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Am Volkswillen zerbrochen

Wenn Saul (Christian Sist) wütend wird, muss David (Ileana Mateescu) Angst haben. (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)
Wenn Saul (Christian Sist) wütend wird, muss David (Ileana Mateescu) Angst haben. (Foto: © Björn Hickmann / Stage Picture GmbH)

Nach „Elias“ (Mendelssohn-Bartholdy) und die „Schöpfung“ (Haydn) konnte das Publikum in der Oper Dortmund am 25.04.2015 mit der Premiere von „Saul“ (Georg Friedrich Händel) zum dritten Mal ein szenisches Oratorium erleben. Die Koproduktion mit dem Staatstheater Kassel wurde unter der Regie von der Regisseurin Katharina Thoma, den Opern-Fans durch schon sieben Produktionen auch als Spezialistin für barocke Stoffe, wie zum Beispiel „Eliogabalo“ (Cavalli) bekannt, für die Dortmunder Bühne bearbeitet.

Das Libretto von „Saul“ Charles Jennens hat als biblische Grundlage das Buch Samuel.

Unter der punktgenauen und lockeren musikalischen Leitung des 1. Kapellmeisters Motonori Kobayashi spielte ein kleines Ensemble der Dortmunder Philharmoniker: Cembalo/Orgel: Wallewei Witten, Luca Di Marchi und an der Theorbe Andreas Nachtsheim.

Thoma legte bei ihrer Inszenierung ein besonderes Augenmerk auf die Wirkung der „Volksmasse“ auf das Individuum und auf dessen Umgebung. Das gibt dem Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung des „reaktivierten“ Granville Walker eine große Bedeutung und Chance, sein Können zu zeigen und einmal im Vordergrund zu stehen.

Das Bühnenbild von Sibylle Pfeiffer war minimalistisch aber praktisch gestaltet. Ein großes transparentes Plateau auf der Bühne und ein Zweites von der Decke hängend, dienten als Tempel oder Königshof. Das Deckenplateau war multifunktional verwendbar und diente als Symbol für eine höhere Macht.

Das Libretto orientiert sich überwiegend an die biblische Geschichte. Saul wird per Los zum König der Stämme Israels gewählt. Doch mit der Bürde kommt er schlecht zurecht. Schon gar nicht, als ein junger Kriegsheld, namens David, ihm die Sympathie des Volkes streitig macht. Saul verheiratet David zwar mit seiner Tochter Michal, nachdem ihm die ältere Tochter Merab abgelehnt hatte, aber plant nichtsdestotrotz Davids Tod. Saul fühlt sich von Allen verlassen und sucht in seiner Verzweiflung Rat bei den Mächten der Unterwelt. Der Geist Samuels erklärt, das Saul wegen der nicht Befolgung eines Gottesbefehls seine Herrschaft an David abtreten muss und mit seinem Sohn Jonathan auf dem Schlachtfeld ums Leben kommen wird.

Thoma legt in ihrer Inszenierung einen deutlichen Fokus auf die Psychologie der Protagonisten. Saul treibt die gefühlte Ablehnung des Volkes in eine Art bipolarer Störung. Erst sehr freundlich, dann einen Tag später zum Mord gegen David entschlossen. Saul Wahnsinn führt letztendlich zu seinen eigenen Tod. Interessant ist auch die Beziehung zwischen David und Jonathan, Sauls Sohn. Wenn beide sich treffen, ist eine deutliche homoerotische Beziehung erkennbar, die durch Jonathans Tod abrupt beendet wird. Auch Davids Trauer um Jonathan spricht Bände: „Great was the pleasure I enjoy’d in thee, And more than woman’s love thy wondrous love to me!“(Groß war die Wonne, die mir ward von dir, und mehr als Frauenlieb‘ war deine Liebe mir!)“.

Christian Sist, mit seiner überragenden Körpergröße und Stimme eine passende Besetzung für Saul,

Er zeigt die wachsende Verzweiflung, Neid und Eifersucht auf den neuen Günstling des Volkes überzeugend. Mit ihrem klaren Mezzosopran und viel Empathie spielte und sang Ileana Mateescu, schon fast spezialisiert auf „Hosenrollen“, zuletzt im „Rosenkavalier (Richard Strauss), den David.

Tamara Weimerich als zunächst hochmütige Merab, gelang auch spielerisch den Haltungswechsel gegenüber David überzeugend darzustellen. Als kongenialer Gegenpart spielte Julia Amos die sanfte Michal, der oberflächlicher Standesdünkel fremd ist.

