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Das Internat – ein Theatergemälde im Stil der Schwarzen Romantik

In Kooperation mit Absolventen des 2. Studiengangs Schauspiel der Essener Folkwang Universität der Künste zeigte das Schauspiel Dortmund in einer Uraufführung am 09.02.2018 Das Internat von Ersan Mondtag. Den Text zum Stück lieferten Dramaturg Alexander Kerlin und Matthias Seier.

Mondtag, der sich auch um Ausstattung und Kostüme kümmerte, hat ein wahrhaft opulentes Bühnenbild geschaffen. Eine aufgebaute, sich ständig bewegende Drehbühne, gaben dem Publikum Einblicke in die verschiedenen Räumlichkeiten der in schwarz und rot gehaltene düstere, sehr spartanische Internatskaserne in einem burgähnlichen Gebäude. Die Atmosphäre mit dunklem Wald und gotischen Bögen stimmen auf die bekannten gruselig-schaurigen Welten ein. Ein Gittergerüst verstärkte den Kasernencharakter.

Einflüsse der sogenannten „romantischen Schauerliteratur“ (Gothic Novel) aus der Zeit um vor und um 1900. Als Folge der Grausamkeiten der Französischen Revolution kam es zur Abkehr von der durch die Vernunft geleiteten Aufklärung. Die Schwarze Romantik zeichnet sich durch irrationale Züge oder verklärte Todessehnsucht und Naturliebe, wie etwa bei den Gemälden von Casper David Friedrich zu sehen ist. Auch bei der darstellenden Kunst gibt es genügend Beispiele, etwa „Nosferatu“ (F. W. Murnau).

Auch bei dieser Inszenierung wechseln ernst-schaurige Momente mit romantisch-schön verklärenden. So wird beispielsweise bei der Beerdigung eines Getöteten das melancholische Herbstlied „Bunt sind schon die Wälder (Text: Johann Gaudenz von Salis-Seewis und Musik: Johann Friedrich Reichhardt 1799) gesungen.

Oder wenn der Chor der Internatskinder „Zwielicht“ von Eichendorff als Tischgebet rezitiert. Hier wird die Angst vor der Dämmerung und vor Verlusten thematisiert.

Das Internat ist ein autoritärer Ort mit strengen Regeln, Gewalt und Züchtigungen. Bei diesem geschlossenen System werden unliebsame „Quertreiber“ auch schon mal getötet. Die Internatsinsassen sind als Personen in ihrer Individualität nicht mehr zu erkennen. Ihre gleichen Uniformen und Bemalungen sowie die reduzierte, roboterhaft steifen Bewegungen taten ihr übriges. Für die zehn Absolventen der Folkwang Universität der Künste und die sechs beteiligten Schauspieler des Dortmunder Ensembles gab es keine Gelegenheit, sich besonders hervor zu spielen.

Alle waren Teil eines Systems, dass wie ein Uhrwerk zu funktionieren hatte.

Die „Internatsinsassen“ sprechen keinen Text sondern zeichnen sich durch nonverbale Ausdruckskraft aus.

Widerstand wird nicht geduldet. Aber die Widerstandsbewegung wächst und stürzt ihre Unterdrücker. Dann werden sie zu den Unterdrückern. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Widerstand wird nicht geduldet. Aber die Widerstandsbewegung wächst und stürzt ihre Unterdrücker. Dann werden sie zu den Unterdrückern. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Nur eine sich als „das tote Kind“ bezeichnende einschmeichelnde Stimme (Alicja Rosinski) gibt leise flüsternd Auskunft über „das Internat“. Als ein neuer Internatsschüler hinzu kommt, versucht sie ihn zum Widerstand und Revolte gegen das System zu bewegen. Ihre martialischen verbalen Aufstachlungen, die im Kontrast zu ihrer leisen Stimme stehen, zeigen Wirkung. Immer mehr schließen sich dem Widerstand an und das alte System wird abgelöst, doch die Mechanismen von Gewalt, Rache und Spiel mit den Ängsten bleiben die selben. Frei nach „Die Revolution frisst ihre Kinder.“ Oder in den Worten des „toten Kindes“: „Mal sind wir Revolte, mal sind wir Regime.“

Eine wichtige Rolle im atmosphärischem Gesamtgefüge spielte die Musik. Ein großes Kompliment an Tommy Finke, der mit seinen wunderbaren elektronischen Klangteppichen die Ausdruckskraft des Visuellen noch potenzierte.

