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Blick in die Psyche eines Reichsbürgers

Im Schatten des drohenden erneuten Lockdowns wegen der steigenden Corona-Fallzahlen im November hatte „Der Reichsbürger“ von Konstantin und Annalena Küspert unter der Regie von Jens Dornheim als neue Produktion des freien Theaters glassbooth am 30.10.2020 im Theater im Depot seiner Uraufführung.

Die Thematik und wachsende Problematik der sogenannten „Reichsbürger“ ist wieder ein kontroverser Stoff und dabei hoch aktuell. Trotz ihrer uneinheitlichem diversen Erscheinungsformen und Auftretens eint sie, dass sie die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Für sie ist das Land seit dem Kriegsende nicht wirklich souverän und nur eine GmbH, deren Gesetze für die Reichsbürger nicht gelten.

Der Protagonist in der als Reichsbürger-Monolog konzipierten Inszenierung wird von Schauspieler Sebastian Thrun eindrucksvoll und fast erschreckend glaubhaft auf der Bühne dargestellt. Er bezeichnet sich als „Selbstverwalter“ und provoziert das Publikum gleich zu Anfang mit der ironischen Bemerkung, wegen ihm müssten die Zuschauer*innen keinen Mund-Nasenschutz tragen.

Sebastian Thrun überzeugte als wortgewandter "Reichsbürger" im gleichnamigen Stück. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun überzeugte als wortgewandter „Reichsbürger“ im gleichnamigen Stück. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Von Beruf Elektriker, könnte der Protagonist aber ein sehr guter Verkäufer auf einer Werbeveranstaltung sein. Er kommt als wortgewandter Menschenfreund daher, der eigentlich nur seine Ruhe will, nicht plump aggressiv.

Er stellt provokative Fragen, weist geschickt auf Missstände (marode Straßen, kein Geld für Bildung, „Migranten-Kriminalität“ u.s.w.) hin, gegen die man doch etwas tun müsse. Das Recht auf Waffenbesitz eines jeden Bürgers ist ihn ein selbstverständliches „Recht“ um sich und seine Familie zu schützen. Dass der freie Waffenbesitz etwa in den USA vielen Menschen das Leben kostet, wird wohlweislich ignoriert.

Widersprüche zwischen gespielter Toleranz, Naturverbundenheit, Humanität und offen zur Schau getragenen Überlegenheit des „Deutschen“ gegenüber dem „Fremden“ werden nicht zur Diskussion gestellt. So beruft er sich auf unter anderem auf Albert Einstein als als einer der „großen Deutschen“, um dann eine herablassende Bemerkung gegen Juden loszulassen. Obwohl er wohl auch gerne mal beim „Syrer, Chinesen, Türken oder anderen“ essen geht, wird die Bereicherung unseres Lebens durch fremde Kulturen geleugnet.

Der „Selbstverwalter“ hat den Durchblick und weiß, wer im Hintergrund die Strippen zieht. Kanzlerin Angela Merkel wird nur als „IM“ Merkel bezeichnet. Offen bekennt er im Gegensatz zu den „Linksliberalen“ einfache Erklärungen und Lösungen für komplexe Zusammenhänge zu haben.

Wie alle Rattenfänger versucht er, Menschen bei ihren Ängsten und Befürchtungen zu packen und sie für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Die Vorteile (Rosinen) des abgelehnten Staatssystems nimmt er jedoch gerne für sich in Anspruch, wenn es ihm zu pass kommt.

Eine starke Leistung von Thrun, die Zuschauerinnen und Zuschauer aber auch mit einem ambivalenten Gefühl zurück lässt.

Die Inszenierung verdeutlicht, wie sehr wir aufpassen müssen, kritisch zu reflektieren und nicht auf einfach Lösungen oder „Heilsbringer“ herein zu fallen.

Der Reichsbürger – Inneneinsichten eines Querdenkers

Deutschland ist nur eine GmbH? Das Land immer noch besetzt? Das Deutsche Reich besteht fort? Es gibt Menschen, die das glauben und verbreiten – sogenannte Reichsbürger. Im Theater im Depot präsentiert das Theater glassboth das Stück „Reichsbürger“ von Annalena und Konstantin Küspert. Premiere ist am 30.10.2020.

Die Reichsbürger sind keine homogene Gruppe. Es gibt so manche selbsternannte Reichskanzler oder gar Kaiser, die auf ihrem Grund und Boden eigene Dokumente wie Pässe oder Führerscheine ausstellen. Doch es gibt auch einige, die sich als „Selbstverwalter“ ansehen und versuchen, sich vom Staat abzunabeln. Das klingt doch auf den ersten Blick nicht verkehrt, oder?

