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Emotional aufwühlende Sinfonie in Umbruchzeiten

Die Konzerte der Dortmunder Philharmoniker haben in dieser Spielzeit einen Bezug zum Revier. Unter dem Titel „Im Ruhrgebiet geboren“ stand am 26. und 27.03.2024 beim 7. Philharmonischen Konzert die viersätzige 6. Sinfonie (a-Moll) von Gustav Mahler (1860-1911) auf dem Programm. Ars tremonia war am 26.03.2024 mit dabei.

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1. Philharmonisches Konzert – musikalischer Neustart mit Bruckner

Endlich ist die Zeit vorbei, in der man die Dortmunder Philharmoniker nur auf CD hören könnte, am 14. Und 15. September 2021 startete das Orchester mit seinem Generalmusikdirektor Gabriel Feltz in die neue Spielzeit. Unter der Überschrift „Gottestürme“ stand Bruckner 5. Sinfonie auf dem Programm, ein musikalischer Gigant, der in 80 Minuten vermessen und analysiert wurde.

Nichts gegen Spotify, sie haben eine Reihe schöner Aufnahmen von Anton Bruckners 5. Sinfonie in ihrem Angebot, aber nichts geht über die Erfahrung eines Live-Konzertes. Husten, Rascheln, das Stimmen der Instrumente, all das macht das Erlebnis einzigartig. Wenn dann noch die Blechbläser und die Pauken mit ihrer Kraft in der Magengegend zu spüren sind, das bekommt man auch mit dem besten Kopfhörer nicht hin.

GMD Gabriel Feltz eröffnete die neue Spielzeit mit seinen Dortmunder Philharmonikern. (Foto: © Jürgen Altmann)
GMD Gabriel Feltz eröffnete die neue Spielzeit mit seinen Dortmunder Philharmonikern. (Foto: © Jürgen Altmann)

Die 5. Sinfonie ist durch ihr Hauptthema in den letzten Jahren wieder ins Bewusstsein der Menschen gelangt, denn es klingt so ähnlich wie der Gitarren-Riff von „Seven Nation Army“ von der Band „The White Stripes“. Ob Jack White Bruckners Sinfonie jemals gehört hat und sich bewusst oder unbewusst hat inspirieren lassen, bleibt offen.

Jedenfalls ist das „kontrapunktische Meisterstück“, so Bruckner selbst über die 5. Sinfonie, ein ordentliches Stück Arbeit für die Blechbläser und den Paukisten Frank Lorenz. Aber sie hat auch zärtliche Momente wie der Beginn des Adagios, die von der Oboe getragen wird und von Christiane Dimigen behutsam vorgetragen wurde.

Die Aufgabe von Gabriel Feltz war es, in der sehr komplexen Sinfonie die musikalische Dramaturgie zu finden. Der Wechsel zwischen Steigerung und Spannungsabbau ist in dieser Sinfonie essenziell. Auch das schafft der Generalmusikdirektor gekonnt, indem er fast zu einer Art „Mischpult“ mutiert und die einzelnen Gruppen mal lauter mal leiser spielen lässt.

Ja, die 5. Sinfonie ist eine Art Tonkathedrale, die vor allem im Schlusssatz ihre Wunder und ihre Kraft präsentiert. Daneben bietet der 2. Satz wunderbare Momente der Ruhe und des Innehaltens.

Musikalisch ist der Start in die neue Spielzeit der Dortmunder Philharmoniker gelungen. Beim Blick durch die Besucherränge schien es, als ob das Vertrauen in die Zeit der “Post-Pandemie” noch nicht ganz zurück ist. Es wird wohl einige Zeit dauern, bis alle sich wieder an volle Konzerthäuser gewöhnt haben, ohne Angst vor Ansteckung zu haben. Die Philharmoniker jedenfalls haben am Dienstag ihr Bestes gegeben, um die Besucher*innen wieder ins Konzerthaus zu locken.

