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Von Nipstern und Wutbürgern

[fruitful_alert type=“alert-success“]Arne Vogelgesang präsentiert die virtuellen Stammtische auf YouTube. (Foto: © Birgit Hupfeld)[/fruitful_alert]

Vergessen Sie Ihre Vorstellungen von glatzköpfigen Nazis in Springerstiefel und Bomberjacke, die bis auf „Ausländer raus“ keinen geraden Satz sagen können.Die neue Rechte ist deutlich eloquenter geworden. Sie kopiert Methoden der Linken und tut auf den ersten Blick, als ob sie „nur“ besorgt seien. Was Arne Vogelgesang auf seiner „Video-Lecture“ mit dem Titel „Flammende Köpfe“ am 01. April im Megastore präsentierte, zeigte eine bunte Mischung rechtsorientierter Menschen, die unterschiedliche Rollen besetzen, aber dennoch im ein klares Ziel haben: Die Deutungshoheit über bestimmte Begriffe wie „Einzelfall“ zu kommen. Ihre Bühne ist das Internet. Hier vor allem YouTube, das sich als ideale Plattform erweist.

Die Reste der gewaltbereiten Nazis findet man vielleicht noch bei de „Hooligans gegen Salafisten“, kurz HoGeSa genannt. Die moderne Rechte hat aber mittlerweile gelernt, dass eine prügelnde SA schlecht für die PR ist und die ist in dieser Zeit besonders wichtig. Gewalt ist nur noch verbal zu hören, daher verstecken sich die Akteure gerne hinter eine Kunstfigur, um zur Not behaupten zu können: „Das habe ich nicht gesagt, das war nur meine Kunstfigur.“ Im Laufe des Abends stellt uns Vogelgesang unterschiedliche Akteure dieses rechten You-Tube-Kosmos vor. Sie alle nehmen eine bestimmte Theaterrolle ein wie die „strenge Haushälterin“ oder die „zu beschützende Jungfrau“ bis hin zum wackeren „veganen Germanen“. Übrigens „vegan“. Dieser Lifestyle ist nicht nur in linken Kreisen beliebt, auch in der rechten Szene ist vegan in. Schamlos werden Aktionen kopiert, die man eher aus dem linken Spektrum kannte, wie Kunstperformances und ähnliches. Statt Glatze und Springerstiefel trägt der hippe Nazis (Nipster) halt Hornbrille und schreibt seine Texte auf einem Mac.

Vogelgesang führt die Zuschauer Schritt für Schritt in die Welt der rechten Szene ein und stellt uns bestimmte Protagonisten vor, die dann später als Avatar auf einer kleinen Projektionswand auftauchen. Er karikiert sie nicht, sondern stellt sie erst einmal in ihrer eigenen Welt vor und präsentiert den Wahnsinn, den sie von sich geben.

Nach diesem Abend hat man die bittere Erkenntnis, dass die Rechten im 21. Jahrhundert angekommen sind. Sie sind hip, benutzen geschickt die neuen Medien und arbeiten genauso wie Linke mit Theaterelementen oder Performances. Es bleibt nichts anderes übrig, als immer genauer hin zuschauen.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de

 

Radikale Spuren im Netz

[fruitful_alert type=“alert-success“]Arne Vogelgesang mit seinen „Flammenden Köpfen“. (Foto: © Birgit Hupfeld)[/fruitful_alert]

Ein neues Format hat am Samstag, den 25.04.2017 um 19.30 Uhr mit „Flammende Köpfe“ von Videokünstler und Performer Arne Vogelgesang im Megastore Premiere. Mit dieser Uraufführung geht das Schauspiel Dortmund seinen Weg zwischen Kultur und politischer Verantwortung in der Gesellschaft nach Produktionen wie „Die schwarze Flotte“ oder „Trump“ weiter. In die Schnittstelle von Kultur und politischen Aktivismus passt das Vogelgesangs Video-Lecture. Er hat Theaterregie studiert und ist seit Jahren im Netz Rechtsradikalen, radikalen Islamisten, Identitären, Verschwörungstheoretikern oder einfach „besorgten Bürgern“ und anderen wütenden „Flammenden Köpfen“ auf der Spur.

Er ist ein Experte für Radikale im Netz und wir freuen uns, ihn mit dieser Performance in unsere Stadt gelockt zu haben. Das ist einmalig in Deutschland,“ erklärte Dramaturg Alexander Kerlin vom Dortmunder Schauspiel. Seine Kollegin Anne-Kathrin Schulz fügte hinzu: „Es ist erstaunlich, was für überraschende Zusammenhänge Arne Vogelgesang entdeckt. Er weist auch auf kleine Details hin, die einem nicht sofort aufgefallen wären.“

Ausgangs- und Endpunkt des Abends bildet das allseits bekannte Video zu den traurigen Ereignissen im Februar 2016 im sächsischen Dorf Clausnitz. Ein Mob brüllte dort einen Bus mit Geflüchteten nieder. Dolmetscher Wolfram Fischer, der anwesende Dolmetscher, erinnert sich später vor allem an eine „Menge von brüllenden Köpfen“.

Der deutschsprachige Raum steht im Fokus des Abends. Was bringt die mehr oder weniger hasserfüllte wütende Masse im Netz dazu, den Weg auf die Straße zu verbaler und auch tätiger Gewalt zu beschreiten? Allen radikalen Gruppierungen haben eine Gemeinsamkeit. Sie sehen sich als Heilsbringer, die Menschen „erwecken“ wollen. „Sie wollen die Grauzone auslöschen und die Welt in schwarz und weiß, gut oder Böse einteilen. Sie drängen ihre Zuhörer dazu, sich für eine Seite zu entscheiden,“ so Kerlin.

Das Internet bricht seit den letzten Jahren immer mehr in die Politik an, wie Vogelgesang einmal sagte. Die Propaganda im Netz findet dabei selbstbewusst offen und direkt statt. Die Internet -User erhalten dabei auch Tipps, wie man am geschicktesten am Rande der Legalität agiert. Es gelingt ihnen immer besser, bisher positiv besetzte Begriffe wie beispielsweise die „Willkommenskultur“ negativ zu belegen. Negativ besetzte Begriffe wie „Nazi“ werden dem vermeintlichen Gegner einfach zurück an den Kopf geworfen. Es ist dann egal, was das Wort bedeutet, entscheidend ist nur, was der gesagte Satz auslöst und wie er der Gegenseite schaden zufügt.

Aber keine Angst. Der Abend wird aber nicht nur depressiv, verspricht Kerlin.

Für die Premiere am 25.03.2017 im Megastore gibt es noch Restkarten.

Weiterer Informationen und Termine finden sie unter www.theaterdo.de