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Natur-gewaltiges Musikerlebnis im Konzerthaus

Einen imposanten Abschluss der Spielzeit 2016/2017 bot die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz unter dem Motto „natur_erlebnis“ beim 10. Philharmonischen Konzert am 04. und 05. Juli 2017 mit der 3. Sinfonie d-Moll von Gustav Mahler (1860-1911) im Konzerthaus der Stadt. Das gigantische Werk versucht nicht nur einen musikalischen Abriss der menschlichen Entwicklungsgeschichte, sondern bemüht dazu neben einer großen Orchestrierung auch noch einen Frauen- und einen Knabenchor, sonder auch noch Solo-Partien für Mezzopsopran mit Textausschnitten aus Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ (4. Satz: Oh Mensch! Gib Acht!) und aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Achim von Arnim und Clemens Brentano (5. Satz: „Es sungen drei Engel“). Das zeigt schon einen starken Drang Mahlers zum Gigantischen.

Die Damen des Dortmunder Opernchors (Einstudierung: Manuel Pujol), Damen des Kammerchors der TU Dortmund (Einstudierung: Ulrich Lindtner) und der Knabenchor der Chorakademie Dortmund (Einstudierung: Jost Salm) sowie die Mezzosopranistin Janina Baechle übernahmen an den Abenden tatkräftig den unterstützenden Part.

Das höchst anspruchsvolle Programm zeichnet sich durch teils schroffe Nebeneinander von höchst unterschiedlichen musikalischer Elemente. Diese Collagetechnik mit melodisch-harmonischen Passagen, Brüchen und Dissonanzen bis hin zu extremen musikalischen Überhöhungen entspricht den sechs Stufen der Entwicklung. Diese gehen über die Materie, Flora und Fauna, Menschen mit Lust und Leid, bis hin zur Apotheose im „Himmel“. Als höchste Stufe der Entwicklung in den Sätzen vier bis sechs kumuliert sie für Mahler am Ende in der allumfassenden und unendlichen Liebe („Gott“) .

Die Sinfonie ist in zwei Abteilungen aufgeteilt. Der erste Satz alleine umfasst schon die erste Abteilung. Er beginnt mit einem starken Weckruf durch gleich acht Hörner und kann als zündender Funke, der die Dinge in Gang setzt, gesehen werden. Als Gegenwelt zur beherrschenden Materie meldet sich die Natur mit Hilfe der Streicher, Oboen und Trompetenklängen. Sie wirkt aber nur kurz und ziellos, auch wenn sie sich endlich zu einem schnellen Marsch mit gewaltigem Getöse entwickelt, dass am Ende ins Leere läuft.

Die zweite Abteilung mit den Sätzen zwei bis sechs zeichnen ein Bild von scheinbar harmonischen blühender Landschaften mit Flora Und Flaura, deren scheinbare „Idylle“ (unterstützt durch Glockenspiel und Harfen) aber immer wieder durch musikalische Dissonanzen gestört wird. Der fünfte Satz kommt zunächst etwas naiv und mit dem „Armer Kinder Bettlerlied“ (Wunderhorn) daher, wird aber am Ende mit dem Mezzosopran-Solo „Es sungen drei Engel“ ernster.

Im letzten Satz steigert sich die Musik zu einem grandiosen und leidenschaftlichem Finale.

Wagners Superheld im Konzerthaus

Krönender Abschluss der Spielzeit. Die Dortmunder Philharmoniker sowie die Solisten Petra Lang (Brünnhilde) und Andreas Schager (Siegfried). (Foto: © Anneliese Schürer)
Krönender Abschluss der Spielzeit. Die Dortmunder Philharmoniker sowie die Solisten Petra Lang (Brünnhilde) und Andreas Schager (Siegfried). (Foto: © Anneliese Schürer)

Das 10. Philharmonische Konzert am 02. und 03. Juni 2015 im Konzerthaus präsentierte wohl den Helden der klassischen Musik: Siegfried. Schlau wie Frodo (auch bei dem geht es um einen Ring) und ähnlich unverwundbar wie Achill. Mit dem Siegfried-Idyll und dem dritten Akt aus der Oper „Siegfried“ näherten sich Gabriel Feltz und seine Dortmunder Philharmoniker dem Helden, dessen Taten Richard Wagner in Musik packte.

Zunächst stand das Siegfried-Idyll auf dem Programm. Richard Wagner komponierte es als Geburtstags-Gruß für seine Frau Cosima und nahm schon einige Elemente der späteren Oper „Siegfried“ vorweg. Die Besetzung ist für Wagnerianische Verhältnisse spärlich, denn ursprünglich wurde es für ein Kammerorchester geschrieben.

Wer beim Siegfried-Idyll dramatische Musik, ähnlich wie beim Walküren-Ritt, erwartet, liegt völlig falsch. Das Stück ist zärtlich, warm und wie sein Name schon sagt, es weckt Gedanken an eine imaginäre idyllische Landschaft. Das Stück passt sehr gut zu Feltz und seinem Orchester, da der Dirigent ein Meister der Zwischentöne ist, der Pausen zwischen den Noten, die für die Musik ebenso wichtig sind wie die gespielten Noten selbst.

