterung: Auf der Bühne stehen an den Seiten zwei große Leinwände und zwei Minni-Flutlichtanlagen. In der Mitte befindet sich im Hintergrund eine Art weiße „Magic-Box“ ,wo der Fotograf als „Meister des Augenblicks“ Schauspieler in speziellen Momenten ablichtet. Diese werden als schwarz-weiß Bilder auf die großen Leinwände projiziert. Diese Reduktion verlangt von den Schauspieler/innen viel Mut, denn sie sind es normalerweise gewohnt, ihre Körper deutlich sichtbar dem Publikum zu präsentieren. Die entstehenden Bilder sind berührend ehrlich und zeigen die kleinste Poren im Gesicht und Körper.

Alles fließt, alles steuert der Blitz“ ,sagt Heraklit. So beginnt der Abend mit einer philosophische Abhandlung aus dem „Baum des Lebens“ (Rabbi Isaak, Luria, um 1590) erzählt von Friederike Tiefenbacher.. Es geht darin um die Themen Leben und Licht, Raum und Zeit. Die Schauspieler/innen befinden sich sowohl auf der Bühne und in der „Magic- Box“, wo sie abgelichtet werden. Die Bilder auf der Großleinwand werden von den Schauspielern mit passenden philosophische Texte von Arthur Schopenhauer, Nietzsche, Bertand Russel, Charles Bukowski, Rainald Götz und andere begleitet. Das verstärkte die Wirkung der Bilder.

Als typisch für das, was viele Menschen empfinden, wenn sie fotografiert wurden denken, steht Uwe Schmieder, abgelichtet mit einem Schild „You see me“. Erschrocken ruft er in die Dunkelheit: „Das bin ich nicht, das bin doch nicht ich!“ Andere hingegen finden sich fotogener und rufen: „Das bin ich. So sehe ich aus.“

Es entstehen schöne Bilder von Zuneigung und Liebe, aber auch viele ernste, nachdenklich machende eindrucksvolle Bilder von Vergänglichkeit.

Für das sinnliche Erleben war der sensible begleitende Soundtrack von Tommy Finke und die Musik von Mahler bis Brian Molko/Placebo von großer Bedeutung.

Es war ein meditativer,archaischer Abend mit Nachwirkung. Wenn es um sich nicht erinnern können, Tod und Vergänglichkeit geht, ist das keine leichte komödiantische Kost. Das der Tod nicht gerne gesehen ist, zeigen die Text von Christoph Schlingsensief oder Robert Gernhardt aus dem Jahr 1997. Gernhardts Gedicht „So“ besagt, dass der Mensch in keinem Monat gerne sterben will. Er will immer wieder neue Moment generieren, um sie fest zu halten.

Schönheit des Augenblicks und die Vergänglichkeit

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Stück. Zu sehen sind v.l.n.r. Marcel Schaar (Fotograf), Bettina Lieder und Marlena Keil. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Stückentwicklung „hell / ein Augenblick“ von Schauspielintendant Kay Voges und seinem Team ist ein weiteres Theater-Abenteuer nach „Das Goldene Zeitalter“ und „Die Borderline Prozession“. Es schließt sich künstlerisch als Fortsetzung an.

Während bei der „Borderline Prozession“ die Gleichzeitigkeit von Ereignissen und deren sinnliche Darstellung im Theater mit einer Bilderflut verdeutlicht wurde, geht es bei „hell / ein Augenblick“ um Reduktion und Entschleunigung.

Der berühmte Satz „Werd‘ ich zum Augenblicke sagen, verweile doch du bist so schön…“ von Goethes Faust war Inspiration für das neue Stück unter Voges Regie.

Können wir den Augenblick , den Moment für die Ewigkeit festhalten?

Die Fotografie versucht das seit 200 Jahren.

Der Regisseur und das gesamte Ensemble versuchen mit einer neuen Theaterform, sich mit der Fotografie zu verbünden. Ein Grenzgang des Theaters zur Kunst der Fotografie. Vier Dramaturgen sind an der Aufgabe beteiligt. Für den musikalischen Soundtrack ist wieder Tommy Finke verantwortlich.

Der Hauptakteur an diesem Abend ist aber der Kunstfotograf Marcel Schaar. An diesem Abend tauschen Helligkeit und Dunkelheit die Plätze. Er wird als Live-Fotograf auf der dunklen Bühne als Meister des Augenblicks mit dem Blitzlicht seiner Kamera ein Motiv ablichten, das dann direkt auf eine große Leinwand in den Zuschauerraum projiziert wird. Für 1/50 Sekunde Licht lässt dann vor den Augen der Zuschauer als Abbild auf der Netzhaut Bilder entstehen und wieder vergehen. Es entstehen Fragen dem Verhältnis von Bild, Abbild, Raum und Zeit und der Flüchtigkeit des Moments. Insgesamt werden bei der Vorstellung 100 Momente aufgefangen. Mit dieser Reduktion umzugehen, verlangt ein mutiges Ensemble.

Das ist eine Reflexion über die Vergänglichkeit und die Schönheit des Augenblicks. Es wird ein sinnlicher und vielleicht archaischer Abend,“ so Voges.

Inhaltlich passend werden die Schauspieler Textzitate aus verschiedenen Jahrhunderten von der jüdischen Kabbala bis Charles Bukowski , Goethe, Nietzsche oder Baudelaire u.a. verwenden. Dabei spielen die Themen Vergänglichkeit,, Erinnerung, Vergessen und der Zauber des Augenblicks natürlich die wesentliche Rolle.

Auf der Bühne werden zwei große Leinwände an den Seiten als Projektionsfläche dienen. Ein weißer Kasten für bietet ganz spezielle Beleuchtungsmöglichkeiten.

Die Vorstellung wird zirka zwei Stunden ohne Pause dauern.

Die Premiere von „Hell /ein Augenblick“ im Megastore um 19.30 Uhr am 11.02.2017 ist schon ausverkauft. Nachfragen lohnt sich aber immer! Manchmal werden auch Karten kurzfristig zurückgegeben.

Weitere Informationen erhalten sie unter www.theaterdo.de

Das Schauspielhaus rät: Menschen mit Dunkelangst, akuten Herzproblemen, einer Neigung zu Migräneanfällen und/oder Epilepsie wird dringend von einem Besuch der Vorstellung abgeraten.