Obwohl nicht gerade für depressive Menschen geeignet, entlässt dieses assoziative Stück das Publikum mit viel Raum für nachhaltige Gedankengänge. Über ihre eigenen Ängste vor dem „Unbekannten“, der möglichen Anfälligkeit für Einflüsterungen von rechtspopulistischer Seite, die sich als „Heilbringer für schnelle Lösungen von Problemen“ anbieten. Aber auch, ob es noch „Hoffnung Mensch“ gibt, der das Potenzial für ein friedlicheres und gerechteres Miteinander hätte.

Karten und Termine finden Sie unter www.theaterdo.de.

Das Internat – ein opulentes Theatergemälde im Schauspielhaus

Der neue Shootingstar des Gegenwartstheaters, Ersan Mondtag, hat am Freitag, den 09.02.2018 um 19:30 Uhr mit seiner Stückentwicklung Das Internat Premiere im Schauspiel Dortmund.

Der Regisseur ist bekannt dafür, seine Stücke als mächtige Gesamtkunstwerke zu inszenieren. So kümmert sich Mondtag höchst selber auch noch um Choreographie, Ausstattung und die Kostüme. Ort der Handlung ist ein Internat wie gemalt am Ende von Zeit und Raum.

Neben Gastschauspieler Philipp Steinheuser und sechs SchauspielerInnnen des Dortmunder Ensembles sind noch zehn Absolventen der Folkwang Universität der Künste auf der Bühne tätig.

Die romantische Internat-Gemeinschaft von siebzehn Jungen (gespielt nicht nur von männlichen Darstellern) ist als geschlossene, autoritäre Gesellschaft ein Ort stellvertretend für das stetige Spiel von Macht, klaren Hierarchien, Intrigen sowie Gemeinschaft und Revolte. Rituale bestimmen den Tag. Ein besonders leidender Neuzugang verändert die Situation. Eine geheimnisvolle Stimme (Alicja Rosinki) animiert zur Revolte und Widerstand. Traum und Wirklichkeit sind eins und die Herzen der Schüler schlagen im Takt der Angst…Wem gehört die Macht?

Dramaturg Alexander Kerlin schrieb die Texte für das Stück zusammen mit Matthias Seier.

Auflehnung gegenüber der Uniformität? Szene aus Das Internat. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Auflehnung gegenüber der Uniformität? Szene aus Das Internat. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Bei dem Pressegespräch verriet Kerlin über Das Internat vorab: „ Das wird ein opulentes, assoziatives Theatergemälde mit musikalischer Begleitung durch die grandiose Kompositionen von T.D. Finck von Finckenstein, alias Tommy Finke.

Zu erwarten ist ein ernsthafter und düster (gruseliger), aber auch romantisch schöner Theaterabend.

Die Bühne wird zu einer Drehbühne mit zwei Ebenen, die in die verschiedenen Räume des Internats führt. Die Schauspieler tragen Uniformen und Bemalungen unterstreichen den Gemäldecharakter. Die Inszenierung arbeitet auch mit langsamen Bewegungen als atmosphärisches Mittel.

Für die Premiere am 09.02.2018 gibt es noch Rest-Karten.