Trotz kleinerer Besetzung: Carmina Burana verzückte Publikum

Eine begeisternde Eröffnung gelang den Dortmunder Philharmonikern mit der „Carmina Burana“. Ein kraftvoller, monumentaler Auftakt mit dem beliebten „Oh Fortuna“ riss das Publikum schon zu Beginn des Konzertes mit. Aufgeführt wurde eine reduzierte Orchesterfassung in der Bearbeitung von Andreas Högstedt. Die kleinere Besetzung tat dem Genuss keinen Abbruch, im Gegenteil: der kammermusikalische Klang überzeugte auf Anhieb.

Um alle Abstände einzuhalten, saßen nur 31 Musiker auf der Bühne, die Sänger des Philharmonischen Chores Brno waren auf den Emporen verteilt, der Kinderchor der Chorakademie sang aus den Foyers durch die geöffneten Saaltüren und war praktisch nicht zu sehen. In dieser etwas unbequemen Anordnung aller Beteiligten die Fäden in der Hand zu halten gelang Dirigent Gabriel Feltz hervorragend.

Carl Orff schuf mit seiner Carmina Burana ein Meisterwerk der Musikgeschichte. Die Texte von mittelalterlichen Liedern und Schwänken fand er in einem Antiquariatskatalog bebildert mit dem Rad der Fortuna, war sofort inspiriert. Er schuf noch am gleichen Tag den das gesamte Werk einrahmenden Chor der Fortuna. Orff zieht die Zuhörer mit in verschiedene Szenerien, sie reichen vom Anbrechen des Frühlings, gefolgt von „Auf dem Anger“ und in der Taverne bis zum „Cour d‘ Amour“, dem Hof der Liebesabenteuer. Die meisten Texte sind in Latein verfasst, wenige in mittelhochdeutsch. Musikalisch sehr abwechslungsreich vom fröhlichen, deftigem Bauerntanz, zu leisen weichen Melodien und fast jazzigen, Gershwin ähnlichen Klängen, setzten die Musiker das Werk temporeich und forciert um.

Das Konzerthaus hat ebenfalls ein ausgeklügeltes Corona-Konzept für Konzerte entwickelt. (Foto: © Anja Cord)
Das Konzerthaus hat ebenfalls ein ausgeklügeltes Corona-Konzept für Konzerte entwickelt. (Foto: © Anja Cord)

Die Solisten Aleksandra Jovanovic (Sopran), Cornel Frey (Tenor), Thomas Mohr (Bariton) brillierten mit ihren Auftritten. Besonders Bariton Thomas Mohr erwies sich als schauspielerisches Talent mit ausgeprägter Mimik und Ansätzen zur Komik.

Das Publikum belohnte den gelungenen Start unter Coronabedingungen mit Standing Ovations.

Musikalisch schwungvoller Start in das Jahr 2020

Traditionell luden die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor wieder mit einer Nachmittags- und einer Abendvorstellung zu einem festlichen Neujahrskonzert. In diesem Jahr erstmals als Kooperation in das Dortmunder Konzerthaus. Dies ist ja auch ihr eigentlicher „Heimatort“. Ars tremonia war beim Abendkonzert mit dabei.

Mit einem orchestrales Feuerwerk ging es schwungvoll mit der brillanten Musik von George Gershwin, Maurice Ravel und Leonard Bernstein in das neue Jahrzehnt. Die Komponisten sind auf die eine oder andere Weise miteinander künstlerisch durchaus verbunden. Spuren davon führen vom Kaleidoskop Amerika über Frankreich (Europa) und wieder zurück.

Temperamentvoll, karibisch anmutend ging es mit der „Cuban Overture“(1932) von George Gershwin sofort sehr dynamisch los.

Nicht nur die Dortmunder Philharmoniker , auch ars tremonia wünscht ein frohes neues Jahr 2020. (Foto: © Samkh/pixabay)
Nicht nur die Dortmunder Philharmoniker , auch ars tremonia wünscht ein frohes neues Jahr 2020. (Foto: © Samkh/pixabay)

Für die 1924 entstandene bekannte „Rhapsody in Blue“ (George Gershwin) konnte die in Frankreich lebende „junge Wilde“ Pianistin Lise de la Salle (*1988) gewonnen werden. Sie konnte im feinen Zusammenspiel mit der Dortmunder Philharmoniker ihr ganzes Können zeigen. Die Herausforderung der rasanten Passagen meisterte sie mit musikalischen Virtuosität, während die ruhigeren Abschnitt von ihr gefühlvoll vermittelt wurden.