Eine besondere Herausforderung gab es für Lucian Krasznec als Jonathan. Neben dem Vater-Sohn Konflikt gab es noch die besondere Freundschaft zu David. Die Darstellung der unterschwelligen homoerotischen Tendenz der Beziehung von David und Jonathan, wurde mit Feingefühl gemeistert.

Als vielseitiger Mann für skurrile Rolle zeigte sich wieder einmal Kammersänger Hannes Brock. Neben den Hohepriester fungierte er als Abner und als Hexe von Endor aus der Unterwelt.

Den kürzesten Auftritt hatte Min Lee. Als ein Amalekiter, der die traurige Botschaft vom Tod Sauls und Jonathans überbringt, wird er bald von David ermordet.

In der Rolle des Doeg sowie als eindrucksvolle Projektion und Stimme von Samuels Geist war Morgan Moody zu erleben.

Besonders bewegend war der Chor. Er symbolisierte die Volksmasse. Die Masse, die sich leicht formen lässt und (blind) dem nächsten „Superstar“ folgt. Frei nach dem Motto: Vox populi, vox dei – Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes. Thoma schuf mit dem Chor wunderbare Bilder, beispielsweise als sie David mit ihren Händen vor der Wut und dem Zorn Sauls schützten.

Ein großes Kompliment geht auch an die Kostümabteilung unter Irina Bartels. Sie zeigte verschiedenste epochenübergreifende Kostüme. Ob bunt barock-höfisch, einheitliches schwarz des Chores, mal ohne oder mal mit Verschleierung, oder zeitgenössische Bekleidung der Sängerinnen und Sänger. Das unterstreicht die Zeitlosigkeit des Themas. Es gibt genug Beispiele in der Gegenwart, wie schnell sich die Gunst der Bevölkerung zum Beispiel bei Politikern wenden kann.

Ein eindrucksvolles Zeichen, als am Ende bei der Ernennung Davids zum König bei der Übergabe eines Schwertes Blut am Hemd von David zu sehen ist. Symbolhaft für das Blut der Opfer der kommenden Kriege.

Ein gelungener Abend, der mit viel Beifall honoriert wurde. Die Entscheidung von Jens-Daniel Herzog, in Dortmund Oratorien auch szenisch aufzuführen, zahlt sich aus. Händels Musik passte ideal zu einer „Veroperung“, denn Händel verknüpfte in „Saul“ große Chormusik mit Arien, die mehr in Richtung der italienischen „Opera seria“ gingen. Nicht nur für Barockfreunde empfehlenswert.

Weitere Termine: Fr, 08. Mai 2015, So, 17. Mai 2015, So, 24. Mai 2015, Do, 18. Juni 2015, Sa, 20. Juni 2015 und Fr, 26. Juni 2015.

Wenn die Masken fallen

Welche Zukunft sagt Ulrica (Anja Jung) ihren Zuhörern voraus? (Foto: © ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)
Welche Zukunft sagt Ulrica (Anja Jung) ihren Zuhörern voraus? (Foto: © ©Thomas M. Jauk / Stage Picture)

Die Oper Dortmund ging am Samstag, den 13. September 2014 mit dem Melodrama „Ein Maskenball (Un ballo in maschera)“ von Giuseppe Verdi unter der Regie von Katharina Thoma in die neue Spielzeit. Die Aufführung ist eine Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden in London.

Thoma verlegte die Handlung der Oper in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg , dem sogenannten Fin-de-siècle, einer Zeit der Unsicherheit und des Umbruchs. Verdis Maskenball wurde ja schon Mitte des 19. Jahrhunderts mehrfach wegen der damaligen Zensur in eine andere Zeit oder an einem anderen Ort „verlegt“. Die Zeit vor 1914 ist meiner Meinung nach nicht nur gut gewählt, weil gerade jetzt viel des vor einhundert Jahren ausgebrochenen Krieges gedacht wird. Sie gewinnt durch die vielen Krisenherde und die von vielen Menschen als bedrohlich empfundene Unsicherheit unser gegenwärtigen Zeit an Brisanz und Eindringlichkeit.