Genau in diese Schnittstelle zwischen „klingt doch ganz logisch“ und „was für ein Blödsinn“ setzt das Stück an. Denn der Reichsbürger, gespielt von Sebastian Thrun ist klein plumper Wutbürger oder selbsternannter Kaiser, sondern wirkt ganz vernünftig und versucht das Publikum mit geschickten Fragen und Argumenten auf seine Seite zu ziehen.

Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als  "Reichsbürger"  in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als „Reichsbürger“ in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Für die Reichsbürger ist die Sache einfach: Sie haben den Durchblick und die anderen schlafen noch. Sie wissen, wie das System funktioniert und wer als Strippenzieher dahinter steckt.

Die Gefährlichkeit darf man dabei nicht außer acht lassen. Für NRW sollen rund 3.200 Reichsbürger bekannt sein, früher wurden sie nur als Spinner belächelt, doch mit immer häufigeren Waffenfunden ist klar, dass diese Gruppierung nicht so ganz harmlos ist.

Regisseur Jens Dornheim hat das Stück als Reichsbürger-Vortrag konzipiert. Daher ist das Publikum nicht nur stiller Beobachter, es kann sicherlich passieren, dass manche Thesen des Reichsbürgers auf Widerspruch aus dem Publikum stoßen. Eine spannende Aufgabe für Schauspieler Sebastian Thrun.

Die Premiere ist am 30.10.2020 um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen sind am 31.10., 08.11., 13.11. und 14.11.2020. Weitere Informationen unter www.depotdortmund.de

Ein Abend mit Willem

Die Geschichte des 30jährigen Willem erzählt die Komödie „Willems Wilde Welten“ im Theater im Depot. Der Mann steckt in einer tiefen Sinnkrise und sucht als ersten Ausweg eine Therapeutin auf. Hier beginnt eine Reise der Erkenntnis durch Abgründe der Vergangenheit und absurde Traumsequenzen. Rückblicke, Träume und Gegenwärtiges wechseln sich ab bei Willems Suche nach dem Glück.

Die Komödie des freien Theaters „glassbooth“ plante Regisseur Jens Dornheim als Fortsetzung des Stückes Container Love aus dem Jahr 2014.

Einige Sequenzen standen schon länger fest, es bedurfte aber einer Verknüpfung der Ideen und eines roten Fadens, um nicht in einer Nummernrevue zu landen. Gemeinsam mit Dominik Hertrich, mit dem Jens Dornheim schon mehrfach zusammengearbeitet hatte, entwickelte der Regisseur die Geschichte um die Hauptperson Willem, gespielt von Dietmar Meinel.

Die Titelfigur führt die Zuschauer durch ein Leben voller Zurückweisungen und Niederlagen. Sein Kostüm, bestehend aus einem beigen Hemd und einem Wollpollunder, der in die zu kurze Anzughose gestopft ist, unterstreicht das Loser-Dasein, das Willem in die Krise gestürzt hat. Während seiner Therapiesitzung erzählt er von Erniedrigungen auf dem Schulhof durch brutale Zwillingsbrüder, der Unfähigkeit sich mit einem Mädchen zu unterhalten, geschweige denn sich zu verabreden und einer grotesken Szene am Abendbrottisch der Familie. Diese wird in eine Videosequenz eindrücklich dargestellt. Ein despotischer Vater hält Frau und Kind mit strengen Regeln unter seiner Kontrolle. Als der Vater den Geschmack der abendlichen Suppe kritisiert und neues Essen einfordert, geht seine Frau in die Küche, nimmt einen gebrauchten Tampon und rührt das Blut in die helle Suppe, voilà ein neues Gericht. Dem Vater schmeckt es, Mutter ist kurzfristig gerettet, der kleine Willem starrt mit großen Augen hungrig auf seinen leeren Teller. Dieser bleibt leer, da seine Mutter nur ihren Mann bestrafen will. So mancher Zuschauer konnte angeekelte Laute nicht unterdrücken.

Auch eine Szene im Arbeitsamt war optisch schwer zu ertragen. Willem sitzt einem sabbernden dicken Mitarbeiter, der aus der Psychiatrie entsprungen scheint, gegenüber und muss sich mit Formalitäten herumschlagen. Die Dialoge sind so absurd, dass man viel Sympathie für den verzweifelten Willem entwickelt. Viele Lacher ernten die Schauspieler auch, als Willem bei der Automatenfee (Foto) ein Passbild anfertigen will, was natürlich misslingt.

