Ein Egozentriker auf später Sinnsuche

Theater mit Kay Voges ist immer überraschend. Der Besucher weiß nicht, was ihn erwartet. War in der vergangenen Spielzeit die Vermischung zwischen Film und Theater das Motto, dreht sich in der aktuellen Spielzeit alles um Wiederholungen und Identitäten. So auch bei Ibsens Drama „Peer Gynt, das am 28. September 2013 Premiere feierte.

„Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“, der Bestellertitel von Precht könnte durchaus auch auf den Titelhelden „Peer Gynt“ zutreffen. Seien wir ehrlich: Peer Gynt ist nicht die Person, die vermutlich am meisten Sympathien einheimst. Er lügt, dass sich meterweise Balken biegen, er ist selbstsüchtig und nur auf seinen Vorteil bedacht. Ein Mensch, der verschiedene Rollen spielt. Doch was ist der wahre Kern von Peer Gynt? Vielleicht kennt ihn Solveig, die Frau die ihr ganzes Leben auf ihn gewartet hat, als er durch die Weltgeschichte reiste und seinen Zielen hinterher jagte.

Voges schafft es bravurös, den komplexen Stoff so einzudampfen, dass er in 90 Minuten erzählt werden kann. Dabei halfen ihm die sechs Schauspieler, der Musiker Thomas Truax und ein außergewöhnliches Bühnenbild. Der Regisseur konzentriert sich auf einige der Geschichten, die Peer Gynt wiederfahren sind: Der Brautraub, die Trollhöhle, der Tod der Mutter, die Irrenanstalt und seine Rückkehr, dennoch bleiben von der Vorlage auch einige surreale Elemente. Voges stellt die Sinnsuche Peer Gynts in den Mittelpunkt. Aber kann jemand ohne echten Kern eine Identität haben? Bei der berühmten „Zwiebelmethapher“ in Ibsens Stück vergleicht sich Peer Gynt ja mit einer Zwiebel, die Schichten hat, aber keinen Kern.

Da niemand weiß, wer oder was Peer Gynt wirklich ist, löst sich auch die klassische Rollenzuteilung auf. Alle Schauspieler spielen Peer Gynt. Schnelle Kleiderwechsel, archaisch wirkende Verwandlung durch Auftragen von Farbe macht das Spiel zu einem optischen erlebbaren Spiel: Mittels grüner Farbe wird eine Schauspielerin zur Tochter des Trollkönigs, durch rote Farbe zur entführten und entehrten Braut, das reine unschuldige Weiß bleibt Solveig vorbehalten.

Bei den sechs Schauspielern gab Peer Oscar Musinowski sein Dortmund-Debut. Er spielte energisch, voller Elan und lässt viel für die Zukunft hoffen. Uwe Rohbeck glänzte vor allem in der Rolle des deutschen Irrenarztes Dr. Begriffenfeldt, der seinen Patienten Peer Gynt mit Elektroschocks und Spritzen foltert. Berührend spielt Friederike Tiefenbacher die sterbende Mutter von Peer Gynt. Wobei sie, nachdem der Sargdeckel sich gesenkt hat – ihre Verwandlungskunst unter Beweis stellte und kurze Zeit später als eine neue Inkarnation von Peer Gynt „wiederaufersteht“.

Doch dahinter müssen sich Bettina Lieder, Julia Schubert und Sebastian Graf nicht verstecken. Sie alle sorgten für einen berührenden, manchmal auch komischen Theaterabend.

Passend dazu, gab es Musik von Thomas Truax. Wer Grieg erwartete, war auf dem Holzweg. Truax.spielte zwar das bekannte Stück „Marsch der Trolle“ von Grieg auf einem seiner selbst gebauten Instrumente, aber ansonsten unterstützte Truax das Stück mit seiner teils rockigen teils folkigen Musik perfekt.

Außergewöhnlich war das riesige Wasserbecken auf der Bühne (Bühnenbild Michael Sieberock-Serafimowitsch), in dem die Schauspieler das Stück spielten. Es war nicht nur praktisch (man konnte sich die Farbe aus dem Gesicht waschen), sondern das Wasser unterstützte die Akteure auf der Bühne. Die Schauspieler ließen es sanft durch die Hand rieseln oder kraftvoll nach allen Seiten wegspritzen. Das Wasser diente als riesige Reflexionsfläche.

Fazit: Ein rundherum gelungener Abend mit einem engagierten Schauspielensemble, guter Musik, dem Element Wasser und einer mutigen Inszenierung. Logisch, dass alle Beteiligten gefeiert wurden.

Weitere Termine: 04. Oktober 2013, 18. Oktober 2013, 02. November 2013, 17. November 2013, 04. Dezember 2013, 21. Dezember 2013, 16. Januar 2014 und 22. März 2014.

Karten gibt es unter www.theaterdo.de oder telefonisch 0231 5027222.

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