Das Bühnenbild mit seinen maroden Säulenkulissen, Grabsteinen mit Statuen weist schon zu Beginn deutlich auf das nahe Ende einer Zeitepoche. Der amtsmüde Graf Riccardo ist heimlich in Amelia, die Frau seines engsten Freundes und Sekretärs Renato verliebt.. Sein Freund Renato muss die Regierungsgeschäfte fast alleine leiten und warnt Riccardo vergeblich vor einer Verschwörung gegen ihn. Riccardo schlägt auch die Warnungen der Wahrsagerin Ulrica in den Wind,die ihm seine bevorstehende Ermordung durch eine vertraute Person ankündigt. Nachdem sich Amelia und Riccardo auf dem „Galgenfeld“ ihre „verbotene Liebe“ gestanden haben, treffen sie auf Renato und die Situation eskaliert. Der enttäuschte Ehemann von Amelia sinnt angesichts des seiner Meinung nach doppelten Verrats nach Rache.Riccardo spielt weiter mit dem Tod und geht trotz allem auf den Maskenball, um Amelia und Renato eigentlich wegzuschicken und auf die Liebe zu verzichten. Zu spät. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf…

Für die Inszenierung konnten hochkarätige, stimmgewaltige Sänger wie der Tenor Stefano La Colla, der nach Dortmund zurückgekehrte Bariton Sangmin Lee sowie die Verdi-Sopranistin Susanne Braunsteffer gewonnen werden. Es war schon ein Genuss, nicht nur diesen Stimmen zu lauschen, sondern auch ihrer leidenschaftlichen Darstellung zu folgen.

Begeistern konnten auch die immer als „Doppelpack“ auftretenden Verschwörer Morgan Moody als Samuel und Claudius Muth als Tom, sowie Anja Jung als Ulrica oder etwa Gerado Garciacano als Matrose Silvano.

Eine besondere Rolle hatte Tamara Weimerich als Riccardos Page Oscar. Diese Figur fiel nicht nur in seiner höfischen Funktion und Kleidung als ein Relikt aus einer älteren, feudalistischen Epoche auf. Sie war so gleichzeitig die jüngste, wie auch die älteste Figur des Stückes. .Nicht nur mit guter Stimme, sondern auch durch die gezeigte jugendliche Leichtfertigkeit, mit der sie sich beispielsweise als Page bei der Wahrsagerin vorgedrängelt hat, überzeugte Weimerich. Dabei aber dem vorgesetzten Grafen immer treu ergeben. Am Ende steht Oscar mit Stahlhelm auf dem Kopf desillusioniert und verloren auf der Bühne.

Die Kostüme wurden von Irina Bartels mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ausgewählt. So konnte das Publikum unter anderem die zu dieser Zeit beliebten Matrosenanzüge und Frisurenmode bewundern. Ob die Auswahl wie etwa im Falle von Amalia immer vorteilhaft gelungen war, ist wohl Geschmackssache.

Die verstellbare Bühnenkulisse wurde genutzt, um bei Bedarf zusätzliche Räume an den Seiten zu schaffen. Eindringlich wie wie zum Beispiel der kleine Sohn von Amalia in seinem Bett im Zimmer nebenan liegt, während seine Mutter Renato anfleht, ihren Jungen noch einmal sehen zu dürfen. Auf der anderen Seite konnte man während des Gesprächs von Amelia und Riccardo während des Maskenballs auf der links ein Streichquartett sehen und hören.

Der Maskenball als ekstatisches Fest nach dem Motto „Heiter geht die Welt zugrunde“ gestaltet.

Ein großes Kompliment wieder einmal für den Opernchor des Theaters Dortmund unter der Leitung von Granville Walker. Hut ab auch vor den Statisten, die als „lebende Statuen“ fungierten, und schon mal mehr als zwanzig Minuten still stehen mussten. Die Dortmunder Philharmoniker unter der souveränen Leitung von GMD Gabriel Feltz sorgte mit einer passgenauen, harmonisch mit dem Bühnengeschehen abgestimmte musikalische Begleitung für einen gelungenen, runden Opernabend.

Wer „Ein Maskenball“ noch live erleben will, muss sich sputen. In knapp sechs Wochen wird die Oper nur noch in London zu sehen sein.

Weitere Termine: SO, 21. SEPTEMBER 2014, MI, 24. SEPTEMBER 2014, FR, 03. OKTOBER 2014, SO, 05. OKTOBER 2014, SO, 12. OKTOBER 2014, SA, 18. OKTOBER 2014 und SA, 25. OKTOBER 2014

Karten und Infos unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27 222.