Die hiesigen Philharmoniker unter der temperamentvollen Leitung von Gabriel Feltz gelang es dann, die entfesselnde Energie der „Rhapsody Espagnole“ (1908) von Maurice Ravel für das Publikum spürbar zu machen.

Ein Höhepunkt des Konzerts war sicherlich der legendäre „Boléro“ von Ravel(1928). Das fast meditative musikalische Grundthema, nur ab und zu variiert, entfaltete seine grandiose Wirkung. Begleitet von der „kleinen Trommel“, spielen zunächst verschiedene einzelne Blasinstrumente das musikalische Thema, wobei das Tempo stetig aber langsam erhöht wird. Später kommt die Streicherfraktion hinzu, bis das Ganze in einem fulminantem Showdown des gesamten Orchesters gipfelt.

Es zeigt sich hier besonders, wie wichtig das exakte Zusammenspiel der verschiedenen Instrumente ist.

Das könnte man erfolgreich auf das gesellschaftliche Zusammenleben übertragen. Mehr ist im Zusammenspiel und -halt zu erreichen!

Zum Abschluss stand dann noch Leonard Bernsteins „Ouvertüre zu „Candide“ (1956) als schwungvolle Ergänzung auf dem Programm.

Diese verquere Ouvertüre mit seien wechselnden Taktarten und übereinanderliegenden Metren war ein anspruchsvolles musikalisches Stück, dass den Beteiligten noch einmal alles abverlangte.

Sehnsucht – Zweifel – Angst: Lohengrin in der Oper Dortmund

Es war wohl klar, dass Ingo Kerkshofs Inszenierung von Wagners „Lohengrin“ nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde. Zusammen mit einem recht spartanischen, aber durchaus effektvollen Bühnenbild macht Kerkhof klar, hier gibt es keine Schwäne oder glänzende Ritter zu sehen. Hier wird eine Geschichte aus dem Blickwinkel von Elsa von Brabant erzählt, die zusammen mit ihrer Rivalin Ortrud um Macht in einer von Männer dominierten Gesellschaft kämpft. Ein Premierenbericht von ars tremonia.

Die Handlung der Oper in Kurzform: Der deutsche König Heinrich sucht in Brabant Hilfe für einen Feldzug gegen die Ungarn. Dabei muss er feststellen, dass der Herzog tot ist und es um die Nachfolge Streit gibt. Friedrich von Telramund, der sich um die beiden Waisen Elsa und Gottfried kümmern sollte, klagt Elsa an, ihren Bruder umgebracht zu haben. Der König lässt ein Gottesurteil anrufen und plötzlich erscheint, von einem Schwan gezogen, Lohengrin, der aber seinen Namen nicht verraten darf. Er besiegt Telramund, aber lässt ihm sein Leben. Elsa und Lohengrin heiraten und Lohengrin verlangt von Elsa das berühmte Versprechen „Nie darfst du mich befragen“. Ortrud, die Frau von Telramund, gelingt es aber, Zweifel in Elsa zu sähen. Und es kommt wie es kommen muss: Elsa fragt voller Angst Lohengrin nach Rang und Namen und er gibt vor dem König sein Geheimnis preis. Danach muss er wieder entschwinden, aber sagt, dass Gottfried der Schwan sei, der ihn gezogen hat und in einem Jahr wieder auftaucht.

Geschichten, Legenden und Mythen über Menschen, die sich (eine Zeitlang) in Tiere verwandeln gibt es in jeder Kultur. In Japan gibt es die Geschichte über einen Kranich, der sich in eine Frau verwandelt und die Geschichte mit Leda und dem Schwan (Zeus) ist sicher bekannt. Kerkhof verquickt in seiner Inszenierung durch Zitate, die auf der Bühne eingeblendet werden, den „Lohengrin“ Mythos mit dem Märchen von „Brüderchen und Schwesterchen“. Im letzteren verwandelt sich der Bruder in ein Reh.