Der zweite Teil des Abends gehörte dem dritten Akt von „Siegfried“. Dem Ort geschuldet, wurde es natürlich konzertant aufgeführt. Das heißt, Sänger vorne und die Musiker, die in „wagnerianischer Stärke“ angetreten waren, im Hintergrund. Ich vermute mal, dass es daran lag, dass die Solisten, vor allem Olafur Sigurdarson (Wotan) bei lauten Stellen etwas schwer zu verstehen sind. Denn in einer „normalen“ Aufführung sind die Musiker ja in einem Orchestergraben.

Ansonsten gab es überhaupt nichts zu meckern. Denn alle Solisten machten einen hervorragenden Eindruck, sei es der erwähnte Sigurdarson, Ewa Wolak (Erda), Petra Lang (Brünnhilde) oder Andreas Schager (Tenor). Schager sah man seine Spielfreude sofort an, er hätte wohl gerne etwas szenischer gespielt, zumindest was im Rahmen einer konzertanten Aufführung möglich ist.

Insgesamt war das 10. Philharmonische Konzert ein fulminanter Abschluss einer überaus gelungenen Spielzeit. Die Zuhörer dankten den Beteiligten verdientermaßen mit lang anhaltendem Applaus.

Doppelter Brahms als perfekter Spielzeitabschluss

Mit dem Klavierkonzert Nr.1 und der 2. Sinfonie von Johannes Brahms beendeten die Dortmunder Philharmoniker ihre Philharmonischen Konzerte für diese Spielzeit. Dirigent war Muhai Tang, der Solist am Klavier hieß Lars Vogt.

 

Von Beginn an führte Tang die Musiker gestenreich durch das Klavierkonzert. Der erste Satz: Voller Gegensätze, mal wild, mal ruhig, verlangt ein hohes Gespür vom Pianisten. Hingegen ist der zweite Satz ruhig, feierlich, fast geistlich. Energisch, kraftvoll, zupackend: Der dritte Satz des Klavierkonzertes Nr.1, das Rondo. Lars Vogt spielte insgesamt ein überzeugendes Konzert. Er verabschiedete sich mit einem „Nocturne“ von Chopin.

 

Nach der Pause stand die 2. Sinfonie (op.73) auf dem Programm. Blechbläser und Pauken standen im Mittelpunkt. Ganz im Gegensatz zum Bild von einem ersten Brahms, ist diese Sinfonie, ähnlich wie das Klavierkonzert, eine überwiegend fröhliche Musik. Vielleicht macht dies auch ihre Beliebtheit aus. Dass Brahms auch sehr ernste Seiten hat, hörte man im zweiten Satz, der fast einem Todesseufzer glich. Hingegen zeigte der dritte Satz tänzerische Variationen. Mit Pauken und Trompeten bzw Blechbläser ging der vierte Satz zu Ende. Die Dortmunder Philharmoniker unter Tang vermochten die verschiedenen Stimmungen der Sinfonie gut herauszuarbeiten.

Alles muss einen Sinn haben

Am 03. und 04. Juni 2014 findet das 10. Philharmonische Konzert statt. Zweimal Brahms steht auf dem Programm. Neben seinem Klavierkonzert Nr.1 ist auch seine Sinfonie Nr.2 in D-Dur im Konzerthaus Dortmund zu hören. Der Solist beim Klavierkonzert ist Lars Vogt, dirigieren wird Muhai Tang. Tang ist seit 2006 Dirigent und Musikdirektor des Zürcher Kammerorchesters, hat aber bereits in Australien, Asien und den USA Orchester geleitet. Eine besondere Ehrung erhielt er 2002: Er wurde für seine Einspielung von Christopher Rouses Concert de Gaudí for Guitar and Orchestra mit den „Grammy Award for Best Classical Contemporary Composition“ ausgezeichnet. Ars tremonia sprach mit Muhai Tang.

 

Wie sind Sie zur Musik gekommen?

 

Das kommt aus der Kindheit. Ich bin in Shanghai geboren. Mein Vater [Tang Xiaodan, d. Red.] war einer der bekanntesten Filmregisseure in China. Er liebte als Regisseur natürlich jede Musik, und als ich ganz klein war, habe ich sehr viel Musik von Schallplatte gehört wie die Klavierkonzerte von Chopin,sein Lieblingsstücke, oder Tschaikowskis Schwanensee. Daneben habe ich auch Theater, Malerei und alles was möglich war, kennengelernt. Aber ich habe festgestellt: Ich liebe Musik. Das ist das einzige, das ich meinem Leben widme.

Meine Mutter hatte ein Klavier für mich gekauft, darauf habe ich gelernt und habe auch sehr früh angefangen zu komponieren. Als ich ganz jung war, habe ich bereits in einem professionellen Tanz- und Musiktheater gearbeitet. Während der Kulturrevolution, eine furchtbare Zeit, habe ich durch Glück am Shanghai-Konservatorium begonnen, Komposition und Dirigieren zu studieren. Später habe ich ein Stipendium in Deutschland bekommen und in München an der Hochschule für Musik die Meisterklasse absolviert.