Carmen für Grenzgänger – ein Premierenbericht

Carmen (Ileana Mateescu) bezirzt Don José (Christoph Strehl). Foto: © Thomas M. Jauk / Stage Picture
Carmen (Ileana Mateescu) bezirzt Don José (Christoph Strehl). Foto: © Thomas M. Jauk / Stage Picture

Eine Grenze ist der Rand eines Raumes, sagt zumindest Wikipedia. Bei Georges Bizets Oper „Carmen“ versuchen verschiedene Akteure diesen Rand zu überwinden oder ihn zumindest auszuweiten. Dass das nicht gut ausgehen kann, liegt auf der Hand. Die Inszenierung von Katharina Thoma in der Oper Dortmund brachte auch die Thematik der unüberwindbaren Grenze zwischen armen und reichen Ländern auf die Bühne.

 

Nachdem der Vorhang aufgegangen ist, sehen wir eine Zigarettenfabrik und einen Wachposten. Die Grenze muss ganz in der Nähe sein. Alles macht einen leicht deprimierenden Eindruck. Für die Soldaten sind die Frauen nichts wert und nur Objekte der Begierde. Sie werden zudringlich, auch gegenüber Micaela (Christine Koch), der Freundin von Don José.

In dieser Machogesellschaft taucht Carmen (Ileana Mateescu) auf. Sie ist selbstsicher, vertraut auf ihre Erotik und setzt sich dadurch in die höhere Position. Alle Männer fressen ihr aus der Hand. Selbst Don José (Christoph Strehl), der erst den Wunsch seiner Mutter erfüllen möchte und Micaela heiraten will, verfällt Carmen und wird zum ersten Grenzgänger. Das Muttersöhnchen Don José bricht aus seinem vorgeplanten Weg aus und desertiert wegen Carmen. Carmen selbst, eine Grenzgängerin zwischen Männern, orientiert sich langsam aber sicher zum Torero Escamillo, dem einzigen Mann, dem sie sich unterwirft. Die Grenzüberschreitungen haben Konsequenzen: Don José bestraft sich selbst dadurch, dass er zum Mörder Carmens wird. Carmen wird das „Männerhopping“ letztendlich zum Verhängnis.

 

Katharina Thoma modernisiert die Figuren nicht, denn eine Figur wie Carmen ist heute noch modern. Thoma und die Bühnenbildnerin Julia Müer setzen bei ihrer Inszenierung einen deutlichen politischen Anstrich. Bei Thoma geht es um konkrete Grenzen zwischen erster Welt und Dritter Welt. Vor allem im dritten Akt denkt man unwillkürlich an Grenzen wie dem mexikanisch.-amerikanischen Grenzstreifen. Eine aktuelle und nachdenkliche Sichtweise, betrachtet man die Situation wie viele Menschen versuchen, Grenzen zu überwinden, um ins „gelobte Land“ zu kommen.

 

Die Inszenierung steckt voller kleiner Details. So scheinen die Fans des Toreros Escamillo aus dem Fußballstadien zu kommen, wo das Lied „Toréador, en garde!“ zum Standardrepertoire gehört. Thoma hat auch eine neue Figur eingeführt, die zwar nicht singt, aber allein durch ihre Präsenz das Geschehen begleitet: eine alte Bettlerin. Sie wird von allen verachtet, selbst von den Schmugglern, die selber außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung stehen. Die Bettlerin ist eine Art von Menetekel für Carmen. Denn was würde passieren, wenn Don José sie nicht getötet hätte und in einigen Jahre ihre Schönheit verblüht wäre? Wäre Carmen dann selbst eine Ausgestoßene?

 

Ileana Mateescu spielte und sang eine besondere Carmen. Nicht der Typ vollbusige Venus, eher der burschikose, bestimmende Frauentyp. Somit kam Mateescu der Rolle der modernen Frau schon sehr nahe. Bezeichnend eine Situation im vierten Akt, als sie ihr Jäckchen auszog und es beinahe so aussah, als wollte sie sich mit Don José prügeln.

Christoph Strehl gab einen Don José, der sich langsam in den Wahnsinn hineinsteigert und immer brutaler wird, bis zum Mord. Zwischen Liebe, Eifersucht und Verzweiflung brachte Strehl die Figur des Don José gesanglich gut rüber.