Weitere Vorstellungstermine und Informationen finden sie wie immer unter www.theaterdo.de

Radikale Spuren im Netz

[fruitful_alert type=“alert-success“]Arne Vogelgesang mit seinen „Flammenden Köpfen“. (Foto: © Birgit Hupfeld)[/fruitful_alert]

Ein neues Format hat am Samstag, den 25.04.2017 um 19.30 Uhr mit „Flammende Köpfe“ von Videokünstler und Performer Arne Vogelgesang im Megastore Premiere. Mit dieser Uraufführung geht das Schauspiel Dortmund seinen Weg zwischen Kultur und politischer Verantwortung in der Gesellschaft nach Produktionen wie „Die schwarze Flotte“ oder „Trump“ weiter. In die Schnittstelle von Kultur und politischen Aktivismus passt das Vogelgesangs Video-Lecture. Er hat Theaterregie studiert und ist seit Jahren im Netz Rechtsradikalen, radikalen Islamisten, Identitären, Verschwörungstheoretikern oder einfach „besorgten Bürgern“ und anderen wütenden „Flammenden Köpfen“ auf der Spur.

Er ist ein Experte für Radikale im Netz und wir freuen uns, ihn mit dieser Performance in unsere Stadt gelockt zu haben. Das ist einmalig in Deutschland,“ erklärte Dramaturg Alexander Kerlin vom Dortmunder Schauspiel. Seine Kollegin Anne-Kathrin Schulz fügte hinzu: „Es ist erstaunlich, was für überraschende Zusammenhänge Arne Vogelgesang entdeckt. Er weist auch auf kleine Details hin, die einem nicht sofort aufgefallen wären.“

Ausgangs- und Endpunkt des Abends bildet das allseits bekannte Video zu den traurigen Ereignissen im Februar 2016 im sächsischen Dorf Clausnitz. Ein Mob brüllte dort einen Bus mit Geflüchteten nieder. Dolmetscher Wolfram Fischer, der anwesende Dolmetscher, erinnert sich später vor allem an eine „Menge von brüllenden Köpfen“.

Der deutschsprachige Raum steht im Fokus des Abends. Was bringt die mehr oder weniger hasserfüllte wütende Masse im Netz dazu, den Weg auf die Straße zu verbaler und auch tätiger Gewalt zu beschreiten? Allen radikalen Gruppierungen haben eine Gemeinsamkeit. Sie sehen sich als Heilsbringer, die Menschen „erwecken“ wollen. „Sie wollen die Grauzone auslöschen und die Welt in schwarz und weiß, gut oder Böse einteilen. Sie drängen ihre Zuhörer dazu, sich für eine Seite zu entscheiden,“ so Kerlin.

Das Internet bricht seit den letzten Jahren immer mehr in die Politik an, wie Vogelgesang einmal sagte. Die Propaganda im Netz findet dabei selbstbewusst offen und direkt statt. Die Internet -User erhalten dabei auch Tipps, wie man am geschicktesten am Rande der Legalität agiert. Es gelingt ihnen immer besser, bisher positiv besetzte Begriffe wie beispielsweise die „Willkommenskultur“ negativ zu belegen. Negativ besetzte Begriffe wie „Nazi“ werden dem vermeintlichen Gegner einfach zurück an den Kopf geworfen. Es ist dann egal, was das Wort bedeutet, entscheidend ist nur, was der gesagte Satz auslöst und wie er der Gegenseite schaden zufügt.

Aber keine Angst. Der Abend wird aber nicht nur depressiv, verspricht Kerlin.

Für die Premiere am 25.03.2017 im Megastore gibt es noch Restkarten.

Weiterer Informationen und Termine finden sie unter www.theaterdo.de

Premiere und Variation

Ebenfalls wieder dabei: Frau Kalaschnikowa (Caroline Hanke). Foto: © Edi Szekely
Ebenfalls wieder dabei: Frau Kalaschnikowa (Caroline Hanke). Foto: © Edi Szekely

Ein Wiedersehen mit alten Bekannten gibt es am 27. Februar 2015 um 19:30 Uhr im Schauspielhaus. Die Uraufführung von „The Return of Das Goldene Zeitalter“ steht auf dem Programm. 100 neue Wege, dem Schicksal das Sorgerecht zu entziehen lautet der Untertitel und wer schon die erste Variation gesehen hat, kann sich auf die Raupe, Adam und Eva oder den Duracell-Hasen freuen.