Lohengrin (Daniel Behle) ist ziemlich ratlos, im Hintergrund Elsa (Christina Nilsson). Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture
Lohengrin (Daniel Behle) ist ziemlich ratlos, im Hintergrund Elsa (Christina Nilsson). Foto: © Thomas Jauk, Stage Picture

Die große Schwester wird hier zum Mutterersatz und der Bruder zum Kind. Der Sehnsuchtstraum von Elsa nach ihrem Bruder manifestiert sich in der Gestalt von Lohengrin, hier als erwachsener Mann. Ortrud ist das schlechte Gewissen von Elsa, das sie vor dieser verbotenen Liaison warnt. Bevor es aber ernst wird, also die Hochzeitsnacht naht, stellt Elsa Lohengrin die verbotene Frage: Wer bist du wirklich. Lohengrin muss Farbe bekennen und verschwinden. Aus dem Traumbild Lohengrin kann wieder die reale Person Gottfried werden.

Andererseits präsentiert Wagner auch zwei Frauen in seiner Oper, die eine starke Rolle spielen, denn beide wollen an die Macht. So wie Elsa sich nicht zu Seite schieben lassen will, kämpft Ortrud um ihre Position. Dabei tritt sie ihren Mann Friedrich von Telramund durchaus mal in den Hintern, wenn er zu sehr zögert. Interessanterweise sind die Männerrollen in Kerkhofs Inszenierung durchaus nicht die starken Streiter, wie sie zu sein scheinen. Der König Heinrich ist im Streitfall wenig entscheidungsfreudig und lässt lieber ein Gottesurteil ausfechten, Friedrich von Telramund hat erst große Klappe, versteckt sich aber beim kleinsten Widerstand unter dem Rock seiner Frau und Lohengrin setzt mit einen Forderungen Elsa unter Druck statt ihr beizustehen.

Neben einer inhaltlichen Analyse steht natürlich die Musik im Vordergrund. Wagners Musik zu Lohengrin hat auch nach fast 170 Jahren nichts an seiner Kraft verloren. Das Hochzeitslied aus dem 3. Akt ist so populär geworden, dass es fast den Rest in den Schatten stellt. Doch wer sich darauf einlässt, wird feststellen, wie kraftvoll die Musik ist trotz der 3 ½ Stunden. Das ist auch ein Verdienst der Dortmunder Symphoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz.

Sehr schön war die Idee, den Chor im Zuschauerraum zu verteilen. Es machte den Eindruck, dass alle Anwesenden ein Teil der Inszenierung wurden. Auch die zusätzlichen Trompeten erklangen aus dem Saal.

Auf der Bühne (Bühnenbild Dirk Becker) wirkte alles etwas farblos. Die Akteure tragen Kleider, die aus Wagners Zeiten stammen, aber niemand trägt etwas farbiges. Das Zimmer von Elsa sieht ärmlich aus, die Einrichtung kann auch aus dem 19. Jahrhundert stammen. Der Außenbereich wird durch einige Stoppeln kenntlich gemacht.

Neben dem Orchester sind natürlich die Sängerinnen und Sänger das wichtigste Element. Leider hat Kerkhof die Protagonisten sehr statisch arrangiert. Es gab kaum schauspielerische Aktionen, außer vielleicht zwischen Ortud und Elsa, ansonsten hätte man alles auch szenisch aufführen können.

Man merkte sofort, dass Morgan Moody besondere Freude an seiner Rolle als Heerrufer des Königs hatte. Souverän sangen Shavleg Armasi (Heinrich der Vogler) und Joachim Goltz (Friedrich von Telramund) ihren Part. Daniel Behle, erschien nicht als glänzender Ritter wie erwähnt, seine Stimme war an diesem Abend aber über jeden Zweifel erhaben.

Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Oper „Elsa und Ortrud“ geheißen hätte, denn Christina Nilsson (Elsa) und Stéphanie Müther (Ortrud) gaben den beiden starken Frauen ein ebenso starkes gesangliches Profil.