Christiane Kohl brillierte als Micaela, die angedachte Frau für Don José. Micaela ist das Gegenteil von Carmen. Ihre Kleidung ist eher altbacken, aber ihre Liebe zu Don José ungebrochen. In ihrer Arie „Je dis que rien ne m’épouvante“ im dritten Akt bringt Kohl Michaelas völlige Verzweiflung wunderbar zur Geltung. Aus jeder Note dringt der Wunsch den geliebten Mann wiederzuholen.

Morgan Moody hatte kurze, aber intensive Auftritte. Er spielt den kraftstrotzenden Torero Escamillo , voller Testosteron, der einzige Mann, dem Carmen verfällt.

 

Die Oper „Carmen“ gehört zu den meistgespielten Stücken der Welt und die Musik von Bizet ist längst zu einem Evergreen geworden. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz zeigten auch warum.

 

Ein Extralob gehört auch den verschiedenen Chören: Neben dem Opernchor des Theaters Dortmund war auch der Extra-Chor sowie der Opern-Kinderchor zu sehen und zu hören.

 

Eine gelungene Inszenierung, die nicht nur musikalisch gefallen konnte, sondern auch dem Besucher einige Denkanstöße zum Thema Grenzen und Abschottung mit auf dem Weg gab.

Weitere Termine SO, 09. FEBRUAR 2014, SA, 15. FEBRUAR 2014, FR, 21. FEBRUAR 2014, MI, 05. MÄRZ 2014, SA, 08. MÄRZ 2014, SO, 16. MÄRZ 2014, SO, 23. MÄRZ 2014, DO, 27. MÄRZ 2014, SO, 20. APRIL 2014 und SA, 05. JULI 2014

Zwischen Dominanz und Unterwerfung

Wie lange wird Don José (Christoph Strehl) noch cool bleiben, wenn ihn die heiße Carmen (Katharina Peetz) anschmachtet? (Foto: ©Thomas M. Jauk/Stage Picture Gmbh)
Wie lange wird Don José (Christoph Strehl) noch cool bleiben, wenn ihn die heiße Carmen (Katharina Peetz) anschmachtet? (Foto: ©Thomas M. Jauk/Stage Picture Gmbh)

Am Samstag den 1. Februar 2014 hat eine der bekanntesten Opern, Carmen von Georges Bizet (Uraufführung 1875) um 19:30 Uhr Premiere im Dortmunder Opernhaus. Regie führt Katharina Thoma.

 

Seit 2005 beschäftigt sich Regisseurin Katharina Thoma intensiv mit Carmen. „Das Interessante bei Carmen ist ist für mich, das man die Figuren glaubhaft auf der Bühne bringen kann. Die Geschichte bietet zudem reichhaltige psychologische Ansatzpunkte. Carmen ist eine moderne, starke Frau. Zudem ist die Musik fantastisch“, erklärte Thoma.

 

Was erwartet das Publikum? Neben bunten Kostümen, schöner Musik eine zeitgemäße, moderne Inszenierung. „Im Mittelpunkt stehen nicht etwa die „Zigeuner“ oder Sinti und Roma sondern Menschen in Grenzsituationen. Als Arbeiterin in einer Zigarettenfabrik gehört die ihre Unabhängigkeit und Freiheit liebende Carmen zur Unterschicht. Sie strebt wie viele Menschen danach, der Armut zu entkommen strebt nach einem besseren Leben“, so Thoma.

Das verbindet sie mit Menschen, die auch heutzutage als „Prekariat“ in unserem Land oder aber besonders an die Grenze zwischen Erste Welt und Dritte Welt wie zum Beispiel zwischen Mexiko und den USA. Oder denken wir nur an die vielen Menschen, die an den modernen Grenzen wie in Südspanien, auf Lampedusa um ihr Überleben kämpfen.

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Carmen beinhaltet gleich zwei Dreiecks-Geschichten. Auf der einen Seite sind da die schöne und charismatische Carmen, die zwischen Don José, einem „Muttersöhnchen“, aber auch verantwortungsbewussten Soldaten, und dem Torero Escamillo. Der einzige Mann, der ihr überlegen ist. Carmen ist es gewohnt zu dominieren und mit ihrer Schönheit und Charisma alles zu bekommen und zu kontrollieren. Nach und nach bekommt sie eine Ahnung von der Vergänglichkeit ihrer Schönheit. Erst dann ist bereit zur Unterwerfung und wendet sich Escamillo zu.