Hat das Schicksal nun das Sorgerecht für uns? Sind wir determiniert und unfrei oder können wir versuchen unsere Freiheit wiederzuerlangen. Das ist das die zentrale Frage des Stückes. „Nicht mehr das Schicksal sorgt sich um mich, sondern ich sorge selber um mich“, fasst es Dramaturg Alexander Kerlin zusammen.

„Bin ich ein Individuum oder ein Remake“, fragt sich Regisseur Kay Voges. Der Mensch gehe einerseits gerne in einer Masse von 80.000 Leuten im Westfalenstadion unter, andererseits betone er seine Individualität. Ist der Mensch mehr als die Gene seiner Eltern?

Das Thema umfasst auch den Bereich „Remix“ und „Urheberrecht“. Gibt es so etwas wie die Originalität oder baut alles aufeinander auf? Ein aktuelles Beispiel bietet die „Baal“-Inszenierung in München. Dort haben die Brecht-Erben die Inszenierung untersagt, weil der Regisseur Fremdtexte integriert hatte. Dabei sagte Bertolt Brecht selber: „Der Urheber ist belanglos. Er setzt sich durch, indem er verschwindet.“

Was erwartet den Zuschauer in den drei bis vier Stunden? „Mein Traum ist, es, dass der Zuschauer den Abend wie einen Abend am Strand erlebt. Man betrachtet die Sterne, entweder demütig oder glücklich“, erzählt Kerlin.

Für die Schauspieler – es sind dieselben, die bereits vor einem Jahr beim „Goldenen Zeitalter mit dabei waren – ist das Stück wieder eine Art Überraschungstüte. Denn wie im vergangenen Jahr wird Regisseur Kay Voges im Zuschauersaal sitzen und live Anweisungen an die Schauspieler geben. „Die ganze Lust am Spielen, die Vorfreude ist spürbar. Niemand weiß, wie reagiert das Publikum“, so Voges.

Wie vorher auch, ist es möglich, während der Vorstellung den Theatersaal zu verlassen, um sich vielleicht etwas zu trinken zu holen und dann wiederzukommen.

Neben der Premiere am 27. Februar wird das Stück noch zweimal gespielt: Am 07. März und am 30. April. Die Termine sind deshalb zeitlich so weit voneinander entfernt, „weil das Stück einen sehr großen Aufwand fordert, den wir nicht zweimal pro Woche leisten können“, so Voges.

Für alle drei Termine gibt es noch Karten zu kaufen unter 0231 50 27222 oder www.theaterdo.de

Am Ende lauert der Faschismus

Caroline Hanke als desillusionierte Elektra im ländlichen Exil. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Caroline Hanke als desillusionierte Elektra im ländlichen Exil. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Elektra gegen Klytaimnestra. Revolte gegen Ordnung. Alexander Kerlin schuf aus dem Familiendrama „Elektra“ von Euripides ein wortgewaltiges Gesellschaftsdrama. Was passiert, wenn sich der ewige Kampf zwischen Revolution und unbedingten Machterhalt abnutzt? Dann entsteht aus dem Chaos etwas viel schlimmeres: Der absolute Vernichtungswillen. Etwas, das skrupellos genug ist, ohne mit der Wimper zu zucken, 100 Millionen Menschen umzubringen. Ein Premierenbericht vom 07. Februar 2015.

Die Geschichte bleibt im wesentlichen die alte: Elektra, zwangsweise mit einem Bauern verheiratet, sinnt auf Rache an ihrer Mutter Klytaimnestra. Diese hat ihren Mann und Elektras Vater Agamemnon umgebracht und ihren Liebhaber Aighist zum König ernennen lassen. Die Hoffnung auf Rache wächst, als Elektras totgeglaubter Bruder Orest auftaucht, im Schlepptau seinen Freund Pylades. Endlich kann es zum Showdown kommen, doch am Ende spielt Pylades seinen letzten Trumpf aus.

