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Klangvokal -Himmelsmusik im Konzerthaus

Himmelsmusik, nun bin ich nicht gerade der religiöse Typus, aufgrund aktueller und geschichtlicher Ereignisse, aber dieser Abend im Konzerthaus war ein Genuss der Extraklasse, auch bei religiöser Musik. Was sich am Ende dadurch zeigte, dass die Künstler wieder und wieder auf die Bühne zurückgeklatscht wurden und zugaben geben mussten.

L‘arpeggiata, die ihre Darmsaiten und Naturhörner austobend, durch ihre Dompteuse Christina Pluhar mit der überdimensionalen Laute gebändigt, versetzte die Zuhörer im Auditorium des Konzerthauses in … ja Verzückung. Denn nicht wenige wiegten sich, wie die Sänger des Abends, Céline Scheen und Valer Sabadus, Countertenor, zu den Lauten des Abends, aus Instrumenten und Kehlen.

Das Barockzeitalter ist die Zeit der katholischen Gegenreformation zum Protestantismus, politischer und sozialer Um- und Verwerfungen und des 30-jährigen Krieges, der sich hauptsächlich auf dem Boden des damaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation austobte, das Land verwüstete, die Menschen verrohte und zugleich eine neue kulturelle Blüte erzeugte. Auch wenn es Deutschland gut 100 Jahre zurückwarf.

Verzückten das Publikum: (v.l.n.r.) Christina Pluhar, Valer Sabadus und Céline Scheen. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Verzückten das Publikum: (v.l.n.r.) Christina Pluhar, Valer Sabadus und Céline Scheen. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Himmelsmusik zeugt genau von diesen Widersprüchen des Barockzeitalters, das in etwa bei Alexandre Dumas Musketieren schon im Schwung ist und seinen Höhepunkt im Versailles von Ludwig XIV. findet. Das Mittelalter war noch zu Teilen in der Renaissance Musik zu finden, die Orgel gerade eingeführt. In der Barockmusik aber ist das Mittelalter verschwunden und die Musik fängt uns mit all ihrer Theatralik, ihrem bombastischen Ton und fein ziseliertem, koloratur-artigem Gesang ein. Fast wie ein Gemälde von Rubens, Rembrandt, Velázquez oder einem ihrer Zeitgenossen. Denn neben der theatralisch, bombastischen Seite hat das Barock seine dunklen, düsteren Seiten. Diese Ambivalenz zeigt sich besonders in der kirchlichen Musik des Barock.

Die Katholische Kirche zieht alle Register in der Gegenreformation und schmeißt dem Protestantismus theatralisches, bombastisches, sensibles, helles und düsteres Gefühl in Musik und bildender Kunst entgegen. Etwas dem die puritanische Kargheit des Protestantismus nichts entgegenzusetzen hat.

Und diese auch bei den Protestanten goutierte Theatralik und Bombastik in der Musik bekamen wir im Konzerthaus durch das Ensemble L‘arpeggiata von Christina Pluhar instrumental und gesanglich durch Céline Scheen und Valer Sabadus, Countertenor, dargeboten … zum Träumen und davonfliegen. Religiös machte mich die Musik nicht, aber sie war ein Genuss instrumentaler und gesanglicher Extraklasse.

Dass Barockmusik nicht einfach „von gestern“ ist, zeigte Christina Pluhar mit L‘arpeggiata 2018 im Konzerthaus mit HÄNDEL GOES WILD. In dieser Musik steckt Jazz!

Aber dieser Abend war ganz und gar dem reinen Barock gewidmet mit allem was er zu bieten hat.

Ein Genuss der nach mehr verlangt, mehr als nur die Zugaben, die sich die Zuhörer des Abends „erklatschten“, nachdem „genügend verbrauchte Luft“ auf die Bühne des Konzerthauses geklatscht worden war, hieß es dann doch Abschied nehmen. Leider … und man will doch noch mehr davon.

Klangvokal 2018 – Barock meets Jazz im Konzerthaus

Unter dem Titel „Händel Goes Wild“ konnte das Publikum am Sonntag, den 03.06.2018 im Dortmunder Konzerthaus ein besonderes Crossover-Projekt genießen.

Die Leiterin des im Jahr 2000 gegründeten Ensemble L‘Arpeggiata, Christina Pluhar, lud mit ihrem Ensemble die renommierte belgische Sopranistin Céline Scheen und den in Rumänien (Arad) geborenen Countertenor Valer Sabadus zu einer spannenden musikalischen Reise ein.

L‘Arpeggiata hat sich der Musik des 17. und 18. Jahrhundert verschrieben und sich beispielsweise schon 2014 in einem Projekt Henry Purcell angenommen.

Gerne bringen sie Genreübergreifend die „alte Musik“ mit anderen Musikstilen zu einem neuen Klangerlebnis zusammen. Der harmonische Rhythmus aus den Opern, Oratorien oder Kantaten von Georg-Friedrich Händel (1685-1759) und auch emotionalen Arien bietet sich für eine Verbindung mit Jazz-Rhythmen gut an.

Händel hätte sicher seinen Spßa gehabt bei "Händel goes wild" von L‘Arpeggiata. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Händel hätte sicher seinen Spßa gehabt bei „Händel goes wild“ von L‘Arpeggiata. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Das Ensemble mit seinen alten Instrumenten wie Zink, Barockgeige, Barockbratsche, Viola da Gamba, Barockcello, Barockgitarre, Laute, Orgel oder Cemballo korrespondierten wunderbar mit der Percussion (Sergey Saprychev), dem Flügel (Francesco Turrisi) und dem Kontrabass (Boris Schmidt). Der Klarinettist Gianluigi Trovesi, einer der führenden Jazzmusiker Italiens, sorgte mit ihnen zusammen durch geniale Improvisationen für das Salz in der Suppe.

Pluhar selbst dirigierte nicht nur, sondern spielte oft auf ihrer langhalsigen Theorbe, einem historischen Lauteninstrument,engagiert mit.

Die Spielfreude und das Improvisationstalent der Beteiligten zeigte sich vor allem bei dem Instrumental-Stücken „Sinfonia „ (aus „Alcina“, 3. Akt) von Georg Friedrich Händel. Orientalische Anklänge oder Passagen, die an jiddische Klezmer-Musik erinnerten, begeisterten das Publikum. Temperamentvoll ging es beim Instrumentalstück „Canario“ (von den kanarischen Inseln) zu. Der Sergey Saprychev überzeugte mit starken Percussion-Improvisationen.

Mit Bedacht sowie Können und Respekt vor der Musik Händels ließ man einige Stücke, so zum Beispiel das berührende „Verdi prati“ (Valer sabadus) oder das von Semele gesungene Wiegenlied „O sleep, why dost thou leave me“ (Céline Scheen) wie sie in ihrer ursprünglichen Schönheit waren.

Die beiden Sänger/innen bezauberten das Publikum mit ihren klaren und weichen Stimmen sowohl als Solisten wie auch im Duett.

Nach Standing Ovations gab es noch zwei Zugaben für das Publikum.

Dieser Konzertabend von hoher musikalischer Qualität machte Spaß auf mehr.