 

Auf der anderen Seite gibt es da noch Don José, der zwischen seiner Liebe zur charismatischen Carmen einerseits, und einem bürgerlichen Leben mit der bodenständigen Micaela, Wunschkandidatin seiner Mutter, hin und her gerissen ist. Thoma erläuterte: „Don José ist nicht nur ein Muttersöhnchen, sondern musste nach dem frühen Tod seines Vater wohl auch früh Verantwortung übernehmen. In ihm baut sich ein gefährliches Gefühlschaos auf und führt wie bei einer Amok-Tat zur Katastrophe.“

 

Für die Premiere am 1. Februar gibt es noch Restkarten. Weitere Termine SO, 09. FEBRUAR 2014, SA, 15. FEBRUAR 2014, FR, 21. FEBRUAR 2014, MI, 05. MÄRZ 2014, SA, 08. MÄRZ 2014, SO, 16. MÄRZ 2014, SO, 23. MÄRZ 2014, DO, 27. MÄRZ 2014, SO, 20. APRIL 2014 und SA, 05. JULI 2014

Carmen – die Geschichte einer femme fatale

Kaum eine Oper ist bekannter als „Carmen“ von Georges Bizet. Am 01. Februar steht sie auf dem Spielplan der Oper Dortmund. Auf einer Matinee gaben Dramaturg Georg Holzer, der musikalische Leiter Gabriel Feltz sowie Regisseurin Katharina Thoma Einblicke in das Stück.

 

Es ist ja ironisch: Die Uraufführung von „Carmen“ am 03. März 1875 in Paris war ein Misserfolg für den Komponisten Bizet. Dass die Oper schon ein halbes Jahr später in Wien ein riesiger Erfolg wurde, erlebte Bizet nicht mehr. Er starb bereits am 03. Juni 1875 mit 36 Jahren.

 

Was macht die Faszination von „Carmen“ aus? Neben der Musik sicher die immer frische Thematik einer Dreiecksbeziehung. Denn die Titelheldin Carmen steht zwischen zwei Männern. Unerhört in der damaligen Zeit war wohl die lockere Moral in dem Stück und dass es sich bei Carmen um eine ziemlich selbstbewusste Frau handelt.

 

„Carmen ist ein Typ Frau, den es immer geben wird“, so Holzer. Die femme fatale ist Zigeunerin, kommt also aus der Unterschicht. Heute würde man Prekaritat dazu sagen. Carmen verdreht jedem Mann den Kopf, weil sie Unabhängig ist. „Carmen ist eine Frau, die weiß, wie man sich durchs Leben kämpft“, beschreibt Holzer die Titelheldin. Diese Unabhängigkeit macht ihrem Verehrer Don José zu schaffen.

Don José ist ein echtes Muttersöhnchen, wird durch seine Leidenschaft zu Carmen immer brutaler und unberechenbarer. Als sich Carmen in den Stierkämpfer Escamillo verliebt, kommt es zur Katastrophe. Don José ermordet Carmen.

 

Neben der Wandlung von Don José vom Muttersöhnchen zum Mörder ist auch die Wandlung von Carmen von Bizet spannend umgesetzt. Carmen beginnt als machtvolle Frau, die weiß, wie sie ihre Waffen einsetzen kann, bis sie vom Stierkämpfer Escamillio „bezwungen“ wird. Doch Kompromisslosigkeit, mit der sie ihre Schönheit einsetzt, kann nicht ewig weitergeführt werden. Denn Schönheit ist endlich. Was wäre mit Carmen wohl passiert, wenn sie nicht ermordet worden wäre? Ehefrau von Escamillo mit vielen Kindern oder müsste sie einsam als Bettlerin auf der Straße leben?

 

Das Stück wird in der alten Dialogfassung aufgeführt, denn „die Rezitativfassung wäre auch nicht natürlich“, so die Regisseurin Thoma.

 

Carmen wird gesungen von Katharina Peetz (oder von Ileana Mateescu), Don José singt Christoph Strehl und Morgan Moody übernimmt die Rolle von Escamillo.

 

Termine: SA, 01. FEBRUAR 2014, SO, 09. FEBRUAR 2014, SA, 15. FEBRUAR 2014, FR, 21. FEBRUAR 2014, MI, 05. MÄRZ 2014, SA, 08. MÄRZ 2014, SO, 16. MÄRZ 2014, SO, 23. MÄRZ 2014, DO, 27. MÄRZ 2014, SO, 20. APRIL 2014 und SA, 05. JULI 2014