Im ersten Teil von Kerlins Neubearbeitung treffen zwei Systeme aufeinander. Das Prinzip „Machterhalt“ mit dem Motto „In unserem erfolgreichen Staat, der gut ist und ohne Alternative“ gegen die Revolte. „Ich lehne deinen Staat ab, Seine Freiheit ist die größte Heuchelei“ schreit Elektra ihrer Mutter vor ihrer geplanten Hinrichtung zu. „Lieber das Nichts als dieses Leben“.

Doch in der großen „Beschimpfungsszene“ wird deutlich, wie sich Mutter und Tochter doch ähneln. „Unsere Mittel gleichen sich und wer am Ende Recht hat weiß der Geier“, so Klytaimnestra zu Elektra.

Orest klingt am Anfang ebenfalls revolutionär, dabei ein wenig naiv. Er will „mit seinem letzten blutigen Schlag den Kreislauf des Tötens durchbrechen“. Für ein goldene Zeitalter, das gerechtere Menschen und eine bessere Ordnung der Dinge schafft. Auf zum letzten Gefecht. Doch sein Ziel Aighist zu töten, schafft er nicht, denn „Aighist ist überall. Er ist nirgendwo. Überall und nirgendwo“, verzweifelt Orest, der statt des Kopfes des Königs einen Schweinskopf mitgebracht hat.

Nachdem Elektra Klytaimnestra ermordet hat, scheint die Revolution doch geglückt, oder? Es ist Pylades, der Freund von Orest, der das Ruder an sich reißt. Aus dem schweigsamen Pylades wird der totalitäre Pylades. Nachdem er einen Ledermantel anzieht, der gewisse Ähnlichkeit mit einem Gestapo-Mantel hat, beginnt er seinen Monolog. Der erinnert in Teilen an rechte Ökos, die „um die Erde zu retten“, auch einen Großteil der Menschen vernichten würde. So redet auch Pylades. „14 Milliarden Füße. Der Erdball schreit um Hilfe.“ dagegen hilft nur „Erstmal bringen wir testweise 100 Millionen Menschen um. Und das einzige, was uns dann noch hilft, ist noch mal 100 Millionen umzubringen. Und so weiter.“

Alexander Kerlin präsentiert uns einen Kampf der Systeme, der nach dem Motto endet „wenn zwei sich streiten freut sich der Dritte“. Ruhig und gelassen wartet Pylades auf seine Chance, die kommen wird, wenn sich beide Systeme erschöpft haben. Eine ähnliche Situation wie in den 30er Jahren in Deutschland.

Sehr stark in dem Stück waren die beiden Frauenrollen der Elektra und der Klytaimnestra. Caroline Hanke war nach ihrer Zeit im Mutterschutz wieder voll aktiv, wie man sofort zu beginn sah, als sie sich mit gymnastischen Übungen auf eine Art von Einsatz vorzubereiten schien. Friederike Tiefenbacher spielte eine Klytaimnestra als „Diva der herrschenden Klasse“. Elegant, aber auch festkrallend an der Macht war sie eine ebenbürtige Gegnerin von Elektra.

Peer Oscar Musinowski zeigte einen Orest, der an seiner Aufgabe Aighist zu töten scheitert. „Die Tragödie ist aus“, verzweifelt er. „Da ist kein Feind mehr, der eure Freiheit unterdrückt“. Musinowski bringt diesen Zwiespalt zwischen den energischen Orest zu Beginn und dem desillusionierten Orest gegen Ende des Stückes gut auf die Bühne.

Carlos Lobo hat eine sehr spannende Rolle, denn er spielt den Pylades. Der sagt erst einmal gar nichts und steht wie ein Unbeteiligter im Hintergrund. Erst am Ende, als sich die Kräfte der Revolte und des Beharrens erschöpft haben, kommt er zu seinem großen Auftritt.

Der Bauer/Henker wurde von Frank Genser dargestellt. Der Henker, der eigentlich Elektra töten sollte, bekommt sie zur Frau und wird Bauer. Aus einem Werkzeug der Mächtigen entwickelt der Charakter eine Art „Stockholm-Syndrom“ und stellt sich auf die Seite Elektras. Doch sein Henkerhandwerk scheint noch nicht vergessen, er dient sich Pylades an. „Wo echte Not herrscht, wird mein Handwerk noch geschätzt.“

Mit viel Humor spielten auch die Chormitglieder Bettina Lieder und Merle Wasmuth ihre Rollen. Der Chor, der das Volk symbolisiert stellte sich je nach Situation immer auf die Seite derjenigen, die gerade obenauf war.

