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tt#14 8. Tag – Geständnisse von Bankern und Gewinner des Theatertreffens

Am Abschlusstag des NRW Theatertreffen 2014 boten das Theater Aachen im Studio des Dortmunder Schauspiels mit ihrem Stück „Das Himbeerreich“ von Andres Veiel unter der Regie von Bernadette Sonnenbichler eine bildhaft direkten Einblick in die Abgründe in die deregulierten Finanzmärkte unserer Zeit. „Himbeerreich“ ist übrigens ein von Gudrun Ensslin einmal während ihrer Gefängnishaft benutztes Synonym für den Kapitalismus.

 

Dem Publikum wurde beim Einlass auf einer die ganze Zeit gnadenlos laufenden „Schuldenuhr“ plastisch vor Augen geführt, in welchem Tempo die Verschuldung tatsächlich vor sich geht. Neben vier kleinen Tischen mit Rollstühlen als kalter Arbeitshintergrund waren auch vier „Goldbarren“ in einer Vitrine zu sehen. Eine Gitarre und Keyboard dienten der musikalische Untermalung. Zwischendurch benutzten die Schauspieler eine Tafel für anschauliche Darstellungen der komplexen und verwirrenden Zusammenhänge. Besonders witzig war, dass ab und an mit einer Fernbedienung „zurückgespult“ wurde und die Schauspieler dazu die passenden Bewegungen und Geräusche machten. Fast so echt wie auf einem Videoband.

 

Die Inszenierung war in acht Kapitel aufgeteilt. Zunächst wurde die Geschichte des Stück mit Video-Unterstützung durch einen SWR -Fernsehinterview mit dem Autor erzählt. Das Publikum erfuhr unter anderem so von dem „Schweigegelübde“, das den 25 Bankern aus Vorständen und Topmanagement Anonymität garantieren musste. Die sechs Schauspieler, darunter eine Frau, vereinten als fiktive Kunstfiguren mehrerer realer Personen.

 

Schnell ist klar, die Manager und Vorstandsmitglieder der Banken sind selbst gefangene eines Systems, dass sich vormacht, alles nur „to better the comfort of life“ zu machen. Es werden mit faulen Krediten und Versicherungen und Wetten auf Verluste kurzfristig exorbitante Gewinne gemacht, Risiken verschoben und kleingerechnet. Bis irgendwann das System zusammenbricht. Aber wie sagte einer Schauspieler so schön zynisch: „Sind ja alles nur Steuergelder“.

 

Besonders anschaulich machte die Aufführung die riesige Staatsverschuldung mit Reiskörnern im Vergleich zu anderen in verschiedenen Behältern. Die „faulen Kredite“ waren schön verpackt in einer Karton mit einem beruhigenden „Gütesiegel AAA“ der Rating-Agenturen. Rauchnebel aus dem Karton ließ sich aber nicht verdecken. Da stinkt etwas gewaltig.

 

Eine wichtige Rolle spielt die Politik. Nicht nur, dass sie den Bankern nicht auf die Finger schaut, sondern sie stachelt auch noch die Großmannssucht an. Deutschland soll ein internationaler Bankenplatz werden, daher muss eine transatlantische Zwangsehe über die Bühne gehen, koste es was es wolle. Selbst das Parlament soll sich „marktkonform“ verhalten. Dadurch macht sie sich aber erpressbar.

 

Warum bloß wird nur niemand wütend? Vielleicht weil sich niemand traut, vom Baum der Erkenntnis zu essen.

 

Danach fand die Preisverleihung statt. Den Jugend- und den Publikumspreis bekam „Die deutsche Ayşe. Den Preis für den besten Schauspieler erhielt Stefko Hunushevsky, den Ensemble-Preis ging nach Oberhausen für „Die Orestie“. Den Hauptpreis der Fachjury bekam „JR“ von den Wuppertaler Bühnen.

 

Die Redaktionsfavoriten „Minna von Barnhelm“ (Michael) und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (Lisa) hatten leider keine Chancen, aber wir sind auch nicht vom Fach.

 

Das wirklich gute Theatertreffen 2014 beendeten die Tiger Lillies mit ihrer großartigen Performance. Musikalisch angesiedelt in den 20er und 30er Jahren spielten sie Musik, die mal osteuropäisch, mal irisch, mal nach Brecht/Weill klang. Zuvor hatte der musikalische Leiter des Schauspielhauses, Paul Wallfisch, das Konzert eröffnet.