Nackt und zerfleischt - Jörg Buttgereits neue Gesprächsreihe sorgte beim ersten Mal für tolle Stimmung. (Foto: © Schauspiel Dortmund)

Nackt und zerfleischt: Turksploitation oder Rambo mit Zombies

Jörg Buttgereit ist zurück im Schauspiel Dortmund mit der neuen Gesprächsreihe Nackt und zerfleischt. In der ersten Folge am 13. Januar wurde zwar niemand zerfleischt und es gab wenig Nacktes, dennoch war der Abend ein großer Erfolg. Denn das Thema der ersten Folge war „Turksploitation“. Dazu hatte Buttgereit als Experten den Regisseur Cem Kaya eingeladen, der zum Thema den Film „ Remake, Remix, Rip off“ gemacht hat.

In den 70er und 80er Jahren war das Schauen von Videofilmen ein großes Freizeitvergnügen in den türkischen Familien in Deutschland. Die Heimat war weit weg und so boten die Kassetten immerhin Unterhaltung in der eigenen Sprache. Bis zu zehn Filme wurden ausgeliehen, die quasi pausenlos über die Bildschirm flimmerten. Die Stoffe orientierten sich an den großen Hollywoodstreifen, deren Drehbücher manchmal minimal verändert oder aber völlig umgearbeitet wurden.

Es waren Massenwaren, die möglichst billig heruntergekurbelt wurden mit Kameras auf dem technischen Stand der 40er Jahre und mit nur einer Tonspur. Schauspieler drehten oft mehrere Filme gleichzeitig auf dem Set.

Aus der riesigen Auswahl an Filmen entschied sich Buttgereit zu „Rambo“. Wer anders als Uwe Rohbeck als Louis Cypher aus Buttgereits letzter Dortmunder Produktion „Besessen“ las Auszüge aus den Beurteilungen der Bundesprüfstelle zu den Rambo-Filmen. Der erste der Reihe „First Blood“ bekam seinerzeit das Prädikat „besonders wertvoll“.

Danach ging es ans Videogucken, wobei Kaya den Film auf eine DVD gebrannt hatte. „First blood“ wurde als „Vashi Kan“ (Wildes Blut) – sagen wir mal – neu interpretiert. Man hielt sich überwiegend an das Originaldrehbuch und die Musik wurde auch vom Original genommen. Dabei hatten die türkischen Regisseure noch ein weiteres Problem: Sie mussten sich mit der Zensur herumschlagen. Dennoch wirkte Vashi Kanan vielen Stellen einfach nur unfreiwillig komisch.und wirkte von seiner Machart ein wenig wie Ed Woods „Plan 9 from outer space“. Hier versuchte Wood mit extrem bescheidenen Mitteln einen spannenden Film zu produzieren und scheiterte.

Nackt und zerfleischt - Jörg Buttgereits neue Gesprächsreihe sorgte beim ersten Mal für tolle Stimmung. (Foto: © Schauspiel Dortmund)
Nackt und zerfleischt – Jörg Buttgereits neue Gesprächsreihe sorgte beim ersten Mal für tolle Stimmung. (Foto: © Schauspiel Dortmund)

Gescheitert sind seine türkischen Nachfolger keinesfalls, denn zumindest bis zum Aufkommen der Satellitenschüsseln, waren sie aus dem Leben der türkischen Familien nicht wegzudenken. Was man bei allem Lachen über den Trashfaktor (warum tauchen plötzlich Zombies in einem Rambo-Film auf): man spürt als Zuschauer die Liebe und Leidenschaft aller Beteiligten zum Medium Film. Und da ist wieder die Brücke zu Ed Wood.

Der erste Abend war ein äußerst vergnüglicher. Nackt und zerfleischt ist eine wirklich sehr schöne Reihe, um Interessierten einige Subgenres zu präsentieren, die man aus eigenem Antrieb wohl nicht entdeckt hätte. Zum Spaßfaktor konnte man am Samstag noch eine Menge lernen. Daher gebührt Cem Kaya auch ein großes Dankeschön. Ihm hätte ich stundenlang zuhören können. Ich bin schon gespannt auf das nächste Mal, wenn es um „Gorillawood“ geht.

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