Regisseur Paolo Magelli stellte in „Elektra“ die Schauspieler in den Mittelpunkt seiner Inszenierung. Das Bühnenbild war reduziert. Das Feld des Bauern wurde mit Schottersteinen dargestellt, um die Kargheit des Bodens zu symbolisieren. Einfache Tische und Stühle.

Daneben gab es Videoeinblendungen mit Klytaimnestra und Elektra und Orest als Kindern. In dieser Art Rückblende versucht die Mutter ihren Kindern die „wahre“ Geschichte von Helena, Paris und Agamemnon zu erzählen. Ihre Kinder schreien aber „Du lügst, du lügst!“

Die Musik kam von einer Liveband mit dem musikalischen Leiter des Schauspiels Paul Wallfisch sowie Geoffrey Burton und Larry Mullins. Ihre Musik war avantgardistisch, manchmal laut, aber nicht schrill und passte sich dem Geschehen auf der Bühne an.

Elektra wurde entscheidend gegen den Strich gebürstet und mit vielen Anspielungen aus der Jetztzeit versehen. Das ist ein Verdienst der Textbearbeitung von Alexander Kerlin. Ein sehenswertes Stück.

Elektra als reine Revolte

Viva la revolution? Merle Wasmuth, Peer Oscar Musinowski, Frank Genser, Caroline Hanke, Bettina Lieder und Carlos Lobo  (Foto: ©Edi Szekely)
Viva la revolution? Merle Wasmuth, Peer Oscar Musinowski, Frank Genser, Caroline Hanke, Bettina Lieder und Carlos Lobo
(Foto: ©Edi Szekely)

Am 07. Februar um 19:30 Uhr feiert das Stück „Elektra“ von Alexander Kerlin nach Euripides seine Uraufführung. Die Regie führt Paolo Magelli, der bereits in Dortmund unter anderem „Leonce und Lena“ inszenierte. Hinzu kommt eine Liveband, bestehend aus dem musikalischen Leiter Paul Wallfisch, Geoffrey Burton und Larry Mullins.

„Elektra“ und Uraufführung? Ist das Stück denn nicht 2.500 Jahre alt? In diesem Fall nicht. Denn Dramaturg Alexander Kerlin hat das Stück komplett neu geschrieben und setzt den Fokus auf die Neuzeit. Natürlich floss der Kern der Geschichte von Euripides in die Neufassung ein, aber ebenso beispielsweise das Libretto von Hugo von Hofmannsthal für die Oper von Richard Strauss.

Worum geht es? Elektra, Tochter des ermordeten Königs Agamemnon, schwört Rache. Ihr Bruder Orest ist im Exil. Doch als zwei Touristen zurückkommen, beginnt sich das Rad der Tragödie zu drehen.

„Die Figuren haben politische Statements“, erklärte Kerlin. Auf der einen Seite steht Elektra, die Rache nehmen möchte, auf der anderen Seite Klytaimnestra, die für die Seite der Herrschenden, für den Machterhalt steht. Als Kerlin begann das Stück zu schreiben, drehten sich die weltpolitischen Tragödien und Konflikte. IS in Syrien, politische Spannungen in Deutschland (Pegida) oder die Anschläge in Paris. Alle diese Ereignisse flossen in das Stück. „Es wird immer schwieriger sich zu positionieren“, findet Kerlin. „diese Verwirrung hat mich interessiert. Es ist eine extrem gute Zeit für Verschwörungstheorien.“

Es braucht niemand Angst zu haben, eine museumskompatible Version von „Elektra“ zu sehen. „Es geht schon um uns“, so Kerlin. „Es ist ein sehr physisches Stück. Für die Schauspieler bedeutet dies 80 Minuten Verausgabung.“

Für eine frische Version von „Elektra“sorgt auch die Musik: Paul Wallfisch hat Musik nach Motiven von Richard Strauss komponiert, die er zusammen mit Geoffrey Burton und Larry Mullins aufführt. Doch es wird sicher nicht klassische Musik zu hören sein, sondern wohl eher (punk-)rockig mit ruhigen melodiösen Elementen.

