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Fieberträume eines Theatermachers

Ob die Frittatensuppe nicht gut war, die Staatsschauspieler Bruscon mehrfach herrisch vom Wirt des „Schwarzen Hirschen“ im Dorf Utzbach verlangt? Jedenfalls durchlebt er in fiebrigen Träumen die Aufführung seiner Menschheitskomödie „Das Rad der Geschichte“ in immer groteskeren Formen. Thomas Bernhards Komödie „Der Theatermacher“ von 1985 nimmt den Theaterkosmos gekonnt auf Korn, Intendant Kay Voges verlagert die Geschichte nicht nur nach Westfalen, sondern fügt dem ganzen Geschehen noch eine Prise aktueller Zeitgeschichte hinzu Heraus kommt eine Komödie, die den Glanz und das Elend des Theaters auf den Punkt bringt. Ein Premierenbericht vom 03. März 2018.

Die Handlung ist einfach: Bruscon, seine Frau und seine beiden Kinder Ferruccio und Sarah, sollen im Gasthof „Schwarzer Hirsch“ in Utzbach seine Komödie „Das Rad der Geschichte aufführen“. Brsucon verlangt, dass der Wirt den Feuerwehrhauptmann davon überzeugt, für fünf Minuten das Notlicht zu löschen.

Eigentlich ist Bruscon (meist gespielt von Andreas Beck) ein hoffnungsloser Romantiker, der das Theater mit seiner Poesie und Schönheit gegen den Zugriff von Politik und Kommerz verteidigt. So muss seine Tochter öfter die Zeile „Wenn wir die Schönheit nicht besitzen und durch und durch ein kranker Geist und mittellos bis in die Seele sind“ rezitieren. Das ist eines der Kernsätze seines Strebens und an diesem Maß misst er alles um ihn herum.

Leider teilen nicht alle seine Leidenschaft und so wurde Bruscon vermutlich immer zynischer und ungenießbarer. Die Opfer seiner Laufen sind vielfältig: Da wäre zuerst einmal der Ort: Das Dorf Utzbach in der westfälischen Provinz. Alles hier ist schlecht und überhaupt die Westfalen: „An diesem Volk ist nicht das geringste mehr liebenswürdig“. Solche pauschalen Urteile sind ein Kernelement in Bruscons Redeschwall.

Neben dem Wirt, der stellvertretend für die Utzbacher Provinz steht, bekommen Frau und Kinder („Antitalente“) ihr Fett weg. Die Frau kann sich keinen Text merken und ist ähnlich schlecht als Schauspielerin wie die beiden Kinder.

Bruscon (Andreas Beck) lässt sich von seinen Kindern (Christian Freund und Xenia Snagowski) verwöhnen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Bruscon (Andreas Beck) lässt sich von seinen Kindern (Christian Freund
und Xenia Snagowski) verwöhnen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Kay Voges hat den „Theatermacher“ stark bearbeitet. Aus dem ersten Teil hat er eine Art Loop gebaut, die Bruscon in verschiedenen Rollen wie in einem schlechten Traum erlebt. Mal ist er der Wirt, dann sein Sohn und die Aufführungen werden immer grotesker. So erlebt er (und die Zuschauer) sogar eine Operetten/Musical-Variante, in der ihn sein Sohn spielt. Das Bühnenbild erinnerte nicht zufällig an den Megastore, dem zwischenzeitlichen Ausweichquartier.

Natürlich gibt es viele Anspielungen auf aktuelle Geschehnisse im Theater. Im Rahmen der „#metoo“-Debatte wurde ja auch über Machtmissbrauch im Theater gesprochen. Die Anspielungen und Anzüglichkeiten waren vor allem am Anfang klar erkennbar. Ein weiteres Thema in Voges‘ Inszenierung waren die „Wutbürger“ und ihr Empörungspotenzial. Dank den Sozialen Medien kann sich jetzt jeder als Bruscon fühlen und gegen alles und jeden wettern und hetzen. Bloß keine Differenzierungen. Doch dann bleibt die Freiheit auf der Strecke. Wer keinen Gedankenaustausch mehr zulässt, sich immer stärker in seine Filterblase einschließt, nähert sich totalitären Systemen.