Ein Abend, der wegen der gewagten Inszenierung sicher nicht jedem gefiel, aber durch Musik und Stimmen zu einem gelungenen Abend beitrug.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de

Sankt Petersburg im Blickpunkt der Dortmunder Philharmoniker

Am 05.11.2019 und 06.11.2019 stand „Sankt Petersburg“ im Mittelpunkt beim 2. Philharmonischen Konzert der Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Die russischen Komponisten Sergej Rachmaninow (1873–1943) und Peter Tschaikowsky (1840 – 1893) waren eng und nicht immer ungetrübt mit der Stadt Sankt Petersburg verbunden.

Im Dortmunder Konzerthaus erwartete das Publikum in der ersten Hälfte ein interessantes Experiment.

Fünf „Études-Tableaux“, sogenannte Miniatur-Kompositionen wie Gabriel Feltz sie nannte, von Rachmaninow wurden zunächst einzeln vom renommierten Pianisten Bernd Glemser gespielt, und jeweils danach im Wechsel in einer Orchesterfassung (Ottorino Respigh) von den hiesigen Philharmoniker.

Für die Orchesterfassung hatte Rachmaninow dankbarer Weise für die jeweiligen Miniatur-Kompositionen bezeichnende Titel vorgegeben. Nr. 1 hieß passend „Die See und die Seemöwen.

Genau dieses Bild vermittelte die Musik mit einem harmonisch ruhigen Beginn und den „Turbulenzen“ zwischendurch. Virtuos sehr anspruchsvoll waren die fünf „ Études Tableaux“ nicht allein für den Pianisten, sondern natürlich für ein komplexes musikalisches System wie ein Orchester. Allen Beteiligten wurde viel abverlangt.

Interessant war der Vergleich der beiden Versionen, die eigene Stärken und Möglichkeiten des Pianos und des Orchesters verdeutlichten. Das Ausdrucksstarke Klavierspiel mit individuellen Betonungen auf der einen, und die Klangvielfalt durch die unterschiedlichen Instrumente auf der anderen Seite.

Nr. 2 bot einen temperamentvollen „Volkstanz“ und Nr. 3 einen entschieden gravitätischen „Trauermarsch“. Eine besondere Herausforderung war Nr. 3 „Rotkäppchen und der böse Wolf“ mit seinen rasanten Tempo. Als Abschluss dieses gelungenen Experiments bot Nr. 5 einen „Marsch“ mit eher flotten Volkstanzfest-Atmosphäre.

Virtuosität und eine musikalische Tiefe waren auch für die nach der Pause folgende 1. Sinfonie g-Moll op. 13 „Winterträume“. Es ist eine musikalische Reise durch winterliche Russland im 19. Jahrhundert mit all seinen Freuden, aber auch Härten.

Der erste Satz „Träumerei auf winterlicher Fahrt“ beginnt noch recht träumerisch lyrisch und harmonisch, gesteigert mit einigen furiosen Akkorden. Auf eine wechselhafte und rauere musikalische Fahrt geht es im zweiten Satz „Rauhes Land, Nebelland“. Unbeschwerter und melodisch harmonischer geht es im dritten Satz (Scherzo) weiter. Der letzte Satz fängt mit düsteren Fagott, Klarinette und Flötenklängen an und steigert sich in Folge dynamisch, um dann wieder abzufallen.

Reizvoll ist der Gegensatz zwischen wilden Fugen-Episoden und markanten Hauptthema zum furiosen Finale hin für eine virtuose Schlusssteigerung.

Stummfilmkonzert voll revolutionärer Dramatik

Die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz hatte sich mit „Panzerkreuzer Potemkin“ von Sergej Eisenstein (1898 – 1948) am 26.03.2019 einen besonderen Film in aufregender revolutionärer Zeit Russlands ausgewählt.