Für die Premiere am 07. Februar 2015 gibt es noch Restkarten, weitere Termine am 13. Februar, 28.Februar, 01. März, 12. März, 15. April und 24. April.

Minority Report – Matchbox, Barbies und Schauspieler

Ekkehard Freye als Jad Fletcher sieht die Kugel rollen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Ekkehard Freye als Jad Fletcher sieht die Kugel rollen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

„Hollywood wird unterschätzt, die machen echt gute Plots und können gute Geschichten erzählen“, die Aussage von Regisseur Klaus Gehre wird vielleicht manchem sauer aufstoßen, doch ganz Unrecht hat er nicht. Gehre hat in der Vergangenheit schon öfter Hollywoodfilme auf die Bühne gebracht wie beispielsweise „Fluch der Karibik“ oder „Surrogates“. In Dortmund hat sein Live-Film „Minority Report“ Premiere am 14. September 2014 um 18 Uhr im Studio Dortmund.

Der Film „Minority Report“ von Steven Spielberg aus dem Jahre 2002, basierend auf der Kurzgeschichte von Philip K. Dick, „gehört zum Visionärsten, was die Popkultur zu bieten hat“, so Dramaturg Alexander Kerlin. Vielleicht liegt es daran, dass der Film das Thema „Big Data“ vorweg nimmt. Denn wenn man nur genug Daten hat, kann man möglicherweise in die Zukunft schauen und vorausberechnen, was dieser oder jener für eine böse Tat tun wird.

Darum dreht sich die Kurzgeschichte und der Film. Mord ist in der Zukunft Vergangenheit, denn durch das Frühwarnsystem „Precrime“ werden die zukünftigen Mörder vom Leiter John Anderton festgenommen, bevor sie ihre Taten begehen. Die Vorhersagen stammen vom Precog Agatha, die unter Zugriff auf riesige Datenberge Algorithmen entwirft, die die Taten vorhersagt. Doch plötzlich sagt Agatha den Mord an einen Unbekannten namens Leo Crow voraus. Der Täter ist John Anderton selbst.

Neun Kameras werden auf drei Leinwänden einen Live-Film kreieren. Es soll auf eine „zarte Weise ein leicht trashige Variante des Hollywood-Films entstehen“ (Kerlin). Mit Barbie-Puppen, Matchbox-Autos und ähnlichen Hilfsmitteln werden digitale Filmwelten auf analoge Art imitiert, quasi im Do-it-yourself verfahren.

Das Stück dreht sich um die Frage, wer hat Zugriff auf „Big Data“, auf all die Informationen, die wir im Internet und anderswo hinterlassen. Ist es positiv, wenn uns ein Plattenladen Empfehlungen gibt aufgrund unserer bisherigen Einkäufe oder will er uns nur beeinflussen, um seine Produkte zu verkaufen. Für Regisseur Klaus Gehre steht fest: „Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Freiheit“. Doch man kann durchaus gespaltener Meinung sein: Ist der immer größer werdende Pool an Informationen ein Gewinn oder Verlust an Freiheit?

Natürlich werden auch Schauspieler mitwirken: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Julia Schubert und Merle Wasmuth werden als Akteure im Studio zu sehen sein.

Die Zuschauer können ebenfalls eine aktive Rolle einnehmen, denn es wird die App „Precog“ für Android oder Apple zum herunterladen geben.

Neben der Premiere am 14. September gibt es weitere Termine am: SO, 21. SEPTEMBER 2014, SA, 18. OKTOBER 2014 und DO, 23. OKTOBER 2014.

Infos und Karten unter www.theaterdo.de oder 0231 50 27222.