Auch wenn Andreas Beck hauptsächlich als Bruscon zu sehen war und Uwe Rohbeck als Wirt, spielten auch Christian Freund, Janine Kreß und Xenia Snagowski verschiedene Rollen und das mit Bravour. Freund zeigte bei der „Operetten-Version“ sein gesangliches Talent. Beck und Rohbeck waren (wieder einmal) ein kongeniales Paar. Das zeigte sich vor allem, als beide die Rollen tauschten und Rohbeck einen affektierten Bruscon spielte.

Ein großes Lob gehört auch Tommy Finke, der die Musik zur „Operetten-Version“ komponierte und natürlich Kay Voges, der es wieder einmal schaffte, 2:40 Stunden tiefgründige Unterhaltung zu bieten. Das Publikum dankte es allen Beteiligten mit lang anhaltendem Applaus.

Termine und Karten gibt es unter http://www.theaterdo.de

Der Theatermacher – eine besondere Künstlerkomödie

Nach krankheitsbedingter Verschiebung findet am 03.03.2018 um 19:30 Uhr die Premiere von Thomas Bernhards Der Theatermacher unter der Regie von Kay Voges im Schauspiel Dortmund statt.

In mehrfacher Hinsicht bot sich dieser Stoff für das hiesige Theater an. Bernhard nimmt in seiner Komödie Bezug auf den sogenannten „Notlichtskandal“ anlässlich der Aufführung seines Stückes „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ bei den Salzburger Festspielen (1972) unter der Regie von Claus Paymann.

Die zuvor gegebene Zusage zur Abstellung der Notbeleuchtung, um eine totale Finsternis zu erhalten, wurde damals wegen Sicherheitsbedenken (Brandschutz) zurück genommen. Ein großer Skandal entbrannte. Auch das Dortmunder Schauspiel (und andere Theater) waren in den letzten Jahren von Brandschutzverordnungen arg gebeutelt.

In diesem Theaterstück geht es um den Staatsschauspieler Bruscon, der zusammen mit der Familie hoch ambitioniert mit seiner Menschheitskomödie „Das Rad der Geschichte“ in einem schäbigen Tanzsaal im im kleinen Dorf Utzbach Station macht.

Er selbst spielt natürlich die tragende Rolle, während seine Frau, Tochter und Sohn zu seinem Leidwesen die Nebenrollen besetzen. In seiner maßlosen Selbstüberschätzung hält er sie nicht nur für untalentiert, sondern demütigt sie auch wo er nur kann. Am Ende der Vorstellung muss der Wirkung willen jegliches im Gasthof „Schwarzer Hirsch“ verlöschen, selbst die Notbeleuchtung. Ein Albtraum für die Feuerwehr! Das ist aber nicht das einzige Problem…

In den letzten fast zwei Jahren musste das Dortmunder Schauspiel notgedrungen unter schwierigen Bedingungen im Megastore spiele und das beste aus der Situation machen. Da gibt es also durchaus Parallelen. In diesem Stoff steckt aber noch viel mehr. Bruscon ist ein typischer „Machtmensch“ und tragische Figur. Das Thema Machtmissbrauch in der Film-und Theaterbranche durch bekannte Regisseure wurde ja in letzter Zeit heiß debattiert. Was folgte, war eine extreme „Empörungswelle“ in den sozialen Medien. „Die Empörungwelle wird durch die Sozialen Medien potenziert,“ so Voges.

Andreas Beck als Theatermacher Bruscon, der in der Provinz landet. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Andreas Beck als Theatermacher Bruscon, der in der Provinz landet. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Über allen schwebt eigentlich steigendes Sicherheitsbedürfnis in der Gesellschaft.

Es stellt sich die Frage, woher dies starke Bedürfnis eigentlich kommt“, so Dramaturg Michael Eickhoff.

Was erwartet das Publikum? Ein lustig-grotesker klassischer Theaterabend mit Rückblick auf Jahrzehnte Theatergeschichte. Auch die letzten zweieinhalb Jahre im Dortmunder Schauspiel werden mit einem Augenzwinkern „verarbeitet“.

Musikalisch bietet der Abend einen besonderen musikalischen Operettenteil, extra komponiert von T.D. Finck von Finkenstein (Tommy Finke).

Die Aufführung soll ungefähr 2 Stunden und 40 Minuten dauern.

Für die Premiere am 03.03.2018 gibt es noch Rest-Karten.

Informationen zu weiteren Terminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de.