Eine dazu passende Musik stammte von Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975) und entstand als Auftragsarbeit des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei für eine Jubiläumsfeier 1925 aus Anlass des Aufstands auf dem Panzerkreuzer. Gezielt ausgewählte Abschnitte aus seinen Vierten, Fünften, Achten, Zehnten und Elften Sinfonien unterstreichen die dramatischen Bilder der „Meuterei“ russischer Matrosen auf dem Panzerkreuzer Potemkin im Jahr 1905.

Zum Hintergrund:

Die verheerende Niederlage im Russische-japanischen Krieg 1905 mit den sozialen Folgen brachte den wachsenden Unmut der betroffenen Menschen gegen das repressive Zarenreich zum Kochen.

Bei den Matrosen auf dem Panzerkreuzer Potemkin entlädt sich die Unzufriedenheit anlässlich der katastrophalen Versorgung mit Nahrung in einer Meuterei gegenüber der Admiralitäten.

Unter der Führung von Wakulintschuk und mit Unterstützung der Wachen zum gelungenen Widerstand. Unter den Opfern der Aktionen ist auch der revolutionäre Anführer Wakulintschuk.

Szene aus dem Fim "Panzerkreuzer Petemkin". (Foto: © Deutsche Kinemathek)
Szene aus dem Fim „Panzerkreuzer Petemkin“. (Foto: © Deutsche Kinemathek)

Seine Leiche wird in Odessa, wo man auch Lebensmittel erhalten will, unter reger Anteilnahme der solidarischen Bevölkerung in einem Zelt aufgebahrt. Auf der langen imposanten Treppe der Hafenstadt schießen die zaristische Armee samt Kosaken-Einheiten auf die verzweifelt fliehende Bevölkerung. Es gibt viele Tote und Verletzte. Um die Menschen zu unterstützen, beschießen die Matrosen das Theater von Odessa. Noch während überlegt wird, zwecks weiterer Hilfsaktionen zu laden, kommt es zur Konfrontation mit dem Admiralsgeschwader, dass in einer Verbrüderung endet.

Der Film ist aber nicht nur einfach nur ein geschickter Propagandafilm, der die Zuschauer gezielt emotional berühren und vor Augen führen will, mit welchen Handlungsträgern er sympathisieren sollte. Eisenstein setzte mit dem Mittel der Montage, Schnitten und eindrucksvollen Nahaufnahmen zugleich eine filmisch-ästhetische Revolution durch.

Die Dortmunder Philharmoniker mit ihrem Dirigenten gelang es punktgenau, die jeweiligen Stimmungen musikalisch zu untermalen. Erstaunlich, wie sie es schafften, mit nicht für möglich gehaltenen Steigerungen die Dramatik der Ereignisse und Bilder für das Publikum fühlbar zu machen. Die traurigen Momente, wenn zum Beispiel ein kleines Kind auf der Treppe stürzt und von den Fliehenden praktisch zertrampelt wird, wurde entsprechend sensibel musikalisch untermalt.

Es war wieder einmal ein wunderbares Zusammenspiel von Filmbildern und Live-Musik, dass den Beteiligten auf der Bühne alles abverlangte.

Große Bekenntniswerke beim 6. Philharmonischen Konzert in Dortmund

Das 6. Philharmonische Konzert im hieigen Konzerthaus am 19. und 20.02.2019 stand unter dem Motto „Selige Stimmen“. Zwei große Komponisten mit zwei persönlichen Bekenntniswerken standen im Mittelpunkt der beiden Abende. Zum einen die mysteriös-unvollendete Messe c-Moll KV 427 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791), nach seinem Umzug nach Wien und seiner Hochzeit mit Constanze Weber entstanden, zum anderen die musikalische Liebeserklärung an Russland „Die Glocken“ op. 35 von Sergej Rachmaninow (1873 – 1943).

Für die beiden herausragenden Werke wurde die ganz große Besetzung aufgeboten. Neben den Dortmunder Philharmonikern unter der temperamentvollen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz waren noch insgesamt sieben Solosängerinnen und Sänger mit ausdrucksstarken Stimmen sowie der renommierte Tschechische Philharmonische Chor Brno an den Aufführungen beteiligt. Chormeister und Direktor dieses eindrucksvollen Chors ist Petr Fiala.