Willem (Dietmar Meinel) hat kein Glück beim Passbildautomaten. (Foto: © Anja Cord)
Willem (Dietmar Meinel) hat kein Glück beim Passbildautomaten. (Foto: © Anja Cord)

In einer Castingshow mit mehreren Videoeinspielern nimmt Willem die Rolle des Chefs ein und agiert prompt nach dem Vorbild seines Vaters mit machtbesessenen Starallüren. Die Einspieler sind gespickt mit Zitaten von Woody Allen bis Dieter Hallervordens Palim Palim.

Im Schlussbild des Stückes kommt es zu einem versöhnlich Abschluss. Mit Tiermasken verkleidet lauschen die Schauspieler Opa Walters Märchenkiste, und im Kreis der Tiere schöpft Willem Vertrauen. Er beginnt befreit zu tanzen und fühlt sich in die Gemeinschaft aufgenommen.

Das sechsköpfige Ensemble, bestehend aus Dietmar Meinel, Safiye Aydin, Dominik Hertrich, Timo Josefowicz, Timo Knop und Aless Wiesemann meistert die Aufgabe des ständigen Rollenwechsels mit Bravour.

Das durch geschickt eingesetzte Garderobenständer schnell wandelbare Bühnenbild wurde von Sabine Bachem in Szene gesetzt, die Filmsequenzen drehten Dirk Gerigk und Stefan Bahl von bs-Film, einem langjährigen Partner der Theatergruppe.

Das Stück wird nach der Sommerpause am 22. September wieder im Theater im Depot zu sehen sein.

Theaterstück „Der Weibsteufel“ ins Ruhrgebiet vor hundert Jahren verlegt

Die freie Theatergruppe glassbooth wurde vor15 Jahren von Jens Dornheim und Gordon Stephan ins Leben gerufen. Mit ihren besonderen Stücken haben sie seitdem in unterschiedlichen Schauspieler-Besetzungen an verschiedenen Spielorten im Ruhrgebiet und darüber hinaus das Publikum überrascht. Eine intensive Kooperation gibt es mit dem Theater im Depot in Dortmund.

Hier sei nur an das erste selbst verfasst Stück der Gruppe „CONTAINER LOVE“, das 2014 und 2015 erfolgreich dort gespielt wurde erinnert.

Mit einem in mehrerer Hinsicht bemerkenswerten Produktion kommt „glassbooth“ mit „Der Weibsteufel“, einem Drama von des österreichischen Schriftstellers Karl Schönherr (1867 – 1943) und den drei Schauspielern Alexandra Lowygina, Ulrich Penquitt und Carl Bruchhäuser in das Theater im Depot.

Regie führt Jens Dornheim, die Idee hatte Alexandra Lowygina, für den musikalischen Hintergrund Musik ist Danny-Tristan Bombosch verantwortlich. In einer dynamischen Teamarbeit wurde das Stück zusammen entwickelt. Dazu gehörte auch Dorothee Ahrens (Kostüme) und Sabine Bachem (Bühne).

Das Team des theaters glassbooth für die Produktion "Der Weibsteufel": (v.l.n.r.) Danny-Tristan Bombosch (Musik), Sabine Bachem (Bühne) Ulrich Penquitt (Schauspieler), Alexandra Lowygina (Schauspielerin), Carl Bruchhäuser (Schauspieler) und jens Dornheim (Regie).
Das Team des theaters glassbooth für die Produktion „Der Weibsteufel“: (v.l.n.r.) Danny-Tristan Bombosch (Musik), Annika Loomann (Regieassistentin) Ulrich Penquitt (Schauspieler), Alexandra Lowygina (Schauspielerin), Carl Bruchhäuser (Schauspieler) und jens Dornheim (Regie).

Der ursprünglich in Österreich spielende „Alpenkrimi“ (mit entsprechender Sprache) wurde in das Ruhrgebiet kurz nach dem Ersten Weltkrieg zur Zeit des Ruhrkampfes. In einer alten Baracke leben ein Schmuggler und seine Frau, die er darauf ansetzt, einem Leutnant schöne Augen zu machen und abzulenken. Dieser verdächtigt den Schmuggler, mit den „Roten“ zu sympathisieren und sie mit Waren und Waffen zu versorgen. Es stellt sich für alle die Existenzfrage. Der Schmuggler träumt vom Häuschen und finanzielle Absicherung, dem Leutnant geht es um seine Karriere. Dazwischen steht die Frau. Die möchte eigentlich gerne ein Kind. Es entspinnt sich sich eine höchst emotionales Drama und eine amour fou im Ruhrgebiet und die Personen drohen sich in ihren eigenen Intrigen zu verstricken….