Das Goldene Zeitalter – ein Update

Am 18. Januar 2014 startete Schauspieldirektor Kay Voges zusammen mit Videokünstler Daniel Hengst, Dramaturg Alexander Kerlin und einigen tapferen Ensemblemitgliedern im Dortmunder Schauspielhaus zum neunten Mal den Versuch, auf 100 Wegen den Schicksal im „Goldenen Zeitalter“ die Show zu stehlen. So klang unsere Kritik damals.

 

Mir war klar, keine Vorstellung des Stücks gleicht der Anderen. Was hatte sich seit der Premiere im letzten Jahr entwickelt und verändert?

 

Zu meiner ersten Überraschung saß mitten im bekanntem Bühnenbild ein an seinem Stuhl gefesselter Mensch mit der Maske eines Greises (Björn Gabriel). Ansonsten war er wie die anderen Schauspieler/innen mit Kniestrümpfen und Faltenrock und Jacke. Über einen langen Zeitraum musste der Arme dort lange verharren. Nur dann und wann änderte er etwas seine Position und seinen Gesichtsausdruck. Interessant zu beobachten, was für Ausdrucksmöglichkeiten auch durch so eine Maske vermittelt werden können. Ihm oblag es im Laufe des Abends das Ende des „Postmodernen Zeitalters“ zu proklamieren.

Bei der Vorstellung am 18. 01. wurde auf aktuelle Themen wie etwa der Skandal um den umstrittenen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst oder der Skiunfall von Kanzlerin Merkel Bezug genommen. Auch auf Wagner und seine Tannhäuser-Oper ( hatte im Dezember unter der Regie von Kay Voges Premiere in der Dortmunder Oper) wurde humorvoll-ironisch hingewiesen.

Wegen der Erkrankung von Caroline Hanke fiel die „Adam und Eva“ Nummer leider aus. Dafür nutzte Voges seine guten Beziehungen zur Oper und konnte den zuletzt auch im Tannhäuser zu hören und zu sehenden Bass-Bariton Morgan Moody als „Special Guest“ gewinnen. Moody glänzte mit seiner Stimme und sorgte zum Schluss vor allem mit dem Song „Wunderbar“ aus dem Musical „Kiss me Kate“ (vielen durch die deutsche Version von Zarah Leander bekannt) von Cole Porter für ausgelassene Stimmung.

Auffällig im Unterschied zur Premiere ist, dass die Schauspieler/innen sich inzwischen öfter direkt ins Publikum wagen und der Regisseur oder der Dramaturg auch mal auf der Bühne mitmischen.

 

Wir dürfen auf die Fortsetzung gespannt sein…

Rastlose Wölfe im Schauspielhaus

Das Ministerium der Wölfe: Mick Harvey, Paul Wallfisch, Alexander Hacke und Danielle de Picciotto. (Foto: ©Thomas Ecke)
Das Ministerium der Wölfe: Mick Harvey, Paul Wallfisch, Alexander Hacke und Danielle de Picciotto. (Foto: ©Thomas Ecke)

Die Uraufführung von „Republik der Wölfe“ wird ein Märchenmassaker mit Live-Musik nach den Gebrüdern Grimm und der amerikanischen Literatin Anne Sexton (1927 bis 1974). Die Premiere findet am 15. Februar 2014 im Schauspiel Dortmund statt. Dann rufen die Regisseurin Claudia Bauer (inszenierte zuletzt in Dortmund „Welt am Draht“) und der Musikalische Leiter des Schauspiel Dortmund Paul Wallfisch und und seine Freunde von der neuen Band „The Ministry of Wolves“ zusammen mit dem Schauspielensemble die „Republik der Wölfe“ aus.

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Auf der Suche nach dem besonderen Moment

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(Bildunterschrift: Ob Merle Wasmuth mit dem rosa (Duracell) Hasen mithalten kann? (Foto: © Birgit Hupfeld)

Am Freitag, den 13. September 2013 um 19.30 Uhr findet im Schauspielhaus Dortmund eine besondere Stückentwicklung statt.
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