Die herausragende Messevertonung der europäischen Musikgeschichte von Mozart, aufgebaut in Kyrie, Gloria, Credo und Sanctus, zeichnet sich durch viele stilistische Ebenen aus. Sie ist gleichermaßen von barocken Passagen wie auch von der italienischen Oper durchdrungen. Die Sopranistin Akiho Tsujii hatte den größten Gesangspart zu bewältigen und tat dies mit Bravour. Auch ihre Gesangskollegen Anna Harvey (Mezzosopran, Benjamin Glaubitz (Tenor9 und Lucas Singer (Bass) standen ihr in verschiedenen Konstellationen, ob Solo- im Duett, Terzett oder am Ende als Quartett in nichts nach. Der „typische“ Mozart, mit dem ihm eigenen Stil als Meister des Kontrapunkts, war bei der Aufführung unverkennbar heraus zu hören.

Für „Die Glocken“ von Sergej Rachmaniniow wurde das große Orchester, dazu eine Solosängerin (Olesya Goloneva als Sopran), Maxim Aksenov (Tenor), der in Dortmund gut bekannte Luke Stoker (Bass) als Solosänger sowie der Tschechische Philharmonische Chor Brno als gewaltiges klangliches Fundament eingesetzt.

Der Komponist wurde durch das Gedicht „The Bells“ von Edgar Allan Poe, frei übersetzt ins Russische von Konstantin Balmont, zu seinem chorsymphonischen Werk angeregt. Diese russische Übersetzung wurde für die Aufführungen übernommen. So kommt viel „russische Seele“ rüber.

Unterstützt wurden die Dortmunder Philharmoniker beim 6. Philharmonischen Konzert vom eindrucksvollen Tschechischen Philharmonischen Chor Brno. (Foto: © Pavel Nesvatba)
Unterstützt wurden die Dortmunder Philharmoniker beim 6. Philharmonischen Konzert vom eindrucksvollen Tschechischen Philharmonischen Chor Brno. (Foto: © Pavel Nesvatba)

In vier Sätzen wird hier der vor der Verbreitung der Uhr durch Kirchenglocken bestimmte Lebensrhythmus der Menschen, den Rachmaninow gut aus seiner Heimat von früher kannte, musikalisch dargelegt.

Glocken kommen im Konzert auch in verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Klangfarben, die hervorragen die verschiedenen Stimmungen in den unterschiedlichen Lebenssituationen begleiteten.

Im ersten Satz „Silberne Glocken“ steht die jugendliche Lebensfreude im Mittelpunkt. Er beginnt mit einem hellen Läuten von Schlittenglocken (Glockenspiel, Triangel, Celesta und Streicher). Der Solotenor begleitete mit seiner vollen Stimme im Wechsel mit den Chor das Geschehen.

Im zweiten Satz erklingen „Hochzeitsglocken“, und die helle klare Stimme der Sopranistin gesellt sich nach dem feierlichen Choreinsatz in die fröhliche Stimmung ein und es endet mit dem Einsetzen von Röhrenglocken zu freudigen Rufen des Chors.

Im Dritten Satz „Sturmglocken“ wird die Wirkung der Feuer-und Alarmglocke auf den Menschen musikalisch eindrucksvoll beschrieben. Es geht hoch her in den Wirren des Lebens. Klage und Schreckensrufe des Chors und werden kontrastreich und dramatisch mit dem Sopran gesteigert.

Die „Todesglocken“ im vierten Satz deuten auf das Lebensende hin. Elegisch-melancholisch beginnt er mit dem Einsatz des Englischhorn. Er wird dann monoton traurig begleitet vom Chor und dem tiefen warmen Bass. Atmosphärisch eindrucksvoll ist der musikalische Wechsel von Aufbäumen im Schmerz und dem Versinken in Trauer bis zum. Da kommt viel rüber, was man al

Ein wunderbares Orchesternachspiel, das harmonisch und melodisch etwa an das Ende von Wagners „Götterdämmerung“ erinnert, bildete den eindrucksvollen Abschluss.