 

Wie sind Sie zum Dirigieren gekommen?

 

Der Grund war die Kulturrevolution. Für viele Leute eine furchtbare Zeit, aber ich habe Glück gehabt. Ich habe zunächst angefangen mit dem Studium der Komposition. Aber ich wurde gefragt, ob ich dirigieren lernen kann, weil ein Orchester wartet auf einen Dirigenten, nur es gab keinen. Denn viele hatten während der Kulturrevolution keine Erlaubnis zum Dirigieren. Dann habe ich gedacht, ich kann dirigieren und Instrumentierung lernen über praktische Arbeit. Daher habe ich zugesagt. Ich habe gelernt und gleich mit der Orchesterprobe angefangen.

 

Was ist Ihnen beim Dirigieren wichtig?

 

Dirigieren hängt mit dem Komponieren ganz eng zusammen. Weil jede Note, die man macht, hat einen Sinn. Ob man Konzert, Sinfonie oder Oper macht: Alles muss zuerst einen Sinn haben. Natürlich muss man erst das Technische beherrschen, also alle Noten im richtigen Tempo und Ausdruck spielen können.

 

Sie haben auf vielen Kontinenten gearbeitet. Was gibt es für Unterschiede?

 

Es gibt riesiger Unterschiede, nicht nur beim Klima, Sprache oder so, sondern allein die Kultur. Die Mentalität ist ganz verschieden. Selbst innerhalb Europa gibt es Unterschiede. Man muss in einem neuen Land, einer neuen Kultur seine Position finden. Eigentlich sollte man gar nicht reden, man dirigiert einfach. Das wäre das beste eigentlich. Aber wenn man die Sprache beherrscht, dann ist man den Kollegen näher.

Die Begeisterung bei den Musikfans ist überall gleich. Man merkt während des Konzertes jeden Moment, zum Beispiel die Japaner, wenn die Publikum sind, man hat sogar ein bisschen Angst. Die sind so still, da ist eine so große Konzentration beim Hören. Es gibt natürlich lockeres und ziemlich lautes Publikum wie in China zum Beispiel. Dann ärgert man sich. Manches Publikum geht nach dem Konzert sofort weg, aber manche bleiben sehr lange und bedanken sich mit großem Applaus und wollen sogar eine Unterschrift haben, manche kommen sogar mit der Partitur.

 

Kommen wir zum 10. Philharmonischen Konzert. Zu Beginn steht ja das 1. Klavierkonzert von Brahms. Was ist das für ein Werk in ihren Augen?

 

Eigentlich ist für mich Brahms Violin- oder Klavierkonzert ein sinfonisches Stück. Er nutzt zwar ein Soloinstrument, aber es „gehört“ dem ganzen Orchester. Der musikalische Gedanke wird durch den Solisten und dem Orchester gemeinsam gebildet. Ich dirigiere es auch als Sinfonie. Es hat natürlich wie die traditionellen Solo-Konzerte drei Sätze und nicht wie die Sinfonie vier Sätze. Ich glaube, das Publikum soll merken, dass es ein sinfonisches Werk ist, dass man musikalische Gedanken nicht nur durch den sogenannten „Virtuoso“ wie bei Liszt oder Rachmaninow erkennen kann. Das Technische ist bei Brahms schon schwer.

 

Das zweite Werk, die 2. Sinfonie von Brahms?

 

Das Stück habe ich gehört als ich jung war und die Boston Sinfoniker mit Seiji Ozawa in China aufgetreten sind. Da habe ich mich in dieses Stück verliebt. Es ist in D-Dur, was für mich die schönste Tonart ist. Ich habe auch Violine gespielt, D-Dur für einen Violinisten ist eigentlich die schönste Tonart. Die Sinfonie ist so lyrisch, man erlebt sie wie ein Traum. Erst kommt der lyrische Anfang und danach ein ganz ernsthafter zweiter Satz („Adagio“). Für mich wirkt es, wenn das Adagio zu Ende ist, als wenn jemand stirbt. Und dann kommt plötzlich der dritte Satz, ganz leichte Folklore, mit einem Scherzo, dass man wie bei Mahler an Kinderlieder denkt. Im vierten Satz gibt es einen brillanten Effekt des Orchesters. Kurz vor der Reprise ist es so, als ob sich der Himmel öffnet und Gott spricht. Das ist alles meine eigene Interpretation. Ich lese nicht sehr viel Literatur. Ich versuche direkt über die Musik, von den Noten zu sehen, was im Stück steht, was Brahms wollte.

 

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Dortmunder Philharmonikern?

 

Die Musiker sind sehr ernsthaft und sehr aktiv. Sie haben, wie ich gesehen habe, sehr viel zu arbeiten . Aber bei der Probe sind sie jede Minute so konzentriert und versuchen, das Beste zu geben.