Wie Bombosch erklärte, werden die Spannungen mit basslastiger Synthesizer-Musik unterlegt und verdeutlicht.

Das Bühnenbild entspricht einer Baracke und wird, passend zu der Zeit, einige Accessoires des Expressionismus (Stichwort: das Cabinet des Dr. Caligari) aufweisen.

Die Kostüme sind, soviel sei verraten, an die Zeit vor hundert Jahren angelehnt. Die Sprache ist bewusst hochdeutsch mit einem leichten rauen „Ruhrgebiets-Unterton“und kein klischeehafter Ruhrgebiets-Slang. Es handelt sich ja nicht um eine Komödie oder Kabarett-Programm.

Interessant wird wohl sein, wie die emanzipatorische Entwicklung der Frau auf die Bühne gebracht wird.

Die Aufführung dauert ungefähr 110 Minuten und die Premiere findet am Freitag, den 26.10.2018 um 20:00 Uhr im Theater im Depot Dortmund (Immermannstraße 29).

Kartenreservierungen:

Theater im Depot: 0231/ 98 22 336 (AB) oder ticket@theaterimdepot.de oder an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Weitere Termine für „Der Weibsteufel“ 2018:

Samstag, 27. Oktober 20:00 Uhr, Theater im Depot

Freitag, 02. November 19:00 Uhr, Magazin Gladbeck

Sonntag, 04. November 18:00 Uhr, Magazin Gladbeck

Donnerstag, 08. November 20.00 Uhr, Theater im Depot Dortmund

Freitag, 09. November 20:00 Uhr, Theater im Depot Dortmund

Samstag, 17.November 20:00 Uhr, Katakomben Theater Essen

Samstag, 24. November 19:30 Uhr, Rottstr 5 Theater! Bochum

Luther im Theater im Depot

Luther (mit dem Doktorhut). Foto: (© glassbooth)
Luther (mit dem Doktorhut). Foto: (© glassbooth)

Das Theaterstück „Luther“ von John Osbourne wird am 23. Oktober 2016 um 18 Uhr von mit Profis und Laien aus Gladbeck und der Region unter der Leitung der Theatergruppe „glassbooth“ in Theater im Depot aufgeführt.

 

Inhalt: Das 1960 verfasste Theaterstück von John Osborne umspannt den Zeitraum von 1506-1530. Martin Luther (Dominik Hertrich) ist hier kein Held im klassischen Sinne. Osborne führt Luther vielmehr als Zweifler vor, nicht nur als Zweifler an Papst und Kaiser, sondern vor allem als Zweifler an sich selbst, als einen Getriebenen, zerrissen zwischen Geist und Welt, zwischen eigenen Idealen und väterlichen Erwartungen, zwischen Hoffnung auf Erlösung und Einsicht in die eigene Fehlbarkeit.

 

Dadurch, dass in die Produktion Menschen aller Bevölkerungsschichten einbeziehen und Laien mit erfahrenen Theatermachern zusammenarbeiten können, werden vermeintliche Barrieren abgeschafft und alle Beteiligten hatten und haben die Möglichkeit voneinander zu lernen und zu profitieren.

Im Blick auf das kommende Lutherjahr 2017 können sich interessierte reformatorische Zentren und Kirchen in NRW als Gastspielorte bewerben und die Produktion buchen. Mehr Infos unter www.glassbooth.de

Die freie Theatergruppe glassbooth wurde im November 2003 von Jens Dornheim gegründet. Der für den (deutschen) Betrachter zunächst ungewöhnliche Name geht zurück auf die erste Produktion der Gruppe: „Der Mann im Glaskasten“ („The man in the glassbooth“) von Robert Shaw, das im Oktober 2004 als deutsche Uraufführung auf die Bühne gebracht wurde. Seither adaptiert die Gruppe unter der Leitung von Jens Dornheim jedes Jahr neue Stoffe, oft ungewöhnlich oder kontrovers – für Gesprächsstoff sorgt die Theaterformation jedoch immer.

2015 gewann glassbooth den Sonderpreis der Jury bei den Petra Meurer Theatertagen für das erste selbstverfasste Stück der Gruppe, „Containr Love“, das 2014 und 2015 gespielt wurde.

Die Aufführung im findet am Sonntag den 23. Oktober um 18:00 Uhr im Theater im Depot, Immermannstr. 29 statt. Vorverkauf über www.depotdortmund.de und 0231-982120
Ticketpreise: 14 Euro VVK, 16 Euro AK